Wirken sich Wechseljahre auf das Akkordeonspielen aus?

Bernnt
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Es fing ganz harmlos mit einem Spaziergang an. Die Person, mit der ich unterwegs war, kennt mich gut. Plötzlich stellte sie mir eine Frage, mit der ich überhaupt nicht rechnete: "Wirken sich Wechseljahre eigentlich auf das Akkordeonspielen aus?" Mir hat das die Sprache verschlagen. Ok, Wechseljahre gibt es. Bei Männern und Frauen. Davon gehe ich mal aus. Gewechselt habe ich in diesen kritischen Jahren auch: Von Taste auf Knopf. Außerdem beschäftige ich mich nun mit M3. Aber spielt man anders? Fühlt man sich anders, wenn man spielt? Setzt man andere Prioritäten? Ich merke bei mir, dass mir der einzelne Ton wichtiger ist als er früher war. Dass er einen schönen Anfang kriegt und ein gestaltetes Ende. Und mir ist wichtig, dass das Instrument und ich frei und fröhlich atmen. Will heißen: Der Balg wird mir wichtiger und wichtiger. Aber ist das etwas, was mit den Wechseljahren kommt?

"Wirken sich Wechseljahre eigentlich auf das Akkordeonspielen aus?" Seltsam. Merkwürdig. Ich hab mir diese Frage so noch nie gestellt. Darum kriegt ihr sie jetzt. Was denkt ihr? Vielleicht habt ihr Lust, darauf zu antworten.
 
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Ich nehme die Frage ins Gitarrenforum mit. ;-)

Ich glaube das man als Musiker wenn man die Sturm und Drangperiode hinter sich hat halt ein wenig abgeklärter agiert.
Das gilt vermutlich für alle Künstler.

Der Erfolg oder der Zuspruch vom Publikum wird bei mir nicht weniger.
Als Strassenmusiker ist man da immer "am Puls" der Gesellschaft und wird jeden Tag gefordert.
 
Ich glaube, dass wir im Alter mit der gesammelten Erfahrung mehr Gelassenheit und Souveränität haben und uns dadurch auch im Verhalten ändern.
Natürlich ändern sich dadurch die Sichtweisen zu bestimmten Themen und Situationen.
Das kann sich auch auf die Musik auswirken. Du willst ja Deine Gefühle ausdrücken, die sich ja ver-ändert haben.
Das Thema hatte ich letztes Jahr mit einem Kunden und da ging es um Kaffee, Whisky und Essen - wir genießen es im Alter mehr.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hab (m., 61 J.) schon hier mehrmals erwähnt, nach einer sehr langen Spielpause muss man wieder ganz neu beginnen. Ist zunächst hart, aber nach so 2-3 Wochen hat man wieder Freude, wenngleich zunächst einmal an Kleinigkeiten. Der Wiedereinstieg in meinem Alter brachte mir zunächst Probleme jede Menge, es lohnt sich aber. :)
 
Total interessant .... bei mir kann ich sagen, daß ich überhaupt jetzt erst gemerkt habe, daß ich unbedingt Akkordeon lernen will. Das hat viel damit zu tun, daß Akkordeon spielen viel direkter ist (für mich) als z.Bsp. Klavier oder Gitarre ... man spürt einfach, daß man selbst die Musik macht, wie man die Töne erzeugt. Das finde ich eine tolle Erfahrung . Vielleicht ist man "durchlässiger" ?
 
Auch ich habe in diesem Zeitraum (mit 50) gewechselt, von Piano zu Knopf. Und ja, ich spiele seither anders. Das liegt m.E. aber nicht an den (körperlichen) Wechseljahren, sondern daran, dass ich auf Knopf immer noch nicht (mangelnder Übezeit und -disziplin geschuldet) die Treffsicherheit erreicht habe, die ich auf Piano hatte. Und so spiele ich bewusster, evtl. auch konzentrierter.
 
Naja, da gibt's schon Wechselwirkungen, die meisten wohl entwicklungspsychologisch - ich weiss jetzt nicht mehr, ob Erikson oder Piaget und hab's auch grad nicht auf die Schnelle im Rindernet gefunden.

Demnach ist ab ca. Mitte 40er-Jahre eine Neuorientierung angesagt: Der Nachwuchs (sofern vorhanden) ist raus, die berufliche Stellung hat meist einen Zenith erreicht, andererseits zeigen sich erste Bräschteli / Zipperlein / Wehwehchen im alternden Körper. Damit stellen sich neue Aufgaben zur Lebensbewältigung, die alten Muster funktionieren meist nicht mehr wirklich (oder sind für alle drum rum nur peinlich, Stichwort balzender "Gentilhomme"), andererseits ist Geist und Wille noch fit, um sich fallen zu lassen (klassische Coach Potatoes sind eine Minderheit in Mitteleuropa und fangen meist jünger an zu "coachpotatoen") oder sich gleich in Richtung Friedhof zu bewegen.
Das Phänomen ist auch zur Genüge abgehandelt in Literatur, Film und Fernsehen, meist klischiert in Form von älteren Herren, eben Gentilhommes, welche sich mit Töff/Ferrari/Jungfreundin neu zu erfinden versuchen. Aber auch die Frauen machen sich in dieser Lebensphase öfters auf zu neuen Ufern. Das lässt sich übrigens auch statistisch in der Scheidungsstatistik beobachten.

Warum also nicht ein neues Instrument lernen? Oder ein bekanntes Instrument in neuer Ausführung wie @chnöpfleri ? Die Idee ist naheliegend und wird oft auch aufgenommen: Was kann ich sinnvollerweise verändern, damit ich zwar das erarbeitete Rucksäckli mitnehmen kann, andererseits aber doch Neues erlebe?
Das erscheint mir jedenfalls sinnvoller, als irgendwelche unrealistische Jungen- und Mädchenträume zu erfüllen versuchen. Ich habe es andernorts schon geschrieben: Als Segelfluglehrer treffe ich ab & an irgendwelche gestandene (Autoritäts-)Personen, welche sich nun ums verrotten noch einen Uraltsehnsuchtstraum erfüllen wollen. Gerade in der (Segel-)Fliegerei endet das dann unter Umständen mit Dramen auf dem Flugplatz, wenn die entsprechende Lernfähigkeit schlicht nicht mehr vorhanden ist, sei es feinmotorisch/wahrnehmungstechnisch oder intellektuell. Meist schreitet der Fluglehrer (im ähnlichen Alter) ein, bevor's kracht, laut wird's aber manchmal trotzdem...

Da erscheint mir Akkordeonspielen doch viel befriedigender. Meine Frau hat grad grosse Freue an Schostakowitschs 2. Walzer, den sie während jungen Jahren viel und zu schönen Stunden gehört hat. Und ich freue mich, dass ich jetzt noch chromatisch lerne, auf diatonisch habe ich den Schosti nie geschafft. :cool:
 
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Ich hab noch mal darüber nachgedacht. Eins glaube ich bei mir jetzt zusätzlich feststellen zu können: Ich glaube, ich nehme die Tempi etwas langsamer...
 
Eventuell ziehen sie auch Wechselbässe an...
 
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Ich habe mit den Wechseljahren angefangen, Akkordeon zu spielen... :engel: gewechselt habe ich seitdem die Instrumente wie die äh Hemden. Auch kann ich keiner Stilrichtung treu bleiben, sondern wechsle ständig quer durch alle Genres. Allerdings entdecke ich gleichzeitig eine viel größere Frustrationstoleranz, als ich sie früher hatte und damit fällt es auch viel leichter, die Zeiten zu überstehen, in den die Fortschritte nicht so flott vorangehen.
 
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Hallo,

um uns den Wechseljahren zu fühlen, müssen wir zuerst eine "Erregung" und "Erblühen" erfahren...:)
In meinem Fall war ich mit dem Akkordeon in meiner Kindheit sehr zufrieden (Ich spiele Akkordeon seit meinem sechsten Lebensjahr). Etwa in meinem siebzehn Jahren kam eine Veränderung (oder "Erregung"?): „monumentalen“ Akkordeon-Transkriptionen (z.B. BWV565) haben mich verzaubert. Anschließend widmete ich dem Orgelspiel mehr Aufmerksamkeit, damit ich nach zwanzig Jahren verstehen würde, wo ich hingehöre - hauptsächlich zu den Akkordeonspielern, denn: Selbst der stärkste Wolf wird jemals nur ein Wolf unter Löwen sein. Also kehrte ich demütig zum Akkordeon zurück. Ich denke, dass genau dieser Moment in meinem Leben das erste Anzeichen für die kommenden Wechseljahre sein könnte. Diesmal im guten Sinne des Wortes als "Reifung". Ich spiele immer noch gerne monumentale Werke, aber ich neige immer mehr dazu, die Werke mit großer innerer Ruhe zu spielen (z.B. J.S. Bach – Air). In diesem Alter (49) ist der menschliche Körper noch stark genug für die Arbeit mit dem Balg, man ist aber bereits vorsichtiger, bzw. ist man schon nicht so flüchtig. Also werden wir sehen, was als nächstes kommt ... :m_akk:


Herzliche Grüße, Vladimir
 
Oder ein bekanntes Instrument in neuer Ausführung wie @chnöpfleri ?
hast du möglicherweise chnöpfleri mit mir verwechselt? Evtl. weil ich (an anderer Stelle) von "Knopfi" rede bzw. schreibe? Denn chnöpfleri hat zwar irgendwann mal (meines Wissens in ihrer Jugend) von Club auf chromatisch gewechselt, ist aber seither ihren Chnöpfen treu geblieben. Ich dagegen habe nach meinem 50. Geburtstag von Piano zu Knopf(i) gewechselt ...
 
Ich hab erst vor ungefair 3 Jahren angefangen und dudel da eher zwanglos aber viel vor mich hin. Jetzt bin ich 60. Ein Akkordeon hatte ich schon irgendwo in der Ecke liegen seit sicher 30 Jahren aber damals fand ich den Zugang nicht oder dachte das geht schwierig und hätte ich keine Zeit das auch noch anzugehen. Außerdem war es auch keine Morino.
Heute sehe ich vieles gelassener und vielleicht in dem Fall auch wieder naiver. Ich habe keine großen Ziele damit und freue mich einfach wenn ich merke daß ich weiter komme. Und wenn es keine Lernerfolge gibt freue ich mich an den Geräuschen oder auch nur an der Schönheit der Instrumente. Natürlich ist das ein bißchen schade daß ich da nicht eher drauf kam aber nur ganz wenig gemessen an dem Spaß und der Freude die ich daran habe.
 
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die Tempi etwas langsamer
die Werke mit großer innerer Ruhe zu spielen
bewusster, evtl. auch konzentrierter
mehr Gelassenheit
Das ist doch mal was. Ich musste gestern in dieser Sache immer wieder an Glenn Gould denken. Dieser Pianist spielte in seiner Jugend teilweise Bach in gefühlt absurd schnellen Tempi. Oder er nahm viele Töne extrem kurz. Irgendwie hatte ich den Eindruck, der wollte in seinen Jugendjahren immer irgendwie anders als andere sein. Ein Beispiel für seine jugendliche Spielweise:



Im Alter sieht die Sache bei ihm anders aus. Die Tempi werden meist langsamer, getragener, bewusster, vergeistigter:



Ich weiß, dass sind völlig unterschiedliche Stücke. Aber man hört meiner Meinung nach das Wesentliche schon. Exzentrisch ist er immer noch, aber irgendwie anders.

Ist es so, dass wir in der Jugend mehr in uns reinmampfen (mehr Steaks, viele Freunde, viele Erfahrungen, mehrere Länder, verschiedene Stücke, möglichst viele Noten) und im Alter mehr den einzelnen Ton genießen? Und eine Frage: Gibt es Aufnahmen von Akkordionisten aus unterschiedlichen Zeiten in Youtube, wo man das auch dort zeigen könnte?:gruebel:
 
Denn chnöpfleri hat zwar irgendwann mal (meines Wissens in ihrer Jugend) von Club auf chromatisch gewechselt, ist aber seither ihren Chnöpfen treu geblieben.
Ja, das stimmt.
Was deutlich abgenommen hat, ist der Wille und auch der Ehrgeiz, mir Virtuosenfutter einzuverleiben, in meiner Jugend hat es mir nichts ausgemacht, jeweils ein halbes Jahr an solchen Stücken zu arbeiten.
Körperlich habe ich die Umstellung beim Spielen eigentlich gar nicht gemerkt. Das einzige war, dass ich mein Instrument gegen ein leichteres und kompakteres ausgewechselt habe.
Beim Singen im Chor bevorzuge ich Stücke mit komplexen Harmonien, die Koloraturjägerei à la Bach habe ich ziemlich satt!
Beim Wandern ist es noch eindeutiger, man wird vorsichtiger und kalkuliert die Risiken mehr und anders ein.
Warum also nicht ein neues Instrument lernen?
Hätte ich gerne gelernt, nur lässt es meine Musikbehausung nicht zu, dort noch einen Kontrabass hineinzustellen.
Ich habe einmal einen ausprobieren dürfen, von der Haltung her fühlt er sich bequem an, und von der Intonation her würde ich es auch schaffen, abgesehen davon bin ich nicht ganz unsportlich.

Leicht OT:
langsamer, getragener,
da kann G.G. mitsummen, was bei der Invention bei dem Tempo, das er anschlägt, einfach nicht geht.
Ende OT
 
Ich glaube, dass wir im Alter mit der gesammelten Erfahrung mehr Gelassenheit und Souveränität haben und uns dadurch auch im Verhalten ändern.

Das halte ich auch für den entscheidenden Punkt. Mit dem Alter hat man mehr Erfahruung und kann damit Dinge anders sehen und anders angehen - durch den ständigen Umgang mit der Materie entwickelt man auch ein besseres Gefühl für die Sache und damit tieferes Verständnis für das , was man macht.

Mitunter sind es auch ganz einfach Sachzwänge, die zu Veränderungen führen. Der Pianist Arthur Rubinstein hat einmal auf die Frage geantwortet, warum er Stücke jetzt langsamer angeht: "... ich kann die schnellen Passagen nicht mehr so schnell spielen wie früher.. und um den Unterschied zu den langsameren Passagen trotzdem deutlich hervorzuheben, lasse ich das ganze Stück insgesamt langsamer angehen..."
 
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Mit dem Alter hat man mehr Erfahruung und kann damit Dinge anders sehen und anders angehen - durch den ständigen Umgang mit der Materie entwickelt man auch ein besseres Gefühl für die Sache und damit tieferes Verständnis für das , was man macht.
Ich spüre, dass Musik machen in dem hier gemeinten Sinn zunehmend an Relevanz verliert.
Insofern nutzt Souveränität im Umgang nicht mehr viel.

Bin jetzt auch frisch Ü 50.
 

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