Dass man anhand der Formanten die phĂ€nomenologischen Register unterteilen kann, hatte ich so bisher noch nicht ĂŒberlegt, interessant!
Ja, das ist inzwischen auch mein absolut favorisiertes "Registermodell", weil es sich viel besser eignet, um bestimmte VorgĂ€nge zu erklĂ€ren, fĂŒr die die Begriffe Modalstimme und Randstimme einfach nicht zutreffend/hilfreich sind.
Dazu gehört z.B. der berĂŒhmte "Modus zum Singen eines vollstimmigen hohen C", den nur Tenöre besitzen. Dabei bedeutet Vollstimme wie gesagt "voll" im Sinne des Klangbilds, nicht im Sinne von Vollstimme als Schwingsungsmodus mit Vocalismuskelbeteiligung.
Die Formanten liegen bei höheren Stimmen nÀmlich wie gesagt etwas höher. Je kleiner der Vokaltrakt, desto höher (bei Frauen z.B. im Schnitt etwa 300 Hz höher als bei MÀnnern). Das ermöglicht Menschen mit kleinerem Vokaltrakt, die 2. Harmonische lÀnger (= auf höheren Grundtönen) innerhalb des 1. Formanten zu halten und so einen als "voll" wahrgenommenen Klang zu erzeugen. Ein Tenor hat die Möglichkeit diesen vollen Klang auf dem hohen C zu erzeugen, d.h. sein Vokaltrakt erlaubt es ihm den 1. Formanten in den Bereich des c''' (1050 Hz) zu schieben.
Ein Bariton kann zwar ein hohes C in der Modalstimme singen (d.h. mit Vokalismuskel-Beteiligung), aber er kann den 1. Formanten nicht ganz so hoch schieben, dass er die 2. Harmonische verstÀrkt. Dadurch wird der SÀngerformant (Twang-Resonanz) sehr stark dominant und die 2. Harmonische relativ schwach. Der Klang wird heller und schneidender als beim Tenor und damit aus klassischer Sicht inkonsistent, denn ein Bariton klingt ja eigentlich dunkler als ein Tenor.
Dieser Umstand sorgt auch dafĂŒr, dass Modal- und Randstimme in den Höhen akustisch extrem schwer zu unterscheiden sind. Die charakteristische (akustische) Eigenschaft der Modalstimme ist nĂ€mlich eine stark ausgeprĂ€gte 2. Harmonische (im Schwingungsbild entstehen 2 gut erkennbare Moden). Diese ist in den Höhen aber durch die fehlende VerstĂ€rkung (1. Formant) und durch die starke Dominanz der Twang-Resonanz kaum noch zu hören (und auch im Schwingungsbild kaum noch zu sehen). Die praktische Konsequenz hieraus ist, dass es im Prinzip unsinnig ist, oberhalb des 3. Passaggios noch in der Modalstimme zu singen, weil es keinen wirklichen klanglichen Unterschied gibt, aber es gleichzeitig anstrengender ist.
SchlieĂlich lĂ€sst sich dadurch auch schön der Unterschied zwischen Schalldruck und Resonanzstrategien beschreiben: Denn die Resonanzstrategien erhöhen in der Regel genau zwei Obertöne, nĂ€mlich den, der im 1. Formanten liegt (idealerweise die 2. Harmonische, in den Tiefen auch die 3. oder 4.) und den, der im SĂ€ngerformanten liegt (i.d.R. ein deutlich höherer Oberton). Der Schalldruck hingegen erhöht auch die Obertöne, die NICHT in diesen beiden Formanten liegen und das wird teilweise subjektiv als LautstĂ€rke empfunden (weil es dem Klangbild des natĂŒrlichen Rufens entspricht), ist aber keine DurchsetzungsfĂ€higkeit/Penetranz im eigentlichen Sinne, denn die entsteht eher aus der selektiven VerstĂ€rkung von Obertönen.
Das fĂŒhrt dann zu dem, was wir eigentlich schon vorher wussten, nĂ€mlich, dass fĂŒr Penetranz/TragfĂ€higkeit vor allem Twang hilfreich ist. Denn zum einen wird hier ein beschrĂ€nktes/selektiertes Frequenzband verstĂ€rkt und zum anderen ist die Frequenz dieses Bandes hoch genug (3000 Hz), dass immer irgendwelche Obertöne da drin liegen. Beim Formanten-Tuning wird zwar auch ein selektiertes Frequenzband verstĂ€rkt, dieses verschiebt sich aber in gewissen Grenzen mit der Tonhöhe und lĂ€sst sich daher nicht so gut "im Mix platzieren". Zudem fĂ€llt dieses verstĂ€rkte Band ab dem Ăbergang in die "reine Kopfstimme" schlicht und einfach weg, weil keine Obertöne mehr darin liegen (natĂŒrlich werden auch Untertöne produziert, aber die sind im Vergleich zu den Obertönen extrem schwach).