5. C. Feilen am vorhandenen Text

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Feilen am geschriebenen Text

Also erst mal: Kompliment!
Ihr habt eine fertige Textfassung und das ist schon mal eine ganze Menge. Schließlich stand ja am Anfang nur eine Idee oder Eingebung und von da aus bis hier ist das schon eine schöne Strecke.


Möglicherweise habt Ihr den Text voller Stolz anderen gezeigt, hier auf dem Board gepostet oder ihn erst mal liegen lassen. Und nun passiert folgendes:

Andere verstehen den Text nicht so wirklich oder sie verstehen ihn, fahren aber gar nicht so darauf ab, wie Ihr das gerne möchtet oder Ihr selbst seid mittlerweile auch nicht mehr so ganz der Meinung, dass das nun der Bringer ist.

Bitter, bitter - aber der Gang von 90% aller Texte, die verfasst wurden.
Was tun?


Darum geht es im folgenden Abschnitt.



Check what´s been done

Feedback von anderen ist das A und O in dieser Angelegenheit. Schließlich wollt Ihr Euer gutes Werk ja der Öffentlichkeit präsentieren - sprich: zusammen mit Musik auf CD bannen und/oder damit auftreten.

Also sollte es doch auch nicht allzu schwer fallen, den Text anderen Leuten zu zeigen und sich ihre Meinung dazu einzuholen. Ein bißchen Scheu ist da durchaus normal - wer zeigt schon Sachen, die einem am Herzen liegen, gerne fremden Leuten?

Dennoch ist es notwendig - ich kenne wirklich niemanden, der in irgendeiner Form schreibt oder kreativ tätig ist - der nicht, bevor er vor ein Publikum tritt, seine Fassung anderen Leuten zur Kritik, Beurteilung oder zum Feedback vorlegt.
Warum ist eigentlich Feedback so wichtig?



Über den Sinn von Feedback

Nun ist es sicher so, dass man zunächst nach einem gewissen zeitlichen Abstand - bei meinen Texten schlafe ich mindestens eine Nacht darüber - sich den eigenen Text noch mal zu Gemüte führen sollte.

Schon da können einem Sachen auffallen. Einige wird man verbessern, bei andern schwankt man einfach noch. Aber diesen Schritt sollte man machen. Schon um sich selbst sicher zu sein, was man anderen so vor die Augen legt. Und auch um sich die Chance zu geben, Dinge, die man beim Schreiben oder beim ersten Lesen übersehen hat, erst mal selbst beheben zu können, bevor man von anderen den Hinweis bekommt, dass dieses und jenes aber nun wirklich nicht geht ...

Schließlich möchte man nicht unbedingt vor anderen als oberflächlich oder schludrig dastehen und andere nicht unbedingt dazu missbrauchen, Fehler aus dem Weg zu räumen, auf die man bei genauerem Lesen auch gestoßen wäre.

Was für Gründe gibt es aber dann, den eigens sorgfältig gelesenen Text noch mal anderen für ein Feedback vorzulegen?

1. You can´t be someone else
Du als Autor oder Autorin weißt einfach mehr über den Hintergrund des Textes als irgend jemand anderer auf der Welt.
Wie kannst Du also feststellen, ob der Text für andere verständlich ist?


Ich meine jetzt nicht die Bandbreite - die durchaus gewollt sein kann - zwischen einem Text, der von A bis Z für jeden Erstklässler verstanden werden kann zu einem Genre-Text, in dem ganz bestimmte Themen, Symbole oder Codes einfach vorausgesetzt werden können oder zu einem Text, der bewusst mehrere Deutungen offen lassen will.

Ich meine - gemessen an dem Grundanspruch - eine bestimmte Zielgruppe mit einer Aussage, Botschaft oder Stimmung zu erreichen, also die grundlegende Frage, ob das, was man mitteilen möchte, auch denen, die man erreichen möchte, verständlich ist.

Das kann man schlichtweg nicht selbst beurteilen. Das können nur andere beurteilen - und zwar möglichst die, die man erreichen möchte.

Ich kenne genug Texte, die hier auf dem Board gepostet wurden, wo im Verlaufe der Diskussion oder der Feedbacks nach und nach Erklärungen nachgeschoben wurden, was dies denn nun heißt und was jenes bedeutet.

Nun - ein Text sollte grundsätzlich aus sich heraus verständlich sein. Wer Handbücher und deren Unhandlichkeit kennt, wendet sich mit Grausen ab - und zu Recht.

Ein Text sollte keine Quälerei sein. Bei allem, was ein Text noch offen lassen soll - und das ist bei guten Texten eine Menge (wer Dylan-Texte kennt, weiß, was gemeint ist) - sollte doch die Intention da sein, dass er auch ohne zweijähriges Studium erschließbar ist.

2. May be you´re wrong
Ich gebe es gerne zu - ich schreibe englische Texte, bin aber kein native speaker. Ich denke durchaus, dass ich einigermaßen sattelfest bin, aber es gibt einfach Sachen, bei denen ich mir - leo online hin oder her - unsicher bin oder bei denen mich ein native speaker sanft aber mit Bestimmtheit auf Dinge hinweist, die so nicht gehen oder die besser ausgedrückt werden können.

Das geht von "Das ist zwar richtig so, sagt man aber nicht" über "es gibt da folgende Redewendung" und "da ist Deine Präposition falsch" bis zu der Nachfrage, was ich denn eigentlich sagen wollte: "Schreib das mal auf Deutsch hin - dann schau ich mal".

Seit ich mehrere Male in England und im englisch-sprachigen Ausland war (by the way: es gibt genügend Sachen, die man zwar in England, aber keinesfalls in den USA oder Australien sagt), bin ich bescheidener geworden und nehme diese Hilfestellungen gerne an.

Was ist denn wohl der Vorteil des Internet - wenn nicht der, dass man eine sehr einfache Möglichkeit hat, mit weit entfernten Personen zu kommunizieren?
Und warum sollte man das dann nicht nutzen?


3. May be it could be said better
Auch das habe ich oft erlebt: ich will einen Gedanken formulieren und tue mich dabei recht schwer, ihn sauber rüber zu bringen.

Jemand anders liest meinen Text und sagt: Warum machst Du´s nicht so und so. Und ich stehe da und kann einfach nur sagen: Danke - wäre ich in hundert Jahren nicht drauf gekommen.

In ähnlicher Weise hängt man oft an ähnlichen Formulierungen oder Satzkonstruktionen. Eigentlich kommen die in den Text nicht deshalb, weil sie genau das treffen, was man sagen will, sondern deshalb, weil sie einem zuerst einfallen.
Schreiben ist zunächst eine recht intuitive Sache und wenn es gut läuft, geht es einem fix von der Hand.


Aber man schöpft eben nur aus seinem eigenen Fundus - deshalb geht es ja so schnell. Und manchmal ist eben das naheliegendste nur deshalb weit entfernt, weil es eben für einen selbst nicht so üblich ist.



Feedback von wem und wie?

Es scheinen also einige Gründe dafür zu sprechen, sich Feedback zu holen.
Wie geht man aber nun damit weiter um?


Zunächst sollte man sich klar darüber sein, wen man erreichen möchte.
Das Feedback aus diesem Kreis ist also das Entscheidende. Hier auf dem Board tummeln sich so viele Leute, dass man damit keine Schwierigkeiten haben sollte. In den meisten Fällen schreibt man auch eigentlich Sachen für Leute, die mehr oder weniger so drauf sind wie man selbst.


Von denen kennt man in der Regel auch einige. Also kann man die durchaus zu Rate ziehen. Man sollte sich allerdings keinen sonderlichen Illusionen hingeben. Die Neigung, sich anderer Leut´s Ergüsse reinzuziehen, ist durchaus begrenzt. Dazu kommt, dass es für viele ungewohnt ist, sich songtexte als Texte anzugucken - meist hat man ja die Musik dazu und achtet erst dann - wenn überhaupt - auf den Text.

Dazu kommt, dass das Feedback meist über ein "Find ich gut", "Macht mich nicht an" oder ein "Erinnert mich an den song von xyz" nicht hinausgehen. Das sollte einen nicht weiter belasten. Aufmerken sollte man hingegen, wenn sich so Kommentare wie "Na ja - geht so" oder "Macht mich nicht an" oder "Verstehe überhaupt nicht, worum´s dabei geht" häufen. Schließlich ist das deren Eindruck - und der zählt.

Vorsicht ist zudem angeraten bei Gefälligkeitskommentaren - das ist im Freundeskreis nicht selten. Und ehrlich gesagt: wer lässt es nicht ab und zu bei einem "Finde ich gut" lieber bewenden als bei einer Kritik, wo man sich vielleicht lästige Nachfragen einhandelt oder danach wieder eine Stunde braucht, damit wieder gute Stimmung herrscht?

Also sollte man tunlichst darauf achten, selbst diese Hemmschwellen aus dem Weg zu räumen bzw. gar nicht erst aufzubauen. Wer zu einem Freund oder einer Freundin geht und ihr oder ihm zuerst mitteilt, dass man ja wohl den Hammer-Text gemacht hat, darf sich nicht wundern, wenn Gefälligkeitskommentare kommen.

Also ist Offenheit die erste Wahl und sollte verbunden werden mit dem tatsächlichen und ausgedrückten Interesse an seiner oder ihrer wirklichen Meinung zu dem Text. Nur wer Offenheit ausstrahlt und meint, wird Offenheit ernten.

Wenn´s um die Sprache geht, kann man durchaus von FreundInnen oder der Zielgruppe Fedback in der Richtung "kommt nicht so", Versteh ich nicht" oder "Was meinst Du denn damit" erwarten.

Damit ist einem aber in der Regel nur bedingt geholfen. Man hat zwar ein Feedback, dass etwas nicht verstanden wird, aber noch keine richtige Peilung, wie man es denn nun besser ausdrücken könnte. Zudem ist das sprachliche Verständnis der Zielgruppe oder der FreundInnen nicht unbedingt besser als das eigene. Wenn man in einer Fremdsprache schreibt, kann man auch nicht unbedingt erwarten, dass deren Kenntnisse die eigenen um ein Deutliches übersteigen.

Hier sind also eher andre Textautoren und native speaker gefragt. Solche finden sich auf diesem Board - aber auch an anderen Orten. Ich selbst war in meiner Zeit in Berlin in einem Literaturzirkel, wo wir uns gegenseitig unsere Texte vorgelesen haben. Zudem hatte ich persönlichen Kontakt zu native speakern - und es gibt mitunter Clubs, wo native speaker oder andere literarisch interessierte Menschen verkehren.

Wenn man Geld oder Kontakte hat, sind auch Übersetzer eine gute Quelle, falls es um fremdsprachige Texte geht.

Schließlich und endlich ist es nicht wirklich verkehrt, mit einigen KollegInnen regen Austausch zu pflegen - hier gilt das Prinzip der gegenseitigen Unterstützung: ich kann nicht erwarten, immer nur Feedback zu bekommen, ohne Feedback zu geben.


When the singer sings

Der Text - wenn er nicht von dem verfaßt wurde, der ihn singt - ist in erster Linie ein literarischer Text. Es kann durchaus sein, dass es Stellen gibt, die sich gut lesen, verständlich sind und sich gut anhören, die aber im Kontext der Musik und dem Gesang nicht wirklich funktionieren.

Hier hilft nur eine stetige und ehrliche Diskussion mit dem Sänger oder der Sängerin. Diese haben oft ein intuitives Gefühl für Wirkung - und dem sollte man sich nicht verschließen.

Manchmal fehlen Silben oder es gibt ein paar Silben zu viel. Manchmal stellt sich einfach beim Singen heraus, dass ein bestimmtes Wort oder eine Wortkombination nicht so hyperoptimal ist.

Da hilft nur das gemeinsame Arbeiten am Text - hier sorgt der Feinschliff dafür, dass wirklich das Beste aus dem Text heraus geholt wird.

Schließlich ist es wie bei einem Instrument - bis ein sound zu Stande kommt, haben viele Elemente und Stationen Einfluss auf die Wirkung genommen. Und der Gesang ist definitiv ein wichtiges Glied in der Kette zu einem songtext, der ins Leben soll und ins Leben will.


Was tun?

Nach all den Feedbacks wird es einem in der Regel leicht fallen, die Stellen zu identifizieren, die - sprachlich oder inhaltlich - nicht funktionieren oder die einfach nicht so supergut zu singen sind.

Man dreht also einfach noch eine Schleife:
Ob Wortwahl, Reim, Synomym oder Metrik - all dies wurde schon besprochen. Wenn der plot/die Handlung unverständlich ist, feilt man daran noch ein bißchen und liest sich gegebenenfalls noch mal das entsprechende Kapitel in unserem Workshop durch.

Gleiches gilt für die Erzählperspektive und den Aufbau - nicht der erste Entwurf und nicht die erste Anordnung der Schilderung ist die beste - es ist zunächst mal die erste.

Davon soll man sich beileibe nicht kirre machen lassen - das ist eine ganz normale Phase im kreativen Prozess. Man kann an jeder Stufe sagen: "Das ist er jetzt - der fertige Text" - und man kann an jeder Stufe sagen: "Das will ich noch genauer haben - da knie ich mich noch mal rein".

All dies bleibt Euch überlassen und ist Eure Entscheidung.

Wie viele Schleifen Ihr dreht, wann Ihr zufrieden seid und wann Ihr überzeugt seid, den Nerv und Euer Publikum zu treffen, das entscheidet Ihr - und Euer Publikum

Und dafür macht Ihr das schließlich.
 
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