Bach Invention Nr.4 - Funktion der längeren Triller?

Bernnt
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Hallo Leute,
ich bin gerade dabei, mir Bachs Invention Nr. 4 (BWV 775) anzueignen. Irgendwie fasziniert mich dieses Stück. Ich habe auch schon im Internet Artikel über die Komposition gelesen. Freilich bleibt mir die Funktion der langgezogenen Triller in den Takten 19ff und 29ff schleierhaft. Was sollen die? Was ist die Funktion dieser Triller? Warum gehören sie in das Stück? Wollte Bach eine Triller-Übung für seine Schüler schreiben? Oder hat Bach einfach keine Lust gehabt, "was Gescheites hinzuschreiben" (hüstel)? Jegliche Hinweise sind mir willkommen. Ich habe keinen blassen Dunst.
Vielen Dank für die Hilfe im Voraus.
Grüße, Bernnt
 
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Auch wenn ich auf diesem Gebiet ein absoluter Laie bin, habe ich mir kurz eine Klavier-Version auf Youtube angehört:
Und da kam mir sofort die Frage: Für welches Instrument hat Bach dieses Stück denn ursprünglich geschrieben?
Ich vermute bzw. gehe davon aus, dass Cembalo und Klavier diese lang übergebundenen Töne naturgemäß einfach nicht so lange aushalten können, so dass Bach dieses Problem mit einem Triller umgangen hat.
Und auf der anderen Seite bringt er mit dem Triller natürlich etwas Farbe und Bewegung in einen über mehrere Takte ausgehaltenen Ton.

Beim Akkordeon (und Orgel) sieht das natürlich schon wieder ein wenig anders aus....
 
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Zu den Trillern in der Barockmusik muss man wissen, dass die früher größtenteils von den Musikern in die Stücke eingebaut wurden.
Es kann also gut sein, dass Bach diese selbst gar nicht vorgeschrieben hat, sondern dass für die Ausgabe, die du hast, der Verleger diesen Triller eingebaut hat.

Mein Freundin hat früher Traversflöte gespielt und hat sich dazu ein dickes Buch gelauft, in dem es über hunderte von Seiten nur über die Gestaltung von Barockmusik ging.

Aber wie Claus schon richtig bemerkt hat, wenn man lange Noten auf einem Clavichord oder Cembalo spielt (und nicht auf einer Orgel), muss man sich wohl mit einem Triller behelfen, damit der Ton nicht nach einer Viertelnote schon ausgeklungen ist.
 
Es kann also gut sein, dass Bach diese selbst gar nicht vorgeschrieben hat...
Wozu auch, wenn man um die Ausführung wusste, weil es Teil der Ausbildung war, u.a. Sohn Carl Philipp Emanuel Bach ist auf das Thema "Manieren" eingegangen:
https://pfoh.files.wordpress.com/2014/04/carlphilippemanuelbach.pdf

Es ist auch heute nicht üblich, alles in die Noten zu schreiben.
Man denke nur an die Unterschiede von Notation und Ausführung im Swing und Modern Jazz, was auch Amerikanern erst einmal lernen müssen (zweiter Link).
http://www.timusic.net/wp-content/uploads/jazz+artikulation.pdf
http://etd.fcla.edu/UF/UFE0024367/edmund_d.pdf

Gruß Claus
 
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Ja, aber wozu soll das denn sooooooooooo ein laaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaannnggggger Tooooooooon gut sein? Bach hätte das auch anders machen können. Was soll das im Kontext der Komposition also?

Da müssten wir den alten Meister exhumieren, wiederbeleben und dann fragen.
Aber ob das Gedächtnis nach so langer Zeit sich an dieses eine Werk unter hunderten noch erinnern kann?
 
Meine Antwort auf so eine Frage wäre, "weil ich's kann". :D
So ein langer Triller ist nicht einfach, stellt also den Interpreten heraus und ein schöner Effekt über dem Lauf der linken Hand ist es auch.

Gruß Claus
 
Ja, aber wozu soll das denn sooooooooooo ein laaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaannnggggger Tooooooooon gut sein? Bach hätte das auch anders machen können. Was soll das im Kontext der Komposition also?
Vermutlich hat es ihm einfach gut gefallen. :nix:
 
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Ich vermute, ihn hat gereizt, wie sich der Bass während der trillernden Oberstimme in den Fokus schiebt.
 
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Vielen Dank für eure Antworten. Noch mal dazu:

Im Original stehen die Triller drin.
Der Beleg dafür ist diese eigenhändige Version von Johann Sebastian Bach, die auch online zur Verfügung steht.

Für gewöhnlich ist der Ablauf der meisten Bachstücken nicht nur aus meiner Sicht absolut logisch und aus dem sonstigen verarbeiteten Material und der bekannten barocken Konstruktionsprinzipien erschließbar. Das Getrillere ist es meines Erachtens nicht. Wahrscheinlich habt ihr mit solchen Statements recht:

"weil ich's kann"
einfach gut gefallen
ihn hat gereizt, wie sich der Bass während der trillernden Oberstimme in den Fokus schiebt

Überzeugen tut es mich trotzdem nicht. Also vielleicht doch eine
Triller-Übung für seine Schüler
?

Mit meinen Fragen bin ich wahrscheinlich nicht alleine. Gould trällerte den ersten der beiden langgezogenen Triller gar nicht (weil er ihn nicht überzeugte oder weil er das so wollte?), beim zweiten zeigte er, dass man den auch recht schnell spielen kann, kürzte ihn aber etwas ab:



Die Aufnahme zeigt, wie frei Glenn Gould mit der Vorlage umging - im Gegensatz zu den anderen früheren und heutigen Berühmtheiten (z.B. Gieseking, Nikolayeva, Schiff), die den Triller natürlich alle spielen. So stellt sich die Frage, was ich jetzt mache. Vielleicht ganz weglassen? Mein Instrument - das Akkordeon - hat Sustain. Im Gegensatz zum Clavichord braucht es keinen Triller, damit man den kontrastierenden Ton hört.

Vielen Dank für den Hinweis, @Claus:
Clavichord und das hat kaum Sustain.
 
Vielleicht ganz weglassen?

Hör doch bitte noch einmal mit Hingabe auf den Effekt, wie die Oberstimme trotz ihrer Bewegtheit, aber aufgrund ihrer Einförmigkeit der Unterstimme die Führung übergibt und sie gleich darauf wieder aufnimmt!

Ich finde es klasse und werde es mir demnächst zueigen machen :) - danke für diesen Musiktipp!
 
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Überzeugen tut es mich trotzdem nicht. [...] Glenn Gould [...] Gieseking, Nikolayeva, Schiff
Ich habe mir alle 4 Aufnahmen nochmal angehört: Mir gefällt der Triller. Es trillert doch so schön im Ohr. :) Warum um alles in der Welt sollte er dann ihm nicht gefallen haben?

Trotzdem: Es ist nichts in Stein gemeißelt. Wenn er Dir nicht gefällt, laß ihn doch einfach weg. :nix: Bach wird sich einmal im Grab herumdrehen, :evil: die Kollegen werden die Nase rümpfen ("Er hat DEN Triller unterschlagen!" :opa:), und mehr wird nicht passieren. Bach wird keinen Urheberrechtsprozeß anstrengen. :D Darüber zu philosophieren, warum er den Triller dahin gesetzt hat, ("Triller-Übung für seine Schüler") halte ich allerdings für müßig, da nicht zielführend.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Ja, aber wozu soll das denn sooooooooooo ein laaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaannnggggger Tooooooooon gut sein? Bach hätte das auch anders machen können. Was soll das im Kontext der Komposition also?
Der lange Triller ist ein Orgelpunkt auf der Doppeldominante über dem abkadenziert wird indem ab Takt 30 der Dux auf der A Melodisch Moll Tonleiter 2 mal sequenziert dargestellt wird.
Nichts Außergewöhnliches ...

Da sich Bach schon einmal bei meiner Interpretation im Grab umdrehte und sich jetzt nochmal bei Deinem Triller-Weglassen dreht liegt er dann wieder richtig rum.
 
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Da sich Bach schon einmal bei meiner Interpretation im Grab umdrehte und sich jetzt nochmal bei Deinem Triller-Weglassen dreht liegt er dann wieder richtig rum.
Nun ja, da bin ich mir nicht so sicher - nach all den Wiedergaben und Klicks, die Herr Gould auf Youtube mit seiner Interpretation kassiert. Wahrscheinlich ist es so, dass Herr Bach seine Position im Grab alle zwei bis drei Sekunden ändert... Zurzeit spiele ich beides - mit Triller und ohne Triller. Vielen Dank für den Hinweis, @CUDO II .
 
Ich finde es klasse und werde es mir demnächst zueigen machen :) - danke für diesen Musiktipp!

Ich muss bei diesem Gould immer an den Schachspieler Aljechin denken, der an einem Stück Fleisch erstickt ist.
Vermutlich weil beide so Exzentriker waren...der Triller gefällt mir übrigens auch...die Theorieansätze sind mir zu theoretisch...
wäre vielleicht ganz spaßig, wenn man den Triller auf dem Kopfhörer zwischen rechts und links wechselnd anhören könnte...

Man muss bei klassischer Musik ja mitunter jede Eigentümlichkeit nutzen, um wach zu bleiben...haha...
war nur Scherz...gut bei stundenlangen Opern vielleicht keine schlechte Idee...
 
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Ausserdem spielt Glen Gould diese Invention auf einem Flügel, der deutlich mehr Sustain hat als ein Clavichord. Vielleicht dachte er sich: den Ton hört man bis zum Ende, also braucht man da keinen Triller.

... nur ne Vermutung ;)
 

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