Die Ächtung der Parallelen

  • Ersteller haiiiner
  • Erstellt am
haiiiner
haiiiner
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
26.03.24
Registriert
03.03.08
Beiträge
920
Kekse
1.267
Ort
NRW
Frage an die Satz-Spezialisten: Quint- und Oktavparallelen vermeiden - gilt das im Wortsinn oder auch bei Duodezime und gleichen Tönen im Abstand von 2 oder mehr Oktaven?

Gruuuß
Heiner
 
Eigenschaft
 
Gilt auch bei weiteren Abständen.



Parallelen.png
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Frage an die Satz-Spezialisten: Quint- und Oktavparallelen vermeiden - gilt das im Wortsinn oder auch bei Duodezime und gleichen Tönen im Abstand von 2 oder mehr Oktaven?

Gruuuß
Heiner

Das kommt aber natürlich sehr auf die Stilistik an.
 
Hallo Hainer,

diese Regeln haben zum Zwecke dass in der Polyphonie die einzelnen Stimmen ihre Eigenständigkeit behalten.
Das gilt natürlich auch bei Duodezime und gleichen Tönen im Abstand von 2 oder mehr Oktaven.
Musikuss und Selbender Sing haben das ja schon gesagt.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Hallo Cudo,

ursprünglich ging es mir erstmal "nur" um zwei gut differenzierbare Melodiestimmen, um ein Thema fortzuführen und doch beizubehalten, aber - ich hab's geahnt - natürlich habe ich damit das Fass der Polyphonie entkorkt bzw. die Büchse derselben aufgemacht. Also bin ich dabei mich einzulesen und mir ein paar Fugen vorzunehmen. Dabei stoße ich auf einen Aspekt, den ich mir noch gar nicht klar gemacht hatte - wie zwei Stimmen beschaffen sein müssen, damit man sie vertauschen kann (hoch gegen tief und vice versa), so wie es in den Durchführungen der Fugen vorgesehen ist - faszinierend!
 
Sehe ich das falsch? Quintparallelenvermeidungen gelten doch nicht nur in der Polyphonie. Sondern in der gesamten Musik des 17. bis Mitte/Ende 19. Jhdts.
Oder?

Mal abgesehen davon, dass Komponisten das nie als Regel verfolgt haben, sondern eher als Kompositionstechnik.
In Quinten geführte Stimmen klingen einfach dünner als bei Terzen, Sexten und sogar bei Quarten.

Wer also einen fetten Sound will und nur ein (relativ kleines) Orchester hat vermeidet Quintparallelen.

Es gibt aber genug Beispiele dafür, dass Komponisten dass auch immer wieder trotzdem gemacht haben, wenn die Situation das braucht.

(rein - vermindert - ungehindert, hieß es immer im Studium)
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Es gibt hier ja schon mehrere Threads zu dem Thema. Wenn ich es richtig verstanden habe, vermeidet man Prim-, Oktav- und Quintparallelen genau dann, wenn man die Stimmen einzeln heraushörbar präsentieren möchte - bzw. im Umkehrschluss kann man sie nutzen, um Mehrklänge zu einem Gesamtklang zu verschmelzen.
 
Wobei man das nicht unbedingt als starres Muss auffassen sollte, es gab da je nach Komponist und Stilistik immer gewisse Ausnahmen.

zB. bei Tonverzierungen und Vorausnahmen von Tönen, exemplarisch kann man das zB. sehen bei vielen Bach Chorälen.

Schau mal hier, dort werden einige Beispiele aufgezeigt mit Notenmaterial.

https://lukedahn.wordpress.com/2016/04/15/consecutive-5ths-and-octaves-in-bach-chorales/

https://lukedahn.wordpress.com/2016/05/29/bach-and-consecutive-p5sp8s-part-2-how-he-prevented-them/
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Sehr interessant - soweit ich es verstehe: Was ist gemeint mit den "four basic suspension types (4-3, 9-8, 7-6 and bass 2-3)"?

Insbesondere die "7-6 suspension " wird als häufiges Mittel der Quintparallelvermeidung (oder -maskierung) genannt.
 
Wer also einen fetten Sound will und nur ein (relativ kleines) Orchester hat vermeidet Quintparallelen.

Umgekehrt wird ein Schuh draus:

"Fetter" bzw. kraftvoller Klang durch Oktav- und Quintparallelen. Unisono-Passagen heben in klassischer Musik oft zentrale Stellen (öfters text-bezogen) hervor.

Ein anderer Stil, der auch durch Quintparallelen seine Durchschlagskraft erhält, ist der Rock.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Ein anderer Stil, der auch durch Quintparallelen seine Durchschlagskraft erhält, ist der Rock.

Wenn man den Sound von Flöten und Geigen mit Marshallverstärkten E Gitarren gleichsetzt, hast du recht. ;-)
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Vielleicht sollte man noch daran denken, dass man die beiden Melodien auch zeitversetzt agieren lassen kann.
Also: während die Stimme 1 z.B. ein Achtelbewegung vollführt, hat die Stimme 2 ein halbe Note auf einem Akkordton, dann wird 2 aktiv, während 1 auf einem Ton stehenbleibt.

Sowas ist eigentlich auch schöner, als wenn beide Stimmen gleichzeitig aktiv sind.
Und: es ist auch leichter zu handhaben.
 
Ok, bei den „four basic suspension types (4-3, 9-8, 7-6 and bass 2-3)“ handelt es sich um „die vier grundsätzlichen“ Vorhalt-Typen: Quart-, Non-, Sept- und Sekundvorhalt).*

Luke Dahn demonstriert also, wie Bach mittels Sept-Vorhalten (selten Sekund- und niemals Non-Vorhalten) Quintparallelen vermeidet oder wenigstens - als nachschlagende Parallelen - „maskiert“.

bwv104_6_sus_color.jpg


Zudem zeigt er, wie Bach gezielt gegen das Stimmkreuzungsverbot verstoßen hat und damit Parallelen vermied.

bwv66_6_sus_vc_color.jpg


Schließlich erläutert er noch chordal leaps and anticipation figures into new chords als Vermeidungsstrategien – versteht die hier jemand?


*"
[…] a 4-3 suspension is a case in which a triad appears with a fourth in the place of what should be its third, and the fourth then slides down to where it ought to be. The note forming the fourth is held over from a previous sonority in which it was a legitimate chord member, and then the harmony changes around it, and it seems out of place for a moment until it moves down a step."

https://www.ars-nova.com/Theory Q&A/Q115.html

Eine 4-3 suspension ist ein Quartvorhalt im klassischen Sinne. Bspw. wird die 7 der V7 über den Einsatz der I hinaus gehalten, erscheint dort als 4 und wird erst dann abwärts zur 3 aufgelöst.

Man könnte also übersetzen „4 ersetzt 3“ („und wird dann zur 3 aufgelöst“).
 
Ich habe jetzt noch nicht so ganz verstanden, was du selbst eigentlich komponieren möchtest. Choralsätze und Fugen sind natürlich 2 komplett unterschiedliche Dinge . Fugen zu komponieren ist etwas unglaublich kompliziertes.
Mir haben die Choräle immer schon gereicht.

Willst du denn überhaupt im Stile des 17 oder 18 Jahrhundert schreiben? In späteren Zeiten hat man natürlich auch Quint und sonstige parallelen verwendet.

In heutiger Filmmusik spielt so etwas praktisch keine Rolle mehr.

Vielleicht noch bei Komponisten wie John Williams, wenn Sie einen bestimmten Stil haben wollen. Aber bei Hans Zimmer wirst du sowas sicherlich nicht finden
 
Choralsätze und Fugen sind natürlich 2 komplett unterschiedliche Dinge.

Sie haben gemeinsam*, dass die Stimmen möglichst klar von einander unterscheidbar sein sollen, und ich möchte wissen, wie man das erreicht, ohne gleich in einem historischen Stil schreiben zu wollen.

Fugen kompliziert - ja, aber unglaublich scheint mir übertrieben. Die Stimmen einerseits als doppelten Kontrapunkt hinzuzirkeln und dabei noch musikalisch schön hinzubekommen, okay, das ist bestimmt ganz schön schwierig
. :eek:

Willst du denn überhaupt im Stile des 17 oder 18 Jahrhundert schreiben? In späteren Zeiten hat man natürlich auch Quint und sonstige parallelen verwendet.

Wir haben ja schon erkannt, dass es darauf ankommt, was man erreichen will. Die kleine Nachtmusik präsentiert ihr Thema komplett unisono und geht dann erst in die Polyphonie. Poly- und Homophonie auf engstem Raum als gegensätzliche Gestaltungsmittel.

*Sofern die vierstimmigen Choräle von Bach gemeint sind wie oben bei Luke Dahn.
 
Zuletzt bearbeitet:
. . und ich möchte wissen, wie man das erreicht, ohne gleich in einem historischen Stil schreiben zu wollen.

Fugen kompliziert - ja, aber unglaublich scheint mir übertrieben. Die Stimmen einerseits als doppelten Kontrapunkt hinzuzirkeln und dabei noch musikalisch schön hinzubekommen, okay, das ist bestimmt ganz schön schwierig
. :eek:

Gib Dir mal bitte folgendes Video!

Ein einwandfreier Doppelter Kontrapunkt ist Voraussetzung für das Schreiben von (kunstvollen) Kanons.



und auch



:D
 
Meine Fresse...



Und auf Kanon kommst Du jetzt wegen der Engführung am Ende einer Fuge?

;) Nr. 9 im ersten Video flasht mich immer wieder.

Nein weil du den Doppelten Kontrapunkt erwähnt hast.

Natürlich kann eine Fuge auch kanonische Elemente beinhalten (Engführung / Stretto).

Falls dich das Thema Kanon/ Doppelter KP. weiter interessiert hier ein Buchtipp:

https://www.amazon.de/Technique-Can...1513704979&sr=8-1&keywords=Technique+of+Canon

Das hab ich mir letztens auch zugelegt.
 
Hab's bestellt, falls ich Sonntag nur die Rute bekomme. Obwohl ich erstmal nur die Parallelen vermeiden lernen wollte...:weep:
Hast Du es denn schon durchgearbeitet? :)

Ich hab den doppelten Kontrapunkt zunächst "nur" als Voraussetzung für die Vertauschbarkeit der Stimmen - wie bei der Fuge gefordert - erwähnt, aber für 'n Kanon braucht es mehr als den doppelten Kontrapunkt, oder? (Vorgriff auf die Lektüre :D)
 
Bachs zweite Technik der Parallelenvermeidung nach Luke Dahn:

Bach vermeidet Quintparallelen, indem er zwei aufeinander folgende Quintintervalle durch Stimmenkreuzung auf ein anderes Stimmenpaar verschiebt.

Bspw. bei Quintparallelen zwischen Tenor und Sopran übergibt Bach einen Parallelton vom Tenor an den Alt: statt Quintparallelen erhält er eine verdeckte Parallele zwischen Tenor und Sopran gefolgt von einer verdeckten Parallele zwischen Alt und Sopran.

"Consecutive perfect fifths and octaves are considered objectionable only if they involve the same two voices. A perfect fifth between soprano and alto in one chord followed by a perfect fifth between soprano and tenor in the next is not considered objectionable in any way.

Bach frequently uses this principle in conjunction with voice-crossing to prevent objectionable parallels. This seems like a feeble way of getting around a potentially inevitable instance of parallels, a kind of cheat. Yet, Bach resorts to this technique regularly! In the passage below, another instance of a 7-6 suspension masking parallel fifths is immediately followed by a set of non-objectionable parallel fifths involving three voices. The natural resolution of the tenor’s B3 would most logically be the C#4. Since this would create objectionable parallels with the soprano, Bach simply gives it to the alto and has the tenor melodically descend a diminished fifth to E#3, the most logical resolution of the alto’s F#3. The alto’s octave descent crossing the tenor perhaps helps to delineate the two inner voices, while at the same time attenuating any negative effects of the disjunct melodic leaps."

How Bach Prevented Consecutive Fifths and Octaves
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben