Burgmüller op. 100, 24 L'hirondelle

Claus
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Weiß jemand, was es in Burgmüller op. 100, 24 L'hirondelle mit den staccato artikulierten Basstönen auf sich hat?
Mir ist bei YT Clips von routinierten Spielern aufgefallen, dass dies überwiegend unbachtet bleibt und das Stück manchmal sogar mit Pedal gespielt wird, u.a. Margret Feils schreibt das in die Etüde.

Abgesehen von Interpretationsmöglichkeiten gibt es vielleicht kennt auch einen "handfesteren" Grund, der Pianisten und Klavierschülern mit Unterrichtserfahrung bekannt ist.
Es könnte schließlich sein (reines Gedankenspiel), dass die Notation solcher Passagen in der Konstruktion damaliger Pianos begründet war oder auf einer Auffassung beruht, die heute nicht mehr üblich ist.

burgmüller.jpg

Quelle: Friedrich Burgmüller, 25 Études faciles et progressives, G.Schirmer, New York; Nachdruck von Schott, Mainz 1852

Gruß Claus
 
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Ich spiele es auch mit Pedal und gleichzeitig mit der linken Hand einen Staccato-Anschlag, während die rechte Hand Legato spielt. Trotz Pedal macht es einen großen Unterschied, ob die linke Hand Staccato spielt oder nicht.
 
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Die Staccatopunkte auf den Achteln der linken Hand sind wohl der Tatsache geschuldet, dass es eine gewissen Zeit braucht, den Überschlag über die rechte Hand zu machen - die oberen Noten sollen ja mit Links gespielt werden ("m.g."). Die Achtel voll auszuspielen, wie man es eigentlich machen müsste, um erstens den Wert der notieten Achtel gewissenhaft zu erfüllen, und zweitens eine schöne Betonung auf der jeweils ersten Note der Vierergruppe zu machen, würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen und den Überschlag zu hektisch und damit auch zu unsicher machen (138 für die Viertel ist ja schon ein gehörig schnelles Tempo).

So werden die Achtel nur ganz kurz angespielt, eben Staccato, aber von der musikalischen Vorstellung her als Achtel gedacht. Das gibt auf eine subtile Weise einen anderen Ausdruck als wenn sie von vorne herein z.B. als 16-tel notiert würden wie die oberen Töne der linken Hand, die eben nicht breit gedacht sind. Ein adäquater Pedaleinsatz hilft dabei, den Achteln dann die gedachte und notierte Länge zu geben.
 
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So werden die Achtel nur ganz kurz angespielt, eben Staccato, aber von der musikalischen Vorstellung her als Achtel gedacht.

Ich weiß nicht mal, ob man das mit den Achteln so streng sehen muss bzw. ich bezweifle sogar, dass sie eine größere Rolle spielen.

"Staccato" heiß ja einerseits "kürzer, als es der eigentliche Notenwert vorgibt", aber wie kurz genau ist eigentlich nirgends definiert.
Das habe ich auf einem Bläser-Workshop für Schüler mitbekommen, wenn wenn man im Satz Staccato spielt, müssen sich alle einig sein, wie viel kürzer sie unter "kürzer" verstehen.
Die Faustregel, die auch die meisten Notensatz-Programme beim Abspielen von MIDI-Daten nutzen, ist: halbe Länge. Dann wären die "Achtel" eigentlich so zu spielen, dass sie quasi als Sechzehntel klingen und somit eine durchgängige Melodielinie mit den anderen Tönen ergeben, die auch von einem monophonen Instrument gespielt werden könnte.
Andererseits sind ja die Sechzehntel für die linke Hand im oberen System auch mit Staccato-Punkten versehen.


Mehr Spielart als "Längenangabe"

Ich würde von der italienischen Wortbedeutung "staccare" = ablösen, abtrennen ausgehen bzw. "staccato" = abgetrennt, abgestoßen.
Für mich ist das also, egal, ob mit oder ohne Pedal, die Anweisung, sich mit der linken Hand quasi von der Taste "abzustoßen" bzw. abzuspringen - nämlich jeweils hinweg über die rechte Hand.
Dieses "Abspringen", federnd leicht, ist meiner Meinung nach wesentlich, die genaue Tondauer in ihrer Kürze relativ egal.

Diese federnd leichte, "antupfende" Spielweise machen auch den Unterschied aus, den @Lisa2 beschreibt. Und zwar völlig unabhängig vom Pedal.

Viele Grüße
Torsten
 
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Ich weiß nicht mal, ob man das mit den Achteln so streng sehen muss bzw. ich bezweifle sogar, dass sie eine größere Rolle spielen.
...
Andererseits sind ja die Sechzehntel für die linke Hand im oberen System auch mit Staccato-Punkten versehen.
Die 16-tel im oberen System haben ja auch einen anderen Ausdruck, sie sollen sich mehr in die 16-tel-Arpeggien der rechten Hand einreihen, wohl aber abgesetzt und durch das Staccato etwas heraus gehoben und natürlich sehr kurz "abgestoßen".
Auch wenn die Achtel im Bassschlüssel mit einem Staccatopunkt versehen sind, bekommen sie doch durch den Notenwert 8-tel eine andere Bedeutung vom Ausdruck her, man wird sie trotz Staccato einen ´Ticken´ breiter spielen als wenn sie als 16-tel notiert wären, wodurch die Basstöne etwas mehr Gewicht bekommen.
Ich habe sie hier mal als 16-tel notiert um einen Vergleich zu ermöglichen. Für mich suggerieren die 16-tel eine wahrnehmbar kürzere Dauer und ich unterstelle, dass jeder Spieler sie auch kürzer spielen würde als die originalen Achtel.

Burgmüller op. 100,24 hirondelle.jpg
 
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Im Sommer bei Hochdruckwetterlage beobachte ich von meinem Balkon aus gerne die hochfliegenden Schwalben bei ihrer Jagd nach Insekten. Und wenn ich mir ihre akrobatischen Flugkünste ins Gedächtnis rufe, würde ich Burgmüllers l'Hirondelle ohne Pedal und mit deutlichem Staccato in der linken Hand spielen.

Viele Grüße,
McCoy
 
Das sind alles sehr interessante Erläuterungen, danke!
Dann darf ich ja noch hoffen, dass die Schwalbe ohne Pedal nicht zwangsläufig zum Grashüpfer mutiert. :D

Gruß Claus
 
Sehe ich ähnlich wie die Kollegen. Die L.H.-staccato-Achtel ist der gedankliche Plan des Komponisten, einen Ton mit einer gewissen Schwere zu notieren, aber keine ausdrückliche Anweisung für eine Notenlänge.

Auch bei Burgmüllers "Arabesque", dem all-time-favourite, sind ja staccato-Achtel und staccato-Viertel gleichzeitig notiert, z.B. beim Anfang des Motivs in Takt 3, Zählzeit 2 - auch die würde man ja gleich kurz spielen. Auch da bilden die unterschiedlichen Notenwerte das Konzept, aber nicht die genaue Ausführung ab. Das gibt es ebenso bei anderen Komponisten, aber halt auch bei Burgmüller.
Ein Achtel allein macht noch keinen Sommer.
Ich mach jetzt die Schwalbe, eh es schlimmer wird ;).
 
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Weiß jemand, was es in Burgmüller op. 100, 24 L'hirondelle mit den staccato artikulierten Basstönen auf sich hat?
Mir ist bei YT Clips von routinierten Spielern aufgefallen, dass dies überwiegend unbachtet bleibt und das Stück manchmal sogar mit Pedal gespielt wird, u.a. Margret Feils schreibt das in die Etüde.

Abgesehen von Interpretationsmöglichkeiten gibt es vielleicht kennt auch einen "handfesteren" Grund, der Pianisten und Klavierschülern mit Unterrichtserfahrung bekannt ist.
Es könnte schließlich sein (reines Gedankenspiel), dass die Notation solcher Passagen in der Konstruktion damaliger Pianos begründet war oder auf einer Auffassung beruht, die heute nicht mehr üblich ist.

Anhang anzeigen 769262
Quelle: Friedrich Burgmüller, 25 Études faciles et progressives, G.Schirmer, New York; Nachdruck von Schott, Mainz 1852

Gruß Claus


Der entscheidende Grund, die Basstöne unter das Pedal zu stellen, ist vor allem die Harmonik des Stücks, die mit nur kurz erklingenden Basstönen über zu große Zeiträume nicht vollständig wäre. Aber auch die Melodik ist entscheidend, denn zwischen diesen Basstönen und den Soprantönen besteht ein gewisser "Ping-Pong"-Effekt.
Das heißt für die Interpretation, dass die harmoniefüllenden 3 Sechzehntelnoten möglichst stark zurückgenommen werden sollten, während die beiden Außenstimmen durchaus etwas hervorgehoben werden sollten.
 
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