Ataraxie - Slow Transcending Agony (2005)

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Ataraxie - Slow Transcending Agony
Perfekt in Szene gesetzter Death Doom der alten Schule

Vor Kurzem hatte ich das Vergnügen, die vier Franzosen von Ataraxie im Rahmen eines vierstündigen Abends in Haarlem zusammen mit Wormfood, In Age And Sadness und Officium Triste live zu erleben, und aus gutem Grund habe ich mir gleich nach ihrem Auftritt das Debutalbum "Slow Transcending Agony" am Merchandise-Stand gesichert. Denn wenn man ehrlich ist, hat die relativ junge Band aus Rouen den Headlinern aus Rotterdam mit ihrer überaus intensiven Performance die Show gestohlen. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass die Stücke auch in aufgenommener Fassung auf dem Album ihre Wirkung entfalten können - wenn auch nicht ganz so effektiv wie live, da die Bandmitglieder das vertonte Leid sehr eindrucksvoll und authentisch auf die Bühne transferieren konnten.
Im Grunde genommen hat man so ziemlich alles, was dieses Album zu bieten hat, schon das eine oder andere Mal gehört, denn Ataraxie spielen klassischen Death Doom der alten Schule ohne viele Innovationen und Experimente. Dies machen sie jedoch auf so unverschämt gute, ausgefeilte und mitreißende Art, dass sie den Größen des Genres in nichts nachstehen. Im Gegenteil - für mich haben sie mit "Slow Transcending Agony" das geschafft, was Mourning Beloveth mit ihrem letzten Longplayer "A Murderous Circus" nicht mehr ganz so sehr wie früher gelungen ist: Sie erzeugen mit einfachen Mitteln und ganz ohne Keyboards eine unheimlich düstere Atmosphäre und transportieren Unmengen an negativen Emotionen in ihrer Musik.
Dabei kommen Ataraxie sogar noch gänzlich ohne klaren Gesang aus. Wie im Genre üblich, greift Sänger und Bassist Jonathan vorrangig auf kraftvolle, tiefe Growls zurück. Hin und wieder jedoch scheut er sich auch nicht davor, die Stimme zu einem zermürbenden Kreischen anzuheben. Dies wird sparsam und sehr effektiv eingesetzt und macht die Stücke noch bewegender. Hinzu kommt, dass die Vocals an zwei Stellen auf dem Album in ein geradezu heulendes, gequältes Geschrei ausarten, welches die Verzweiflung zu einem Gipfel gelangen lässt und mir jedes Mal wieder eine eiskalte Gänsehaut über den ganzen Körper jagt. Auf der Bühne waren dies die Momente, wo mir nur noch die Kinnlade heruntergeklappt ist und ich wie gebannt die Musiker angestarrt habe. Eine derartige Stimme lässt die gesamte Suizid-Blackmetal-Fraktion erblassen, und sie steht dem Sound der Band ausgezeichnet!
Ataraxie haben insgesamt zu einem stimmigen Sound gefunden, der sich stets im Rahmen der klar gesteckten Genregrenzen bewegt und dennoch eine eigene Identität besitzt. Düstere, kraftvolle Riffs in tiefer Tonlage gehen regelmäßig in wunderschöne Gitarrenharmonien über, wie man sie von den glorreichen Anathema-Anfängen kennt; die erzeugten Melodien sind dabei jedoch klar als Ataraxie zu erkennen.
Bei dem momentan vorherrschendden Purismus im Doom-Bereich und der Flut an immer extremeren Funeral Doom-Bands ist es erfrischend, dass Ataraxie nicht davor zurückschrecken, sich an alte Tugenden zu erinnern und an mancher Stelle das Tempo doch einmal gehörig anzuziehen. Nicht umsonst nennen sie Morbid Angel als einen ihrer Einflüsse, und spätestens der brachiale Death Metal-Ausbruch am Anfang des letzten Stücks "Another Day Of Despondency" lässt diese Seite der Band deutlich durchscheinen. Und auch dieses Stilelement beherrschen die Franzosen perfekt und es klingt niemals erzwungen oder unpassend. Im Gegenteil, es ist eine erfreuliche Auflockerung des Gesamtsounds. Zumal am Ende des besagten Songs Jonathan zu einem Geschwindigkeitsausbruch noch einmal seine Stimme zu Höchstleistungen bringt und den Abschluss des Albums somit zu einem emotionalen Höhepunkt werden lässt. Ich betone, dass es überaus selten ist, dass ich bei derart schnellen Passagen eine Gänsehaut bekomme!
Auf musikalischer Seite gibt es auf diesem Album also nichts zu bemängeln. Keine Note erscheint überflüssig; die Kompositionen machen einen sehr gut ausgearbeiteten und dynamischen Eindruck und gehen für Genreverhältnisse sogar ungewöhnlich schnell ins Ohr. Melodieverläufe und Übergänge gestalten sich durchweg mitreißend und lassen so zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommen. Auch die Arbeit an den Instrumenten ist mehr als solide. Bass und Schlagzeug halten sich typischerweise eher zurück, unterstützen die Musik jedoch sehr effektiv. Die Gitarren werden im Übrigen auch gelegentlich unverzerrt für kurze ruhige Breaks genutzt, ähnlich wie sie auch auf dem letzten Mourning Beloveth Album verstärkt zum Einsatz kommen.
Einzig an der Qualität der Texte und an der englischen Aussprache des Sängers könnte man Kritik üben. Inhaltlich könnten die Lieder nicht typischer ausfallen - Themen wie Verlust und Todessehnsucht werden auf lyrisch eher wenig anspruchsvolle Weise behandelt, sodass der Verdacht aufkommt, dass die Texte eher Mittel zum Zweck sind. Ich persönlich finde das etwas schade, da die Emotionalität der Musik einen sehr authentischen Eindruck macht.
Doch da es ansonsten vom sechsminütigen, vorankriechenden Intro "Step Into The Gloom" bis zum finalen Ausbruch, sprich von der ersten bis zur letzten Minute nichts zu bemängeln gibt, kann man über dieses kleine Manko guten Gewissens hinwegsehen, wie man es auch schon bei Bands wie Shape Of Despair konnte. Zumal man der Band zugute halten muss, dass sie mit den gelegentlich eingeflochtenen französischen Textpassagen für eine gewisse angenehme Auflockerung sorgt.
Fazit: "Slow Transcending Agony" ist eines der besten Death Doom-Alben, die ich seit längerer Zeit gehört habe, und für jeden Fan des Genres ohne Einschränkung zu empfehlen. Außerdem sollte sich niemand die Gelegenheit entgehen lassen, diese Jungs einmal live zu erleben!
Spielzeit: 51:05 Min.

(Rezension verfasst am 07.03.2006)
 
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