Nasen-/Kopfresonanz im Zusammenhang mit Belting

  • Ersteller Strato Incendus
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Ja, im Prinzip schon. V.a. eine stärkere Aktivierung des Vokalismuskels, der einen gewissen Teil der Stimmlippen dann stärker zusammenhält, was auch die Dauer der Schließphasen erhöht.
Ah, danke. OK, dann kann ich das einordnen.

Der Grund, warum Vokale in großer Höhe unverständlich werden ist, dass sich die Formanten gerade NICHT verschieben (jedenfalls nicht stark genug). [...]

OK, Missverständnis. ;) Dass die Formanten, die einen Vokal als solchen erkennbar machen, immer in einem bestimmten Frequenzband liegen müssen, ist klar. Das, was du beschreibst, ist genau was ich meine: wenn der Grundton zu hoch wird, gibt es keinen Oberton mehr in dem für den Vokal charakteristischen Frequenzband und der Formant geht verloren. Und damit der Vokal. Und wenn immer die gleiche Harmonische wie in der Sprechstimmelage verstärkt wird, dann wandert diese eben aus dem Bereich, in dem der Vokal erkennbar wird bzw. das Singen des Vokals ist ohne Anpassung des Gesangsapparates nicht mehr möglich. Das war, was ich oben meinte.

Einen gewissen Spielraum muss es natürlich geben, da ja sonst Vokale nur auf ausnahmslos einer Tonhöhe deutlich artikulierbar wären. Stattdessen muss eben je nach Tonhöhe der passende, im Formantenbereich liegende Oberton verstärkt werden, damit der Vokal als solcher vernehmbar ist. Für unsere Sprechlage können wir das automatisch, in den Höhen müssen wir es lernen. Unter anderem deswegen begünstigen bestimmte Vokale ja eher die Höhe oder eher die Tiefe.

Dass man anhand der Formanten die phänomenologischen Register unterteilen kann, hatte ich so bisher noch nicht überlegt, interessant!
 
Dass man anhand der Formanten die phänomenologischen Register unterteilen kann, hatte ich so bisher noch nicht überlegt, interessant!

Ja, das ist inzwischen auch mein absolut favorisiertes "Registermodell", weil es sich viel besser eignet, um bestimmte Vorgänge zu erklären, für die die Begriffe Modalstimme und Randstimme einfach nicht zutreffend/hilfreich sind.

Dazu gehört z.B. der berühmte "Modus zum Singen eines vollstimmigen hohen C", den nur Tenöre besitzen. Dabei bedeutet Vollstimme wie gesagt "voll" im Sinne des Klangbilds, nicht im Sinne von Vollstimme als Schwingsungsmodus mit Vocalismuskelbeteiligung.

Die Formanten liegen bei höheren Stimmen nämlich wie gesagt etwas höher. Je kleiner der Vokaltrakt, desto höher (bei Frauen z.B. im Schnitt etwa 300 Hz höher als bei Männern). Das ermöglicht Menschen mit kleinerem Vokaltrakt, die 2. Harmonische länger (= auf höheren Grundtönen) innerhalb des 1. Formanten zu halten und so einen als "voll" wahrgenommenen Klang zu erzeugen. Ein Tenor hat die Möglichkeit diesen vollen Klang auf dem hohen C zu erzeugen, d.h. sein Vokaltrakt erlaubt es ihm den 1. Formanten in den Bereich des c''' (1050 Hz) zu schieben.

Ein Bariton kann zwar ein hohes C in der Modalstimme singen (d.h. mit Vokalismuskel-Beteiligung), aber er kann den 1. Formanten nicht ganz so hoch schieben, dass er die 2. Harmonische verstärkt. Dadurch wird der Sängerformant (Twang-Resonanz) sehr stark dominant und die 2. Harmonische relativ schwach. Der Klang wird heller und schneidender als beim Tenor und damit aus klassischer Sicht inkonsistent, denn ein Bariton klingt ja eigentlich dunkler als ein Tenor.

Dieser Umstand sorgt auch dafür, dass Modal- und Randstimme in den Höhen akustisch extrem schwer zu unterscheiden sind. Die charakteristische (akustische) Eigenschaft der Modalstimme ist nämlich eine stark ausgeprägte 2. Harmonische (im Schwingungsbild entstehen 2 gut erkennbare Moden). Diese ist in den Höhen aber durch die fehlende Verstärkung (1. Formant) und durch die starke Dominanz der Twang-Resonanz kaum noch zu hören (und auch im Schwingungsbild kaum noch zu sehen). Die praktische Konsequenz hieraus ist, dass es im Prinzip unsinnig ist, oberhalb des 3. Passaggios noch in der Modalstimme zu singen, weil es keinen wirklichen klanglichen Unterschied gibt, aber es gleichzeitig anstrengender ist.

Schließlich lässt sich dadurch auch schön der Unterschied zwischen Schalldruck und Resonanzstrategien beschreiben: Denn die Resonanzstrategien erhöhen in der Regel genau zwei Obertöne, nämlich den, der im 1. Formanten liegt (idealerweise die 2. Harmonische, in den Tiefen auch die 3. oder 4.) und den, der im Sängerformanten liegt (i.d.R. ein deutlich höherer Oberton). Der Schalldruck hingegen erhöht auch die Obertöne, die NICHT in diesen beiden Formanten liegen und das wird teilweise subjektiv als Lautstärke empfunden (weil es dem Klangbild des natürlichen Rufens entspricht), ist aber keine Durchsetzungsfähigkeit/Penetranz im eigentlichen Sinne, denn die entsteht eher aus der selektiven Verstärkung von Obertönen.

Das führt dann zu dem, was wir eigentlich schon vorher wussten, nämlich, dass für Penetranz/Tragfähigkeit vor allem Twang hilfreich ist. Denn zum einen wird hier ein beschränktes/selektiertes Frequenzband verstärkt und zum anderen ist die Frequenz dieses Bandes hoch genug (3000 Hz), dass immer irgendwelche Obertöne da drin liegen. Beim Formanten-Tuning wird zwar auch ein selektiertes Frequenzband verstärkt, dieses verschiebt sich aber in gewissen Grenzen mit der Tonhöhe und lässt sich daher nicht so gut "im Mix platzieren". Zudem fällt dieses verstärkte Band ab dem Übergang in die "reine Kopfstimme" schlicht und einfach weg, weil keine Obertöne mehr darin liegen (natürlich werden auch Untertöne produziert, aber die sind im Vergleich zu den Obertönen extrem schwach).
 
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Huch, hier ging es ja noch weiter. Hatte ich vollkommen übersehen. :redface:
Ja, das ist inzwischen auch mein absolut favorisiertes "Registermodell", weil es sich viel besser eignet, um bestimmte Vorgänge zu erklären, für die die Begriffe Modalstimme und Randstimme einfach nicht zutreffend/hilfreich sind.
Im Grunde bist du einfach wieder bei den phänomenologischen Registern, nur mit wissenschaftlicherer Nomenklatur. ;) Aber unvollständig ist beides, sowohl die reine Unterscheidung auf Larynxebene als auch die nach den Klangspektren. Das sind ja jeweils nur Teilaspekte, die erst im Kontext miteinander Sinn ergeben.
 
Huch, hier ging es ja noch weiter. Hatte ich vollkommen übersehen. :redface:

Im Grunde bist du einfach wieder bei den phänomenologischen Registern, nur mit wissenschaftlicherer Nomenklatur. ;) Aber unvollständig ist beides, sowohl die reine Unterscheidung auf Larynxebene als auch die nach den Klangspektren. Das sind ja jeweils nur Teilaspekte, die erst im Kontext miteinander Sinn ergeben.

Es sind ja nicht wirklich die "klassischen" phänomenologischen Register, die nur aus "Brust" und "Kopf" (vielleicht noch Mischstimme) bestehen. Zumindest so, wie ich es im Moment verwende, kann man Modal-/Randstimme damit gleichzeitig erschlagen, weil deren Wechsel jeweils immer auch mit einem Resonanzwechsel einhergeht (in dem Lunte-Video scheint der Wechsel ja mit dem Wechsel in die Kopfresonanz zusammenzufallen). Das fußt auf der momentan existierenden Hypothese, dass aufgrund des Abstrahlverhaltens im Ansatzrohr entweder der eine oder der andere Schwingungsmodus stabilisiert wird.

Die Resonanzregister, die ich dem Lunte-Video aus dem anderen Thread ganz klar zuordnen würde (und die du alle als Übergänge gehört hast), unabhängig von Modal-/Randstimme sind:

- nichts tun (= normales Sprechen, mit etwas Twang/Stütze natürlich)
- erster Übergang: Verringern von F1 (Covering-Strategie), wo der Ton "klassisch" dunkler wird -> entspricht ansatzrohrtechnisch einer Erhöhung der hinteren Weite
- zweiter Übergang: Erhöhen von F1 ("Belting"-Strategie) -> entspricht einer Verringerung der hinteren Weite
- Erhöhen von F2 und Erhöhen von F1 (Kopfstimmen-Strategie), dritter Übergang -> entspricht einer Erhöhung der vorderen Weite und weiterhin Verringerung der hinteren Weite (hier wäre dann der Übergang in die Randstimme)

Ich denke das passt auch zu dem, was du in dem Video gehört hast. Aber es kommt halt völlig ohne Vibrationsregister aus. Es gibt natürlich noch ein paar andere Strategien (Pfeifstimme oder Untertonstrategie). Im klassichen Gesang gibt es noch die Besonderheit, dass mit generell größerer hinterer Weite gesungen wird, wodurch die "Belting"-Strategie entfällt. An dieser Stelle singt ein Klassiker mit nahezu ausgeglichener hinterer und vorderer Weite, bis er in die Kopfdominanz wechselt. Daher kommt auch die immer mal wieder aufgestellte Behauptung, dass Klassiker nicht belten würden, was aber nur auf die Resonanzstrategien zutrifft.

An der Stelle kommt dann wieder der berüchtigte "Modus zum Singen des hohen C" ins Spiel. Denn auch in der Klassik wird ab etwa g' (spätestens ais') im "Edge"-Modus (Kopfstimme) gesungen. Dabei ist dann wirklich der alles entscheidende Punkt, dass man den Klang des Edge and den Klang der tieferen Lagen angleicht, und dafür braucht man einen relativ kleinen (tenormäßigen) Vokaltrakt. Bässe und Baritone singen in der Klassik selten bis gar nicht in der Kopfstimme und die klassische "männliche Kopfstimme" bezeichnet meiner Meinung nach eigentlich die Mischstimme.
 

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