Was ist denn schon "Kreativität"?
a.) Zum einen vielleicht ein Stück (Text, Melodie, Harmonik, Arrangements und Sound), welches alle Genre-Klischees so gut erfüllt, dass es quasi als Prototyp oder ikonisch für das Genre angesehen wird? Sozusagen die Essenz eines Genres repräsentiert?
So etwas traue ich der KI schon noch zu, bzw. in nächster Zeit, wenn sie noch fehlerfreier die Klischees bedienen kann.
b.) Zum anderen vielleicht ein Stück, welches soweit die Genre-Klischees bedient, dass es vom Publikum dem einen Genre als zugehörig erkannt wird, aber ein oder zwei Besonderheiten aufweist, etwa Elemente eines anderen Genres. Sodass quasi etwas neues entsteht. (Etwa z.B., die frühen Police, die sozusagen New-Wave-Punk-Songs mit Reggae-Rhythmik verbanden.)
Sowas traue ich der KI durchaus auch schon zu, wenn man sie damit "beauftragt".
c.) Oder auch "glückliche Fehler". Wenn man etwa ein Stück im Stile von <dem-und-dem> oder in <diesem-oder-jenem> Genre schreiben will, aber etwa "Fehler" bei der Melodieführung oder den Akkorden macht, was am Ende aber interessant und gut klingt.
Fehler traue ich der KI durchaus auch schon zu. Obgleich KI ja auch dahin trainiert wird, Fehler zu vermeiden, wie der gelehrige und folgsame Kompositions-Schüler.
Und ob KI erkennen kann, ob Fehler, die sie beim "komponieren" gemacht hat, glücklich sind und interessant klingen, oder einfach nur Fehler sind, ist mir auch noch schleierhaft.
Bei diesen Sachen a.) bis c.) klingt es ja durchaus vertraut, und somit zugänglich. Für das Publikum klingt es erstmal wie gewohnt oder wie etwas bekanntes - wie Rock etwa.
Die Neuerungen nach b.) oder c.) wirken idealerweise nicht wie nur "drangepappt", sondern wie geschickt eingebaut, wie eine natürliche Wendung, vielleicht oberflächlich gehört gar nicht auffällig, geben dem ganzen aber eine interessante Wendung oder Pfiff.
d.) Oder etwas ganz neues.
Etwa, statt 12 Halbtönen pro Oktave, derer 13, wobei eine Oktave allerdings nicht die doppelte Tonhöhe, sondern 2/3 Pi (was etwas mehr als das doppelte ist) ist; Ganztöne in Dritteltöne unterteilt, deren Teilung nicht 1/3, sondern 1/e (e=Eulersche Zahl; 1/e ist etwas mehr als 1/3) ist, u.ä.
Standardrhythmus wären dann statt 4/4 "logischerweise" 7/3, wobei die Drittel auch nicht gleichmäßig laufen, sondern abwechselnd 1/e bzw. 1/pi Schläge (also etwas länger oder etwas kürzer als 1/3) dauern.
Komplett neu, maximal kreativ und maximal verwirrend, und völlig unzugänglich. Sowas würde wohl statt nach Musik eher nach Fliegendreck auf Notenpapier klingen, mit verstimmten Instrumenten eiernd gespielt.
Damit so etwas "komplett neues" zugänglich ist und vom Publikum als Musik (statt nur wie zufällige Tintenkleckse auf dem Notenpapier) wahrgenommen wird, müsste es schon gewisse bekannte Elemente aufweisen, um den Hörer quasi "an der Hand zu nehmen" und zu den Neuheiten hin zu führen. (Die Orchesterteile von "Day in the Life" z.B. sind dissonant zwar, führen aber vom Refrain des Stücks in normaler Harmonik über den dissonanten Orchester-Teil hin zu einem normalen Schlussakkord, sind also eingebettet in "normale" Musik mit vertrauten Elementen.)
Ob KI so etwas hin bekommen könnte, ist mir schleierhaft. Ob KI solche Aufträge oder Prompts überhaupt "verstehen" könnte, ist fraglich. Schließlich soll es ja (laut Voraussetzung) etwas ganz neues sein, für das es somit auch keine Trainingsdaten geben kann.
KI traue ich durchaus zu, nach a.) oder b.) "kreativ" zu sein, also aus bekannten Elementen etwas so ähnliches ganz ordentlich nach Kompositionsregeln zusammen zu bauen.
Ich vermute, die allermeisten neuen von Menschen komponierten und produzierten Musiktitel sind heutzutage kreativ nach Kategorien a.) oder b.) - Genre-Klischees möglichst perfekt zu bedienen, oder aus Elementen von 2 Genres ein eigenes Stück zusammen zu bauen. Ich glaube, in diesen Bereichen ist KI auch schon gut fit.
(Ich habe die Dinge in wenige Kategorien eingeteilt und wohl auch vereinfacht dargestellt. Das sind nur so meine Überlegungen und Gedanken zur "Kreativität". Andere mögen andere Meinungen dazu haben.)
Grüße