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Auftragsarbeit: Musical - Wie Preis berechnen?

  • Ersteller The Martian
  • Erstellt am
Ich werde dir an dieser Stelle verständlicherweise nicht meine Preise nennen, aber einen Einblick in meine Welt als Composer für TV, Film&Games gewähren.

In meinen Auftragsanfragen steht für mich zunächst immer erst einmal die wesentliche Frage im Raum:
"Deadline mit Hinblick sämtlicher Anforderungen... und ganz wichtig, nicht zu vergessen(!) die inkludierten Korrekturschleifen".
Gerade die Korrekturschleifen werden in Kalkulationen so oft unberücksichtigt gelassen, die eine Deadline noch dramatisch enger werden lassen (können), insbesondere von mitunter mehr und mehr für dich unrentabel werdenden Änderungswünschen seitens des Auftraggebers, bevor z.B. auch nur in Erwägung gezogen werden kann, überhaupt etwaig z.B. finales Mixing&Mastering in Betracht ziehen zu können... und sofern hier auch mitunter verschiedene Mischungen für verschiedene Formate anfallen, z.B. Thema Dolby-Zertifizierungen (wäre jetzt zwar mehr ein Filmgeschichte u.ä.), wer denn dann dafür die Kosten trägt, wenn etwas zurück an den Tisch muss !
(Oft ja der Auftragnehmer).

Zum Kreativprozess:
3 Minuten komponierte Musik pro Tag ?
Sinfonisch ?
Nicht sportlich, sondern regelrecht utopisch- es sei denn, dein "Tag" hat mehr als 24 Stunden oder du bist in allen Belangen erfahrener Routinier und hast jeden Tag "geniale" Einfälle, die zudem noch (bestenfalls) in verschiedenen Variationen angeboten werden können... und darüber hinaus- ganz nebenbei, auch keine auferlegt weiteren Verpflichtungen wie z.B. ein halbwegs intaktes Familienleben mit Kind&Kegel aufrecht zu erhalten und vlt. auch außerberufliche Termine anstehen, die dir mitunter den einen und anderen Tag "klauen" ?
Eine 4 Wochen Deadline mit wirklich allem drum und dran ?
Das ist mehr als nur waghalsig !

Zur Kalkulation:
Natürlich ganz klassisch, deine bestehenden Fixkosten und infolge der Unkosten zeitlich und finanzieller Aufwendungen (z.B. auf Grund fehlenden know how etwaig u.a. korrekte/korrigierte Partituren anfertigen zu lassen (für z.B. Sektionen/Bläserarrangements), Arrangeur beauftragen/Kosten/Bezahlung) im nicht nur dafür anberaumten Zeitfenster , sondern inklusive anteilig etwaiger Folgekosten durch Korrekturschleifen etc. (musst du oder lässt du möglicherweise vlt. auch noch einmal mastern- sofern denn die Frage anteiliger Trägerkosten im Vorfeld geklärt werden müsse), inklusive der Kalkulation des Verlusts/Verzicht entgangener Einnahmen/Erträge durch diverse anderer Arbeiten für den Zeitraum des Projekts.

Unterm Strich kommt zunächst einmal eine Summe "Minus X" heraus, vor die du ganz banal ein Pluszeichen setzt und diese zudem verdoppelst, um hinsichtlich deines Profits erst einmal eine für dich rudimentäre Vorkalkulation zu haben.
Hier gilt es dann zu eruieren, inwieweit diese Summe "Plus" X, auch mit Hinblick auf Vergütungen in Vertragsdetails und (sofern bekannt) etwaiger Konkurrenz angepasst, sowie anderer weiterer Abzüge (z.B. Steuer) noch insoweit optimiert werden kann, um entweder einen gerade noch rentablen Kampfpreis anzubieten oder äußerst lukrativen Job an Land zu ziehen.

Eine einfach pauschale Berechnung á la "ich nehme mal 50 Euro pro Stunde, hört sich doch gut und fair an" wird dir nichts darüber sagen können, ob du damit einen Gewinn oder erhebliches Verlustgeschäft fährst, weil du schlussendlich somit auch nicht weißt, welche anfallenden Kosten überhaupt gedeckelt werden müssten.
Mitunter verdienst du dann hinsichtlich etwaiger Kosten durch Zweite&Dritte, vlt. in der Stunde dann sogar vlt. noch unter Mindestlohn... und mitunter die Frage bleibt, ob dir es die Mühe wert ist für z.B. Unterstützung und Credits/Reputation oder sich die Sache wirklich auch halbwegs finanziell für dich lohnen soll und muss.
 
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Zudem kommt, daß offenbar der Umfang noch gar nicht klar ist. Die Gesamtlänge von 90 Minuten sagt ja noch nichts darüber aus, wie viele Lieder enthalten sind, wie viel reiner Dialog oder stumme Szenen, die allenfalls musikalisch untermalt werden, für die aber Motive aus den Liedern verwendet werden können.
 
"Unkosten" ist ein häufig verwendetes Unwort, das Kosten meint.
 
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was ist denn das?
Unkosten sind "unvorhergesehene" Kosten- wie z.B. Mehrkosten, die neben den normalen Ausgaben für z.B. ein und dieselbe Aufgabe entstehen können.

Beispiel: Noten.
Man mag in seiner DAW etc. ein Notationsprogramm haben von dem man ausging, dass es für eine Bearbeitung/Überarbeitung ausreichen würde (und unter anderen Umständen vlt. auch ausreichen mag) und sich nun aber herausstellt, dass z.B. das Partiturmanagement in der DAW eben keine komplexeren (und etwaig notwendige) Eingriffe ermöglicht und ein anderes, besseres Notensatzprogramm her muss.

Oder z.B. diverse Kompatibilitätsgeschichten, insbesondere wenn man Bereiche auslagernd mit weiteren Personen kooperierend an einem Projekt arbeitet und es plötzlich heißt, man könne Projektdateien aber nicht ohne weiteres verarbeiten und diese wiederum erst kompatibel gemacht werden müssen, was mitunter irgendjemanden Zeit und letztlich Geld kostet.
 
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Ich bin schon Jahrzehnte im Vertrieb tätig und wundere mich immer, dass sich die Auftragnehmer so oft die Butter vom Brot nehmen lassen. Ist man zu unterwürfig, verliert man...

Eine Kalkulation mit 30 Euro pro Stunde, wenn ich es richtig verstanden habe, ist wahrscheinlich nicht realistisch. Du arbeitest kreativ, ok. Da kommen auch längere Pausen dazu, die sich zum Ende aber wahrscheinlich komplett ausgleichen. Deshalb nimm' ruhig eine längere Schaffenszeit (6 Wochen) oder einen höheren Betrag an (50 Euro pro Stunde mindestens).

Teile Deine Kalkulation in die Prozesse auf, die erforderlich für das Ergebnis sind.

Komposition - %
Arrangement - %
Instrumentierung - %
Mixing - %
Mastering - %
Dokumentation - %
Overhead (Rechnungen, Steuerabrechnung usw. schreiben)
+10% des Gesamtpreises als potentiellen Nachlass für die Verhandlung
Steuer, Krankenkassenbeitrag
usw.

Egal, was da heraus kommt, das ist der Preis für die Arbeit, die Du leistest.

Natürlich wird der Auftraggeber versuchen den Preis zu drücken, aber damit kann man umgehen, wenn man zu seiner Arbeit steht.
@RayBeeger Finde ich den richtigen Ansatz! Habe als Hobbymusiker keine Ahnung von Preisen für Komposition, aber da gibt es doch sicher ein Gremium was sich damit beschäftigt, ähnlich wie das für Buchautoren und Fotografen auch existiert. Da habe ich 30 Jahre Erfahrung mit dem Verhandeln in Verlagen von Honoraren und der weiteren Verwertung.
Hauptpunkte wären:
1. Wer ist Dein Vertragspartner, wenn eine öffentliche Bildungseinrichtung, dann ganz schwierig, die haben keine Ahnung von kreativer Arbeit und möchten alles umsonst, außerdem werden sie bei der weiteren Verwertung schnell mal vertragsbrüchig...
2. Du bekommst Dein nach obiger Methode berechnetes Honorar, behälst aber auf jeden Fall alle Rechte daran, wegen GEMA, Zweitverwertung, Aufführung etc. So wäre bei der weitere Nutzung deines Werkes wieder ein Honorar so in der Größenordnung von >10% fällig.
3. Da müßte es doch Musterverträge einer wie auch immer benannten kompositorisch Tätigen Vereinigung geben...

Das wichtigste ist für einen Freiberufler nicht die kreative Arbeit, sondern angemessen dafür bezahlt zu werden. Wenn man es sich leisten kann, sollte man auch zu unrealistischen Projekten von vorn herein NEIN sagen und das auch entsprechend begründen.
MMn. wäre hier schon das außerhalb komponierte, aber noch fehlende Libretto, ein Hinweis auf eine unprofessionelle Arbeitsweise. Das gibt dann auch rechtliche Probleme, weil das Gesamtwerk aufgeführt werden soll, an dem aber mind. zwei unabhängige Komponisten beteiligt sind....
Mit Amateuren zu arbeiten bereitet i.d.R. nix wie Ärger !
Viel Glück AchimK
 
Ich nehme ja, daß das Libretto geschrieben und nicht komponiert wird, aber in der Tat ist für die Einforderung der Tantiemen die Mitarbeit eines weiteren Urhebers problematisch, wenn sie keinen Vertrag untereinander geschlossen haben oder wenigstens das Werk gemeinsam bei der GEMA anmelden.
 
Warum informiert sich der TO nicht einfach bei Leuten, die seit Jahren in der Materie der Schulmusicals drinstecken, und die bei einer höflichen Anfrage sicherlich auch kooperativ sind, z.B. bei Manuel Buch, auf dessen Seite auch frei zugängliches Infomaterial, z.B. zu den Preisen für Aufführungslizenzen erhältlich sind?

Außerdem kommt der genannte Komponist aus dem Schuldienst, er kennt also die Rahmenbedingungen, von denen hier etliche noch gar nicht angesprochen wurden, wie z.B. die notwendige Unterscheidung zwischen Unter-, Mittel- oder Oberstufenmusical, bzw. die grundsätzliche Berücksichtigung des Schultyps.
Da muss man von der Materialbehandlung nämlich differenzieren können, und zwar nicht nur hinsichtlich der musikalischen Komplexität, sondern z.B. auch hinsichtlich der vorauszusetzenden Stimmqualitäten von Kindern (Umfänge!) oder Jugendlichen (vor/nach Stimmbruch), von choreografischen Aspekten, oder Fragen der Inklusion abgesehen.

Apropos Choreografie: Wenn man als Komponist keine choreografische Erfahrung hat, braucht man auch hier unbedingt kompetente Beratung (ein weiterer Kostenfaktor!), denn hier gilt: Nicht alles, was gut klingt, sieht auch gut aus!
Die Anpassung musikalischer Ideen an reale tänzerische Abläufe ist oftmals sehr zeitintensiv, dazu kommt, dass man bei Schulmusicals auch auf Kompatibilität zu "Bewegungslegasthenikern" achten muss. Auch der Aspekt, was bei stimmlich und bewegungstechnisch gleichermaßen untrainierten Schülern in der musicaltypischen Koordination von Gesang und Tanz überhaupt machbar ist, ist keinesfalls trivial.

Zusätzlich gibt es Literatur zum Thema, z.B. einen kostenlosen Leitfaden zur Musicalarbeit der Uni Potsdam, der allerdings mehr die schulische Perspektive berücksichtigt - die ein Schulmusical-Komponist allerding ebenfalls kennen sollte, da in diesem Bereich die pädagogischen Aspekte oftmals wichtiger sind, als die künstlerischen: Schulmusicals sind eben etwas völlig anderes, als Filmmusiken oder Broadway-Produktionen!

Im Klartext: Wenn nur die kompositorische Arbeit kalkuliert wird, ergibt das eine schiefe Rechnung. Bei der Aufgabenstellung eines Schulmusicals ist man ohne schulpädagogisches, stimm- und bewegungsphysiologisches Knowhow auf enge Kooperation mit "Leuten vom Fach" angewiesen, was wiederum Zeit - und somit (zumindest indirekt) Geld kostet.

PS.: Allein der Umstand, dass hier von einer Aufführungsdauer von 90 Minuten (!) ausgegangen wird, wäre für mich Anlass genug, an der schulpraktischen Kompetenz der Auftraggeber zu zweifeln: Ein solches Unternehmen ist von Laien im schulüblichen Rahmen nicht zu stemmen - abgesehen davon, dass eine solche Dauer neben den Akteuren auch ein überwiegend aus Schülern bestehendes Publikum überfordert.
 
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Unkosten sind "unvorhergesehene" Kosten
Sorry, Menschen, die ernsthaft den Begriff "Unkosten" verwenden und dann auch noch versuchen, diese Wortwahl irgendwie zu rechtfertigen, disqualifizieren sich als Kaufmann selber.
 
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Ich danke euch für euer großartiges Feedback! Inzwischen haben sich die Nebel etwas gelüftet und ich habe mehr Informationen zum Projekt erhalten. Es ist zurzeit wohl doch eine No-Budget Geschichte mit der Hoffnung auf Fördergeldern.

Ich werde trozdem mitwirken und erstmal 1-2 Demos entwickeln und daraus eine weitere Verhandlungsbasis bilden.

Ich erinnere mich immer gerne an die Worte von Gareth Coker, den ich mal in Köln treffen konnte auf der Soundtrack Cologne. Er hat auch angefangen kostenlos für Videospiel Mods auf MODDB zu komponieren... und jetzt hat er mit Ori and the Blind Forest einen Ivor Novello Award gewonnen und hat auch mit Ark und Minecraft was mächtiges im Portfolio. Daher sehe ich dem ganzen mal entspannt entgegen. Natürlich wenn der finanzielle Aspekt nicht mehr so gegeben ist, wird das Projekt natürlich nicht die mehr höchste Priorität bekommen.
 
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