Meine Gegenfrage wäre: wieviele Akustikgitarrist*innen spielen denn wirklich auf den hohen Bünden, sprich profitieren wirklich von einem Cutaway?
Noch eine Gegenfrage: Wer von den unzähligen Konzertgitarrist*innen, die sehr oft in hohen Lagen bis zum letzte Bund spielen, einfach weil es ihre normale Konzertliteratur so erfordert (siehe
Concierto de Aranjuez,
Villa-Lobos-Etüden,
Tientos von Henze, Stücke von Dyens, Brouwer, Ginastera etc. etc.), würde das
ohne Cutaway nicht hinbekommen?
Grifftechnisch unbequem (auch mit Cutaway!) wird es hier lediglich bei Doppel- und Mehrfachgriffen in der letzten Lage der tiefsten Saiten, aber die klingen durch die starke Verkürzung und die Saitendicke bereits so obertonarm, dass sie man sie nur verwendet, wenn genau dieser stumpfe Klang erwünscht ist (oder wenn es technisch gar nicht anders geht).
Nb.: Ein Cut auf Konzertgitarren bringt keine relevanten spieltechnischen Vorteile für Leute, die bei Standardmodellen Probleme mit den höchsten Lagen haben! Ganz im Gegenteil ist der Cut für die Führung der Hand durch den Daumen hier sogar eher destabilisierend.
Jede Verkleinerung des Korpus und der Decke verringert akustisch gespielt die Laustärke und verändert den Klang der Gitarre.
Das fällt in die Abteilung urbaner Legenden. Für den Klang ist die Schallverteilung durch die kreisförmige Platte der unteren Acht mit dem Steg als Zentrum entscheidend. Das Schalloch bildet die obere Begrenzung dieser "Schallplatte" und verhindert eine Ausbreitung der beim Gitarrenklang weniger erwünschten, zur Holzfaser
parallel laufenden Schwingungen in den Berteich der "oberen Acht", der zudem durch das verleimte Griffbrett in der Schwingungsfunktion so stark eingeschränkt ist, dass ein Cut hier keine nennenswerten Auswirkungen mehr hat.
Zum Vergleich: Genau umgekehrt zur Gitarre mit planen Decken begrenzen die seitlichen f-Löcher bei Streichinstrumenten (und bei Archtops!) die Schwingungen
quer zur Faser, außerdem sind die Griffbretter im letzten Drittel nicht mit der Decke verleimt, sondern am unteren Ende "frei schwebend", damit die volle Faserlänge der Decke für Parallelschwingungen ausgenutzt wird.
Cuts sind wahrscheinlich in Mode gekommen, um E-Gitarristen beim Spiel auf akustischen Gitarren ein vertrauteres
Look & Feel zu geben. So wie man dereinst den Halsansatz bei Steelstrings vom "klassischen" 12. auf den 14. Bund verlegt hat, um mit den verlängerten Hälsen den Banjospielern entgegenzukommen, die damals eine wichtige Käufergruppe stellten. Also letztlich eine reine Design-Masche, und so überflüssig, wie rosa Gitarren mit Glitzersteinchen.