Bellows Shake Stimmzungenfunktion

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Bellows Shake auf dem Digitalakkordeon ist eine schwierige Angelegenheit. Selbst wenn man auf einem Akustischen dazu in der Lage ist, klingt es auf einem Digitalen einfach dünn bis unbeholfen.
Dazu wird oft die Frage gestellt, ob man die Situation mit den Menü-Einstellungen irgendwie verbessern kann. Ich denke nicht.
Der Grund ist folgender:

Echte Stimmzungen haben eine Trägheit. Nachdem sie einmal in Schwung versetzt wurden, kann man die Balgrichtung wechseln und wieder zurück ... die Zunge wird noch irgendwie in Schwung sein und schnell ansprechen. Abhängig von der Qualität der Stimmzunge und deren Einstellung gibt es kaum einen Klangverlust, die Übergänge sind klanglich schön dicht.

Der Drucksensor im Digitalen ist dagegen überhaupt nicht träge. Jede noch so kleine Bewegung wird unbarmherzig dargestellt. Beim Balgrichtungswechsel fährt der Sensor komplett auf Null und nimmt (theoretisch) alle Werte dazwischen mit. Dabei bewegt man sich effektiv in viel weniger laut klingenden Bereichen, man erreicht nur einen kurzen Peak und geht wieder runter, außerdem trifft man bei erhöhtem Kraftaufwand (verglichen mit dem akustischen) nicht immer die selbe Lautstärke, die Peaks unterscheiden sich jedes mal recht deutlich in der Amplitude und in der Dauer voneinander.

Deshalb kann man eigentlich einstellen was man will - Bellows Curve schwer oder leicht, gerade, gekrümmt, offset usw. Der Kern der Sache wird dabei nicht verändert.
Man müsste die Balgrichtung in irrwitzigem Tempo von -100% auf +100% wechseln, immer genau die gleiche Kraft treffen und trotzdem wird es irgendwie technisch klingen, so dass ich persönlich lieber gleich von vornherein darauf verzichte und stattdessen zu einem Delay oder Chopper greife, also interne Effekte, die zumindest eine gewisse klangliche Ähnlichkeit zum Bellows Shale aufweisen.

Das Akustische wirkt in dieser Angelegenheit also extrem "gutmütig" und das Digitale dagegen ziemlich "bösartig".

Ich glaube auch nicht, dass man mit Samples zum Ziel kommt. Samples sind ja Momentaufnahmen. Es gibt hier aber (wie immer) fließende Übergänge auf dem Weg von "kalter" zu "heißer" Stimmzunge. Einfaches Umschalten wie bei Tonrepetitionen zwischen einem langsam einschwingenden und schnell einschwingenden Sample wäre auch hier nur eine Krücke, denn je nach Tempo und Lautstärke ist auch die Reaktion der Zungen immer etwas anders.
Für ein richtig gutes Ergebnis müsste ein physikalisches Model her, dass eben nach Analyse von 2-3 Shakes schon bei geringer Kraft eine schnelle Ansprache gewährleistet, die nach "Hauchansatz" klingt.

Vielleicht weiß @Balg oder @maxito oder @Ippenstein etwas über das tatsächliche Verhalten der Zungen beim Bellowsshake.

Ich glaube nämlich nicht, dass die Zungen wirklich ausklingen, sondern dass sie durch den angehaltenen Luftstrom beim Richtungswechsel (Ventil) tatsächlich erst einmal zu einem erzwungenen Stillstand kommen, aber immanent noch irgendeine gestoppte Energie in ihnen steckt, die sich bei erneuter Anregung (Ventil) sofort wieder in plötzlicher Schwingung auswirkt, ohne dass der Einschwingvorgang von vorn beginnen muss.

Hier mal noch ein Klangbeispiel Bellows Shake akustisch und digital:

https://soundcloud.com/susan-snow-94/bellows-shake-acoustic-digital


Und hier die Grafik, wie ich den Klang höre/empfinde:
Bellows_Shake_acoustic_digital.jpg
 
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Ich kann Dir das Schwingungsverhalten nicht erklären. Aber ich denke, dass mit ein Problem beim Bellow-Shake ist, dass beim akustischen Akkordeon zwei Sätze Stimmzungen schwingen (je eines für Druck und für Zug), die nicht 100% identisch sind, es gar nicht sein können. Selbst optimal gestimmte und eingestellte Stimmzungen haben Unterschiede. Diese mögen gar nicht hörbar sein, wohl aber spürbar. Und beim digitalen Akkordeon greift eine Taste auf ein und denselben Tonerzeuger zurück -> der Ton ist auf Zug und auf Druck zu 100% identisch. Und deshalb wirkt BS auf digital "steriler".
 
Doch doch, sie sind hörbar... und wie!!!

Wenn das mal der einzige Unterschied wäre...
Mit absolutem Gleichklang in beide Richtungen käme ich gut klar, aber die erwähnten Kahlschläge im Klangfluss lassen es so perforiert und krank klingen...
 
Ich glaube auch nicht, dass man mit Samples zum Ziel kommt. Samples sind ja Momentaufnahmen.

ich glaube auch, das man nur mit Samples nicht zum Ziel kommt da brauchts mehr.

Wenn man auf dem Digitalen Akko ein "echt" klingeden Bellowshake erzeugen will, dann muss man das was während des Bellowshakes physisch abläuft nachmodellieren. Denn das ist viel mehr als nur den Druck aufzunehmen und umzusetzen.

Es sind ja mehrere Effekte, die zusammenwirken.

Zum einen hat die Zunge ja eine mechanische Trägheit und braucht etwas bis sie richtg in Schwung ist und dann schwingt die auch noch etwas nach, wenn man den Luftstrom wegnimmt. Bei ganz tiefen Zungen hört man das richtig gut, wie die noch nachschnurrt, auch wenn die Tonklapppe schon zu ist.
Das kann man bei den tiefen Grundbässen auch gut ausnutzen, weil der Bass dann beim mehrmaligen anspielen kurz hintereinander recht schnell "hochfährt" weil die Zungen ja noch in Schwung sind. Je kleiner die Zunge (und je höher der Ton) desto weniger kann man den Effekt wahrnehmen, weil s so schnell geht. Dafür schwingt die Zunge auch nicht so lange nach.

- Das ist ein Effekt, warum sich die Bellowshakes bei den hohen Tönen nicht so weich anhören, sondern schon hörbar härter kommen.


Das alleine macht aber noch nicht den Effekt aus.


Es wird ja auch Luft bewegt. Und wenn man den Balg stoppt, dann bewegt sich die Luft zunächst aufgrund ihres Schwings erst ncoh etwas in die Richtung in die der Balg sich eben noch bewegt hat. Damit schwingt der Ton noch etwas länger nach und klingt auch länger nach.

Das kann man sehr gut feststellen, wenn man einen Ton durch loslassen der Tonklappe beendet - dann ist der eigentliche Ton sofort weg. Wenn man aber den Balg stoppt und dir Tonklappe offenhält, und sei es weil man den mechanisch ganz zusammengedrückt hat, so dass sich der Balg nicht mehr weiter bewegen kann, dann hört der Ton nicht etwa sofort auf, sondern weil die Luft im Balg noch Schwung hat, bewegt sich die noch etwas weiter und strömt noch einen Moment durch die Stimmzunge. Mit dem Resultat, das die Stimmzunge noch schwingt (und tönt), obwohl keine Balgbewegung mehr da ist.


Und dann kommt noch ein Effekt dazu der gerne mit der Luftbewegung verwechselt wird, aber doch etwas anderes ist - Wenn man ruckartig den Balg bewegt ergibt das einen schnellen Druckansteig - einen Druckimpuls. Und der wird in der eingeschlossenen Luft (und auch außerhalb) übertragen und breitet sich mit Schallgeschwindigkeit aus. Konkret heißt das, dass sich ein Druckimpuls ausbreitet und von einem Molekül zum nächsten weitergeleitet wird, bevor sich die Luft als Ganzes in Bewegung setzt. Und dieser Impuls erzeugt natürlich auf der Stimmzunge auch eine kurzen Druckimpuls. Damit schwingt die natürlich noch nicht richtig an, aber bekommt schon mal einen "ersten kleinen Kick". Und wenn dann die Luft sich kurz drauf auch in diese Richtung bewegen anfängt, geht s auch gleich n bissl schneller los mit dem Ton.

Das interessante daran ist, dass beim schnellen heftigen Balgwechsel der Druckimpuls bereits durch die andere Stimmzunge durch "rauscht" während er eigentliche Luftstrom noch in die andere Richtung durch die Gegenzunge in Bewegung ist.


Und alles zusammen macht dann den eigentümlichen Effekt aus der den Bellowshake so speziell macht.

  • Die nach schwingende Luft hält den Ton noch etwas länger am Leben.
  • während der Balg schon die Richtung wechselt und einen Druckimpuls erzeugt, damit auch schon durch die andere Zunge läuft und hier so was wie eine "Vorzündung einleitet. Damit kann es passieren, dass die Stimmzungen für beide Richtungen einen kurzen Zeitraum gleichzeitig aktiv sind.
  • Das Ganze noch verstärkt durch die Trägheit der Stimmzungen, was die Tontrennung beim Wechsel dann zusätzlich noch etwas unschärfer macht, das macht dann in der Summe diesen speziellen Ton beim Bellowshake aus.


Das Ganze kann man natürlich auch simulieren und rechnerisch digital programmieren. Aber hierzu sind etliche Faktoren aufzunehmen und rechnerisch einzubeziehen:
  • Das Gewicht und die Trägheit der Stimmzungen müsste für jeden einzelnen Ton ermittelt und hinterlegt werden.
  • Der Druck muss gemessen werden (das gibt s ja schon)
  • Das eingeschlossene Luftvolumen müsste für jede Balgstellung berechnet werden
  • Die Anschwingverhalten der Luft müsste dazu errechnet werden, wie sich diese Luftmasse in Bewegung setzt und strömen anfängt
  • Der Druckimpuls müsste je nach Heftigkeit der Bewegung mit ins Kalkül gezogen werden.
  • ... und bestimmt noch ein paar Faktoren und Werte mehr.
Mal schauen, was die zukünftigen Generationen an digitalen Akkordeons hier bringen. Im Moment gehts noch nicht, weil nicht genügend Werte erfasst werden (können)
 
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Jaaaa, danke. So hatte ich mir Deine Antwort gewünscht! Kann ich mir alles gut vorstellen!

Das einzige worauf ich vielleicht größeres Gewicht legen würde, ist die Wirkung des Ventils.

Nehmen wir an, die Zunge schwingt wie verrückt. Der Wechsel kommt, die Zunge läßt etwas nach, sie ist aber von elastischer Luft umgeben. Wenn jetzt das Ventli schliesst, ist sie quasi gefangen, fixiert in der nun steiferen Luft ihrer Kammer, hat aber noch ein "Drehmoment", der wieder aufgenommen wird, wenn die Richtung wieder gewechselt hat, das Ventil wieder offen ist und damit die Luft in elastischem Schwung.

Kann das sein? Das ist eine ganz spezielle Situation, die nicht mit einfachem Klappenschließen bei gleichbleibenden Druck oder mit Balgstop bei geöffneter Klappe vergleichbar ist, weil die Ventile da nicht im Spiel sind.
Irgendwie habe ich mich in diese Idee als Haupteinfluss verliebt.
Wobei all Deine interessamten Punkte noch dazu kommen.

Ich kann nur spekulieren.
Ist das eigentlich Fakt oder Vermutung?

Ich würde so gern an so einem virtuellen Modell basteln...
 
Der Wechsel kommt, die Zunge läßt etwas nach, sie ist aber von elastischer Luft umgeben. Wenn jetzt das Ventli schliesst, ist sie quasi gefangen, fixiert in der nun steiferen Luft ihrer Kammer, hat aber noch ein "Drehmoment", der wieder aufgenommen wird,

Jetzt hab ich grad mal n bissl rumprobiert, um zu hören, was sich tut...

Die Stimmzunge wird ja nicht ganz eingeschlossen, wenn das Ventil sich schließt - die andere Seite ist ja nach wie vor mit der Kanzelle und dem Außenraum oder mit dem Balgvolumen verbunden. Und die Stimmzunge macht den Spalt nicht ganz dicht, sondern hat über die Aufbiegung einen genügend großen Spalt, über den sich die Luft austauschen kann.

Die Idee mit dem Luftpolster, als "Energiespeicher" passt so also nicht ganz, also zumindest nicht im Sinne eines Akkus oder Speicher

Ich glaub wir müssen das von der anderen Seite her andenken.

  • Es ist ja so, wenn die Taste gedrückt bleibt und der Balg stoppt, dann klingt der Ton noch eine ganze Zeit lang nach. Schließt man die Tonklappe, dann ist sofort Schluß mit tönen und man hört höchstens noch die schweren tiefen Stimmzungen nachschnurren.

Versuchsweise hab ich grade den Balg in ganz zugedrückt bei gedrückter Taste und festgestellt, dass die Töne teilweise noch gut eine Sekunde oder länger nachklangen. Je tiefer, desto länger. Die hohen Töne hörten früher auf.

  • Aus dem nehm ich mit, dass der Luftstrom noch eine ganz ordentliche Zeit nachläuft und dass die Trägheit der schwereren Stimmzungen den Effekt noch unterstützt. Die Zunge schwingt also von Haus aus noch etwas nach und der verebbende, aber noch vorhandene Luftstrom reicht zusammen mit dem Schwung der Stimmzunge noch aus, um eine Ton zu erzeugen.

Im Endeffekt ist es aber so, dass durch die "nachlaufende Luft der Druck im inneren etwas weiter absinkt als der Umgebungsdruck - es entsteht (wenn auch nur mimimal) ein Unterdruck. Und wenn nun der Balg beim Bellowshake sofort die Richtung wechselt und aufzieht, dann haben wir den Effekt, dass die eine Zunge per Schwung noch am Nachlaufen ist und durch den entstehenden Unterdruck die Zunge in die andere Richtung sogar noch schneller anfährt als normal, weil eine größere Druckdifferenz vorhanden ist.

Je tiefer der Ton, desto stärker der Effekt und desto stärker laufen die Töne ineinander (weicherer Klang). Je höher der Ton, deto schärfer die Trennung und desto schärfer klingt auch der Bellowshake Ton.

Das Ventil hat hier aus meiner Sicht, gar keinen großen Einfluss auf das Ganze - es macht auf, so lange Luft strömt und macht zu, wenn keine mehr in die gewünschte Richtung strömt. Die Zunge kann aber durch ihren Schwung trotzdem noch nachschwingen. Dadurch dass die Stimmplatte jedoch immer auf einer Seite mit einem großen Volumen verbunden ist kann sich die Luft gut austauschen.

Aus meiner Sicht wird die Luft also nicht steifer oder elastischer, sondern ich würde eher sagen - die Luft hat noch Schwung und läuft nach und zum Schluß hat nur noch die Stimmzunge Schwung und vibriert noch nach, was evtl. bis zum nächsten Bellow-Wechsel reicht.
 
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die Luft hat noch Schwung und läuft nach und zum Schluß hat nur noch die Stimmzunge Schwung und vibriert noch nach, was evtl. bis zum nächsten Bellow-Wechsel reicht.

Das ist sowieso das wichtigste. Da sind wir uns einig. Aber ich finde es sehr erstaunlich, dass bei nur angehaltenem Balg oder bei einer losgelassenen Taste dieses Nachschwingen zu hören ist, bei einem Richtungswechsel aber totale Stille der alten Zunge herrscht. Hör selbst:

 
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