HBCG-45 oder G

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Wie vielleicht nicht allgemein bekannt ist, friste ich mein Leben auf einer kleinen Insel im Nordwestatlantik. Es hat hier kleine Kobolde, Feen, dunkles Bier, jede Menge Musik (Yay!) und auch mal den einen oder anderen Regenschauer. Genau. Von Irland ist die Rede.
Irland ist trotz der herrschenden Depression ein wunderschoenes Land, aber es hat ein paar klitzekleine Nachteile. Cork, die zweitgroesste Stadt hier, hat 120.000 Einwohner. Genau. Das ist die zweitgroesste Stadt. Die drittgroesste, Galway, hat gerade mal 70.000 Einwohner. Nur mal so gesagt, um Euch in die Perspektive zu bringen.

Das hat ein paar - sagen wir mal ... Nachteile.
Unter anderem muss alles, was wir hier nicht selber herstellen mindestens von England, wenn nicht gar vom Kontinent importiert werden und das kostet. Trotz der musikalischen Tradition beteutet das aber auch, dass ein Satz Martin SP hier fuer 10 Teuronen ueber den Tisch geht, D'Addario EXPs kommen auf 20 Teuro... selbst ein simpler JDunlop 0.66 Nylon Pick geht fuer 'nen Teuro ueber die Theke. Nicht wirklich das Paradies.

Was macht man dann? Man kauft beim grossen T auf Vorrat und so hole ich mir ein paarmal im Jahr fuer rund 200 Teuro Material, denn ab 199 Euro ist es versandkostenfrei.

Die letzte Bestellung war dann aber weniger als 200 Euro wert und die Frage war, was man jetzt machen kann, um sich die Versandkosten zu sparen. Warum, so dachte ich, nicht mal eine ganz ganz billige Thomann-Klampfe probieren? Nun, ich hatte mal eine, nein 2 HB503CEQ probiert, aber die Qualitaet dieser Gitarren war unterirdisch. Schlimmer kann eine HBCG-45 auch nicht sein. Und wenn's nix taucht, dann kann man sich das immer noch als Uebungs- und Bastelobjekt zwecks refinishing usw. antun...

Gesagt, getan, bestellt.

Ein paar Tage spaeter kam dann der Karton mit Saiten, Plektren - und der HBCG-45 an.
Ausgepackt, angeschaut...

Der erste Eindruck ist eher ... naja. Sehr utilitaristische Anmutung. Sehr frugal. Das Griffbrett sieht aus, als waere es aus Palettenholz, der Korpus ist aus 100% Sperrholz, die offenen Mechaniken eher ... naja. Aber der Mahagonieindruck des Furniers ist nicht so uebel. Alle Ecken und Kanten - sogar das Griffbrett - sind brauchbar mit (Plastik) Binding eingefasst und abgesehen von einem fehlenden Stopfen auf einer Schraube am Sattel (jepp, der Sattel/Steg ist geschraubt und geklebt) macht das Geraet einen ordentlichen Eindruck. Innendrin sieht es auch ganz ordentlich aus, das Kerfing hat keine Klebereste, die Beleistung ist sauber geschnitten, alles ist einfach gehalten aber nicht uebermaessig billig. Preiswert, wuerde ich sagen. Ok, die Schallochrosette ist aufgeklebte Folie - aber wen stoert's bei dem Preis.

Die Saitenlage allerding ist unterirdisch. Kein Wunder, denn der Hals hat einen einwandfreie Bananenform. Ein Innensechskant liegt bei, warum, also nicht mal am Spannstab drehen...?

Erstaunlicherweise laesst sich der Hals mit dem Spannstab schnell in eine ordentliche Gesamtform bringen und die moegliche Saitenlage ist dann auch mehr als ansprechend. Die Mechaniken schreien nach einem Schraubendreher und spack eingestellt halten sie auch die Stimmung so la-la.

Der Klang der kleinen Gitarre ist allerdings mehr als erfreulich. Die Intonation ist gut, Bundreinheit ist vorhanden und alles in allem macht die HBCG-45 vor allem bei rotzigen Blues-/Folkstuecken Spass. Fingerpicking und differenziertes Spiel ist nicht so ganz der Einsatzfall fuer die kleine Gitte, aber Slide und Akkordspiel meistert sie gut. Der kleine Korpus macht erfreulich viel Druck, mehr als man bei der Kindergitarrengroesse erwarten wuerde. Klanglich ist es eher "boxig" gehalten, aber gerade fuer Blues will man ja nicht wirklich was seidig klingendes. War ich anfaenglich noch eher skeptisch, was die HBCG-45 angeht, so bin ich mittlerweile doch eher beeindruct davon, was man fuer weniger als 50 Euro mittlerweile bekommen kann.

Was soll ich schlussendlich sagen?
Vielleicht, dass ich - als ich vor mehr als 30 Jahren mit der Gitarre angefangen habe - auf vielen schlechteren Instrumenten gelernt habe. Vielleicht, dass man mit den Harley-Benton Gitarren Pech und Glueck haben kann? Vielleicht, dass moderne CNC-gestuetzte Fertigung mit den ueblichen Schwachpunkten wie Verarbeitung, Intonation und Bundreinheit aufraeumen kann? Aber alles in Allem bin ich von der weniger als 50 Euro billigen HBCG-45 angetan. Klar, sie kann klanglich einer Yamaha FG in keinster Weise das Wasser reichen, aber als preiswerte Gitte fuer's Buero, fuer's dahin mitnehmen, wo man sonst eine "gute" Gitte nicht mit hinnehmen wuerde, als schmutzige Bluesgitte ... dafuer ist das Ding echt brauchbar. Als absoluter Anfaenger ohne Geld - wenn man denn eine "gute" HBCG-45 erwischt - koennte ich mir schlechteres vorstellen, um ein bisschen spielen zu lernen.

Ich glaube auch nicht, dass hier das Blut 1000'er kleiner Chinesenbabyfinger an der Gitte klebt, dafuer ist zu viel CNC- und/oder Lasercutting bei der HBCG-45 im Spiel. Handsaegen machen nicht so saubere Schnittkanten. Handgesaegte Griffbretter sind nicht so bund/oktavrein. Da ist 'ne Menge Automatisierung im Spiel. Die billigen Mechaniken koennten den Spass etwas trueben, aber das ist nix, was man nicht nachtraeglich mit wenig Aufwand fixen kann.

Die HBCG-45 ist das Gitarrenaequivalent zu einem Doppelcheeseburger fuer €2 von McD. Ersetzt kein gutes Essen, ist aber durchaus eine Alternative fuer den kleinen Hunger zwischendurch.
 
Eigenschaft
 
Schön geschrieben! Meine Schwester hat ja auch eine und das Ergebnis ist sehr ähnlich: Erstaunlich viel verwendbare Gitarre für kleines Geld. Nicht das Beste, ist klar, aber wirklich durchaus verwendbar.

Und mal so am Rande: So eine Reise nach Irland würde mir wahrscheinlich richtig gut gefallen :D
 
Fliegen. Easyjet nimmt jetzt wieder Gitarren kostenfrei mit.
Bei AerLingus hat man normal auch gute Karten.
Ryanair ist billig genug, der Gitte einen eigenen Sitzplatz zu goennen.
Oder halt die Faehre von Cherbourg oder Roscoff in F oder Fishguard oder Pembroke in UK...
 

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