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Gast259177
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Hallo,
eines der Themen welche z.B. die Facebook-Comunities rund um das X32 dominiert, ist die Frage, ob das X32 Producer seine Berechtigung hat bzw. überhaupt sinnvoll nutzbar ist. Die Diskussionen werden in einer Intensität geführt, dass mich das dazu bewogen hat, besagte Gruppen zu verlassen, das war einfach zu nervig und ein sehr entscheidender Punkt störte mich am meisten - die wenigstens der Kollegen welche sich da in den Haaren lagen, haben beide Pulte besessen, im besten Falle eins davon und das andere mal bei einem Gig vor der Nase gehabt.
Nun ist das ja aber ein Thema, was durchaus wichtig ist wenn es darum geht, sich für eines der X32 Modelle zu entscheiden. Trotz des niedrigen Preisniveaus trennen kleinste und größte Version (X32 Core und X32 Full) sage und schreibe über 1800€ - mehr als ein X32 Producer überhaupt kosten würde. Hinzukommt der - temporäre - Umstand, dass ein gebrauchtes X32 momentan oft günstiger zu haben ist als ein gebrauchtes X32 Compact, da letzteres neuer am Markt ist. Da lohnt es sich also, genau hinzuschauen und - das vorweg - wie immer natürlich auch selbst auszuprobieren.
Trotzdem mag dem einen oder anderen ein Erfahrungsbericht aus erster Hand nützlich erscheinen. Hier wäre einer
Warnung Vorweg: Dieser Post ist lang und ausführlich. Wer das nicht mag, lasse das Lesen bitte einfach sein.
Zunächst muss ich dazu sagen, dass ich das X32 Producer nicht ohne Grund verkauft habe. Dies lag aber weniger daran, dass ich mit dem Producer nicht zufrieden gewesen wäre - im Gegenteil - , sondern dass sich mein berufliches Umfeld doch schneller geändert hat als ich zunächst angenommen hatte. Als ich das Producer kaufte, suchte ich noch nach einer Möglichkeit, auf der Bühne möglichst platz-effizient möglichst viel DSP Power unterzubringen und das ganze mit Knöpfen und Fadern, so dass man "mal eben" rüberlangen kann. Im Hinterkopf hatte ich da schon den Gedanken, das Pult auch ab und an FOH einzusetzen, im Vordergrund standen aber folgende Punkte:
1) möglichst klein
2) möglichst leicht
3) erweiterbar
4) guter Sound
5) fernsteuerbar
6) "was mit Fadern"
7) nicht zu teuer
Bei meinem damaligen Finanzrahmen und diesen Anforderungen gab es de Fakto nur diese eine Wahl - das X32 Producer - und das wurde es dann auch.
Nun hat sich das was damals nur Hintergedanke war doch sehr schnell zu einem echten Beschäftigungsfeld entwickelt und es gab einen Gig, nach dem die Entscheidung, das X32 Producer zu verkaufen sehr schnell feststand. 24 Kanäle, 8 Monitorwege (6 davon IEMs!), eine entnervte Band weil die Veranstaltungsfirma nur die Hälfte dessen geliefert hatte was bestellt war und eine knappe halbe Stunde für einen Soundcheck mit unbekannter PA von "null" auf spielfertig - das reicht auch bei einem "großen" Pult schon für reichlich Stress.
Nun steht hier seit einer Woche ein großes X32 und ich habe mal wieder eines dieser X32-Aha Erlebnisse derer es schon mehrere gab.
Eines wurde recht schnell klar: Die Darstellung, dass X32, X32 Compact und X32 Producer an sich das gleiche Pult sind und nur bestimmte Bedienelemente fehlen ist zwar technisch zutreffend, faktisch aber unzureichend bis irreführend, denn mit dem X32 lässt sich einfach ganz anders arbeiten und es gehen Dinge (gleichzeitig), die auf den anderen Pulten einfach nicht gehen.
Ein schönes Beispiel ist die Assign-Section. Der Workflow kann aufgrund der Encoder und der Scribble Strips völlig anders gestaltet werden. Beim X32 Producer hatte ich die 8 Assign Knöpfe - wie wohl die meisten - vor allem als (sehr nervig einzustellende) Mutegruppen verwendet, den Rest dann als Direktzugriff für dies und das. Auf dem X32 Compact sieht es ähnlich aus, nur dass es dort die Mutegruppen extra gibt, die 8 Assign Knöpfe also komplett für Direktzugriffe zur Verfügung stehen. Großer Vorteil schon hier: Die Mutegruppen können über die entsprechenden Taster belegt und (im laufenden Betrieb auch ohne Aktivierung derselben) identifiziert werden. Das macht sie deutlich flexibler einsetzbar.
Theoretisch stehen bei diesen Pulten wie beim großen X32 je drei Sätze an Belegungen zur Verfügung. Da das ganze aber wenn dann handschriftlich gekennzeichnet werden muss, hat Behringer wohlweislich keine Hardware-Umschalter verbaut, da würden die wenigsten einen Überblick behalten.
Das X32 nun hat besagte Umschalter (A, B, C) und damit drei schnell erreichbare Funktions-Sätze auf den 8 Assign Buttons plus die 4 Encoder, insgesamt also 24 Knöpfe und 12 Encoder - das ganze mit Scribblestrips beschriftet (auch die Buttonbelegung wird angegeben!) und Farbcodiert.
So eröffnet sich tatsächlich eine völlig neue Bedienebene. Man kann da viele Dinge "mal eben nebenbei" tun, ohne am "Hauptpult" auch nur eine Layertaste gedrückt zu haben. Das ist praktisch wenn man möglichst viele Fader und die DCAs gern "offen" hätte. Dem Kopf (zumindest meinem ) wird es aber auch einfach leichter gemacht, sich zu orientieren, denn beim großen X32 muss - nicht nur aber auch dadurch - einfach weniger "rumgelayert" werden.
Anbei exemplarisch Fotos von den drei Assign-Sätzen, so wie ich sie mir eingerichtet habe:
Satz A ist gewissermaßen mein Show-Set, dort liegt die Effektsektion - das habe ich mir sehnlichst gewünscht. Die 4 Encoder regeln die FX-Mastersends (inkl. dB-Readout!), die Tasten darunter bieten Direktzugriffe auf die jeweiligen Plugins bzw. Tap-Tempo, die untere Reihe Buttons muted den entsprechenden FX-Send. Das schafft zum einen Platz bei den DCAs, bei denen ich mir sonst immer ein oder zwei vom Munde absparen musste um dort zwei FX Send Master unterzubringen (denn ich muss da einfach ständig ran) und macht das Fahren der Show einfach viel relaxter, denn es gibt eine schöne Trennung zwischen Kanalmanagement und Effektsektion, beides offen und im direkten Zugriff.
Auf Satz B findet sich die USB Player Kontrolle für die Pausen - erklärt sich von selbst. Dort lässt sich natürlich auch "mal eben" noch die Aufnahme starten, falls man das vergessen haben sollte...weiß auch nicht wer sowas machen würde aber WENN, dann hat man das da verfügbar Zudem kann man über den rechten Encoder die Pausenmusik zurückfahren und hat den Rest des Pultes aber schon bereit für die Show. Muten kann man natürlich auch.
Satz C ist das Soundcheck-Set wenn man so will, dort finden sich auf den Encodern die Matrix Sends für LR/C/Frontfill/Delayline. Auf den Knöpfen darunter sind die verschiedenen Metering-Pages abgelegt, ganz unten dann der RTA, der Master Terzband EQ (hat man GEQ on Fader aktiviert, springen die Fader direkt in EQ Position, man kann in Sekunden eine Frequenz rausziehen und ist sofort wieder "online") sowie der Knopf für's "Licht ausmachen", also den Safe Shutdown. Dafür gibt's zwar in dem Sinne keinen Direktzugriff, dafür lässt es sich aber direkt zu der entsprechenden Seite springen, was das lästige Blättern im Setupmenü erübrigt, denn wann auch immer ich die Konsole runterfahren will, befindet sich das Menü irgendwo auf (gefühlt) Reiter 78. Dieser Schnellzugriff ist mir auch deshalb wichtig, da man das Pult so in kürzester Zeit havariesicher machen kann, sollten sich z.B. Probleme mit der Stromversorgung ankündigen. Die Konsole läuft bis zum endgültigen Powerdown einfach weiter, es wird aber ein Force Safe erstellt (ohne dieses kann es vorkommen, dass das Pult zuletzt getätigte Einstellungen vergisst) und das USB Laufwerk wird ausgeworfen, so dass eventuell laufende Aufnahmen gesichert werden. Im Panikfall kann man so ("C" - Encoder 12 - Safe Shutdown) in zwei Sekunden das Pult parken und sollte sich das ganze als falscher Alarm rausstellen einfach weitermachen.
Das ganze liest sich vermutlich weniger spektakulär als es sich im Handling dann anfühlt. Ich empfinde es jedenfalls als einen extremen Komfortgewinn und fühle mich an der Konsole doch weitaus souveräner.
Dazu tragen sicherlich auch die 16 eingangsseitigen Fader bei, dazu muss man wenig schreiben, das erklärt sich von selbst. Der Umstand, dass man mit der Hälfte der Layer auskommt, schafft einfach eine deutlich größere Übersichtlichkeit.
Überraschend nützlich sind die Bus-Send-Regler. Was ich erstmal als unnötiges Relikt aus Analogzeiten abgetan habe, entpuppte sich in der Praxis als extrem hilfreich. Vor allem deshalb, da man z.B. einen schnellen Überblick darüber hat, auf welche Effekte der gerade selektierte Kanal XY gesendet wird. Das ist tatsächlich extrem praktisch, denn natürlich gibt es SOF und auch den Sends Tab, je nachdem was man gerade macht, muss man dafür aber aus dem Workflow ausbrechen und das abchecken. So hat man das "mal eben" im Blick:
Im Soundcheckgewusel unter Zeitdruck schafft das doch ganz gut Kapazitäten und je nach Usecase kann es auch einfach sehr angenehm sein, die Monitore über diese Matrix anzufahren. SOF finde ich grundsätzlich klasse um erstmal einen Mix zu erstellen und eine Übersicht zu haben, wo was hingeht. Allerdings muss man da einfach immer gut aufpassen, dass man nicht irgendwas verdreht, was man garnicht wollte, denn es reicht, auch nur einmal zu vergessen den SOF Mode wieder auszuschalten und man hat einen kompletten InEarMix irreparabel zerlegt.
Daher ist es mir sehr recht, dass ich die Bitte "Gesang lauter auf der 4" einfach nebenbei über den entsprechenden Encoder bedienen kann.
Und das zieht sich eben durch das gesamte Pult. Durch die vielen Bedienelemente kann man bestimmte Sachen einfach nach dem Einrichten "wegpacken" und muss da im Normalfall nicht mehr ran, steuert einzelne Parameter eben dann über die Encoder und hat die Fader frei um damit zu mischen.
Dazu gibt es noch ein paar Nettigkeiten wie den "Mono" Button in der Monitoring Section. Das integrierte Talkback (welches das Compact auch hat) ist auch nice to have - wieder ein paar Handgriffe weniger zu tun. Im Gegensatz zum Producer kommt die deutlich längere LED-Kette für LR/C Bus sowie Solo auch sehr gelegen, da geht die Gaineinstellung dann noch etwas leichter von der Hand. Das sind aber beides so Dinge die ich als weniger entscheidend einstufen würde.
Im Alltag dann doch wieder angenehm ist allerdings die deutlich sinnigere Platzierung des EQ-Type-Umschalters. Beim Producer musste ich bis zum Ende immer aufpassen, da EQ ein/aus und Typwahlschalter direkt nebeneinander lagen und daher auf intuitiver Ebene schwer zu erwischen waren.
Das größere Display sowie die Aufteilung der Cursortasten sind ebenfalls sehr angenehm, das findet sich beim Compact ja auch in der Form.
Extrem hilfreich finde ich die Scribblestrips, da muss ich meine bisherige Einschätzung doch ein wenig korrigieren. Ein schlagendes Argument welches mir einfach nicht bekannt war ist in dem Fall, dass dort z.B. im SOF Mode angezeigt wird, was man gerade tut. Wählt man also Bus 1, so erscheint auf allen Kanaldisplays der Vermerk -> Bus 1.
Das schafft Übersicht und erinnert einen auch in stressigen Situationen daran, dass man da momentan keinen FOH Mix vor sich hat. Beim Einrichten "on the fly" ist der "Source-Vermerk" sehr angenehm. Speist sich das Signal eines Kanals aus einer anderen Quelle (z.B. Kanal 13 aus "AES50 A 19"), so wird dies ausdrücklich angezeigt.
Auch extrem praktisch ist das ganze im GEQ on Faders Modus. Zum einen ist dieser so nicht mehr zu übersehen (beim Producer war das brandgefährlich, wählte man da die Effektsection an und hatte zuvor dort im GEQ on Fader Mode gearbeitet, lag der dann natürlich offen, war aber optisch u.U. garnicht als solcher zu erkennen. Ich hatte da mal eine Situation, in der ich in einer Umbaupause mit entsetzen feststellte, dass ich die DCAs garnicht gemutet hatte, also kurz mal die 8 "DCAs" gemutet und der Haus EQ war im Eimer), zum anderen sind die Fader so mit Frequenz- und dB-Angaben versehen.
Ein paar grundsätzliche Aspekte wie z.B. die schiere Größe des Pultes und der damit einhergehenden, eher luftigen Austeilung des User Interface erklären sich von selbst. Gerne belächelt wird ja die Handyablage, aber ich muss sagen dass das extrem praktisch ist. Ablageplatz ist ja fast immer Mangelware am FOH und sei es nur, um ein Schallmessgerät zu platzieren - ich nehm's gern!
So, ich mach hier mal einen Schnitt, die Arbeit ruft Falls es Fragen gibt oder ich was wichtiges vergessen habe meldet euch einfach.
Kurzes Fazit zum Schluss:
Das X32 "Full" hat absolut seine Berechtigung, mehr noch als ich dachte. Mit dem Pult kann man doch ganz anders arbeiten als mit den kleineren Versionen, wobei das Compact naturgemäß irgendwo in der Mitte liegt und durch die Scribblestrips durchaus vollwertig einsetzbar ist. Das Fahren von großen Shows ist eben weniger entspannt als auf dem großen, aber an sich fast vollwertig machbar. Für das Producer gilt das so nicht ohne Einschränkung. Das fängt bei der nicht vorhandenen Szenensteuerung an. Dadurch sind diese zwar zum Recall geeignet, zum Einsatz während des Gigs aber nur sehr bedingt. Über 16 Kanälen und mit exzessivem Bus-Einsatz, vor allem aber unter Stress wird die Konsole zudem doch kritisch unübersichtlich, wodurch sie sich als FOH-Desk für größere Gigs nicht empfiehlt - zumindest nicht für mich. Machbar ist natürlich vieles und dass es "zur Not mal geht" finde ich klasse, aber ich denke wer vorhat sowas öfter zu machen, sollte mindestens das Compact wählen.
Ist das Producer nun obsolet? Ich finde definitiv nicht, denn es bietet dann eben doch eine extreme Funktionsdichte auf minimalem Raum. Dadurch ist es ein Pult, was man auch mal auf Verdacht einpacken und eben auch leicht alleine bugsieren kann. Seinen Platz findet es zudem in kleinen Setups (dass man nur 8 Kanäle und zwei Monitore benötigt bedeutet ja nicht, dass man nicht etwa dennoch die Anlage vernünftig auf den Raum einstellen möchte und z.B. mit diversen, qualitativ hochwertigen Hallräumen arbeiten möchte) sowie in entspannten und/oder immer wiederkehrenden Settings und natürlich im Projektstudio oder bei Livemitschnitten, denn diese klingen extrem (!) gut, ich kann gern mal was posten bei Gelegenheit.
Ist das Pult und die Show erstmal eingerichtet und alles beschriftet und vor allem "in den Fingern", lässt sich erstaunlich gut auf der "Kleinen" arbeiten. Wenn ich das Geld gehabt hätte, hätte ich sie für kleinere Gigs und als Backup definitiv behalten!
eines der Themen welche z.B. die Facebook-Comunities rund um das X32 dominiert, ist die Frage, ob das X32 Producer seine Berechtigung hat bzw. überhaupt sinnvoll nutzbar ist. Die Diskussionen werden in einer Intensität geführt, dass mich das dazu bewogen hat, besagte Gruppen zu verlassen, das war einfach zu nervig und ein sehr entscheidender Punkt störte mich am meisten - die wenigstens der Kollegen welche sich da in den Haaren lagen, haben beide Pulte besessen, im besten Falle eins davon und das andere mal bei einem Gig vor der Nase gehabt.
Nun ist das ja aber ein Thema, was durchaus wichtig ist wenn es darum geht, sich für eines der X32 Modelle zu entscheiden. Trotz des niedrigen Preisniveaus trennen kleinste und größte Version (X32 Core und X32 Full) sage und schreibe über 1800€ - mehr als ein X32 Producer überhaupt kosten würde. Hinzukommt der - temporäre - Umstand, dass ein gebrauchtes X32 momentan oft günstiger zu haben ist als ein gebrauchtes X32 Compact, da letzteres neuer am Markt ist. Da lohnt es sich also, genau hinzuschauen und - das vorweg - wie immer natürlich auch selbst auszuprobieren.
Trotzdem mag dem einen oder anderen ein Erfahrungsbericht aus erster Hand nützlich erscheinen. Hier wäre einer
Warnung Vorweg: Dieser Post ist lang und ausführlich. Wer das nicht mag, lasse das Lesen bitte einfach sein.
Zunächst muss ich dazu sagen, dass ich das X32 Producer nicht ohne Grund verkauft habe. Dies lag aber weniger daran, dass ich mit dem Producer nicht zufrieden gewesen wäre - im Gegenteil - , sondern dass sich mein berufliches Umfeld doch schneller geändert hat als ich zunächst angenommen hatte. Als ich das Producer kaufte, suchte ich noch nach einer Möglichkeit, auf der Bühne möglichst platz-effizient möglichst viel DSP Power unterzubringen und das ganze mit Knöpfen und Fadern, so dass man "mal eben" rüberlangen kann. Im Hinterkopf hatte ich da schon den Gedanken, das Pult auch ab und an FOH einzusetzen, im Vordergrund standen aber folgende Punkte:
1) möglichst klein
2) möglichst leicht
3) erweiterbar
4) guter Sound
5) fernsteuerbar
6) "was mit Fadern"
7) nicht zu teuer
Bei meinem damaligen Finanzrahmen und diesen Anforderungen gab es de Fakto nur diese eine Wahl - das X32 Producer - und das wurde es dann auch.
Nun hat sich das was damals nur Hintergedanke war doch sehr schnell zu einem echten Beschäftigungsfeld entwickelt und es gab einen Gig, nach dem die Entscheidung, das X32 Producer zu verkaufen sehr schnell feststand. 24 Kanäle, 8 Monitorwege (6 davon IEMs!), eine entnervte Band weil die Veranstaltungsfirma nur die Hälfte dessen geliefert hatte was bestellt war und eine knappe halbe Stunde für einen Soundcheck mit unbekannter PA von "null" auf spielfertig - das reicht auch bei einem "großen" Pult schon für reichlich Stress.
Nun steht hier seit einer Woche ein großes X32 und ich habe mal wieder eines dieser X32-Aha Erlebnisse derer es schon mehrere gab.
Eines wurde recht schnell klar: Die Darstellung, dass X32, X32 Compact und X32 Producer an sich das gleiche Pult sind und nur bestimmte Bedienelemente fehlen ist zwar technisch zutreffend, faktisch aber unzureichend bis irreführend, denn mit dem X32 lässt sich einfach ganz anders arbeiten und es gehen Dinge (gleichzeitig), die auf den anderen Pulten einfach nicht gehen.
Ein schönes Beispiel ist die Assign-Section. Der Workflow kann aufgrund der Encoder und der Scribble Strips völlig anders gestaltet werden. Beim X32 Producer hatte ich die 8 Assign Knöpfe - wie wohl die meisten - vor allem als (sehr nervig einzustellende) Mutegruppen verwendet, den Rest dann als Direktzugriff für dies und das. Auf dem X32 Compact sieht es ähnlich aus, nur dass es dort die Mutegruppen extra gibt, die 8 Assign Knöpfe also komplett für Direktzugriffe zur Verfügung stehen. Großer Vorteil schon hier: Die Mutegruppen können über die entsprechenden Taster belegt und (im laufenden Betrieb auch ohne Aktivierung derselben) identifiziert werden. Das macht sie deutlich flexibler einsetzbar.
Theoretisch stehen bei diesen Pulten wie beim großen X32 je drei Sätze an Belegungen zur Verfügung. Da das ganze aber wenn dann handschriftlich gekennzeichnet werden muss, hat Behringer wohlweislich keine Hardware-Umschalter verbaut, da würden die wenigsten einen Überblick behalten.
Das X32 nun hat besagte Umschalter (A, B, C) und damit drei schnell erreichbare Funktions-Sätze auf den 8 Assign Buttons plus die 4 Encoder, insgesamt also 24 Knöpfe und 12 Encoder - das ganze mit Scribblestrips beschriftet (auch die Buttonbelegung wird angegeben!) und Farbcodiert.
So eröffnet sich tatsächlich eine völlig neue Bedienebene. Man kann da viele Dinge "mal eben nebenbei" tun, ohne am "Hauptpult" auch nur eine Layertaste gedrückt zu haben. Das ist praktisch wenn man möglichst viele Fader und die DCAs gern "offen" hätte. Dem Kopf (zumindest meinem ) wird es aber auch einfach leichter gemacht, sich zu orientieren, denn beim großen X32 muss - nicht nur aber auch dadurch - einfach weniger "rumgelayert" werden.
Anbei exemplarisch Fotos von den drei Assign-Sätzen, so wie ich sie mir eingerichtet habe:
Satz A ist gewissermaßen mein Show-Set, dort liegt die Effektsektion - das habe ich mir sehnlichst gewünscht. Die 4 Encoder regeln die FX-Mastersends (inkl. dB-Readout!), die Tasten darunter bieten Direktzugriffe auf die jeweiligen Plugins bzw. Tap-Tempo, die untere Reihe Buttons muted den entsprechenden FX-Send. Das schafft zum einen Platz bei den DCAs, bei denen ich mir sonst immer ein oder zwei vom Munde absparen musste um dort zwei FX Send Master unterzubringen (denn ich muss da einfach ständig ran) und macht das Fahren der Show einfach viel relaxter, denn es gibt eine schöne Trennung zwischen Kanalmanagement und Effektsektion, beides offen und im direkten Zugriff.
Auf Satz B findet sich die USB Player Kontrolle für die Pausen - erklärt sich von selbst. Dort lässt sich natürlich auch "mal eben" noch die Aufnahme starten, falls man das vergessen haben sollte...weiß auch nicht wer sowas machen würde aber WENN, dann hat man das da verfügbar Zudem kann man über den rechten Encoder die Pausenmusik zurückfahren und hat den Rest des Pultes aber schon bereit für die Show. Muten kann man natürlich auch.
Satz C ist das Soundcheck-Set wenn man so will, dort finden sich auf den Encodern die Matrix Sends für LR/C/Frontfill/Delayline. Auf den Knöpfen darunter sind die verschiedenen Metering-Pages abgelegt, ganz unten dann der RTA, der Master Terzband EQ (hat man GEQ on Fader aktiviert, springen die Fader direkt in EQ Position, man kann in Sekunden eine Frequenz rausziehen und ist sofort wieder "online") sowie der Knopf für's "Licht ausmachen", also den Safe Shutdown. Dafür gibt's zwar in dem Sinne keinen Direktzugriff, dafür lässt es sich aber direkt zu der entsprechenden Seite springen, was das lästige Blättern im Setupmenü erübrigt, denn wann auch immer ich die Konsole runterfahren will, befindet sich das Menü irgendwo auf (gefühlt) Reiter 78. Dieser Schnellzugriff ist mir auch deshalb wichtig, da man das Pult so in kürzester Zeit havariesicher machen kann, sollten sich z.B. Probleme mit der Stromversorgung ankündigen. Die Konsole läuft bis zum endgültigen Powerdown einfach weiter, es wird aber ein Force Safe erstellt (ohne dieses kann es vorkommen, dass das Pult zuletzt getätigte Einstellungen vergisst) und das USB Laufwerk wird ausgeworfen, so dass eventuell laufende Aufnahmen gesichert werden. Im Panikfall kann man so ("C" - Encoder 12 - Safe Shutdown) in zwei Sekunden das Pult parken und sollte sich das ganze als falscher Alarm rausstellen einfach weitermachen.
Das ganze liest sich vermutlich weniger spektakulär als es sich im Handling dann anfühlt. Ich empfinde es jedenfalls als einen extremen Komfortgewinn und fühle mich an der Konsole doch weitaus souveräner.
Dazu tragen sicherlich auch die 16 eingangsseitigen Fader bei, dazu muss man wenig schreiben, das erklärt sich von selbst. Der Umstand, dass man mit der Hälfte der Layer auskommt, schafft einfach eine deutlich größere Übersichtlichkeit.
Überraschend nützlich sind die Bus-Send-Regler. Was ich erstmal als unnötiges Relikt aus Analogzeiten abgetan habe, entpuppte sich in der Praxis als extrem hilfreich. Vor allem deshalb, da man z.B. einen schnellen Überblick darüber hat, auf welche Effekte der gerade selektierte Kanal XY gesendet wird. Das ist tatsächlich extrem praktisch, denn natürlich gibt es SOF und auch den Sends Tab, je nachdem was man gerade macht, muss man dafür aber aus dem Workflow ausbrechen und das abchecken. So hat man das "mal eben" im Blick:
Im Soundcheckgewusel unter Zeitdruck schafft das doch ganz gut Kapazitäten und je nach Usecase kann es auch einfach sehr angenehm sein, die Monitore über diese Matrix anzufahren. SOF finde ich grundsätzlich klasse um erstmal einen Mix zu erstellen und eine Übersicht zu haben, wo was hingeht. Allerdings muss man da einfach immer gut aufpassen, dass man nicht irgendwas verdreht, was man garnicht wollte, denn es reicht, auch nur einmal zu vergessen den SOF Mode wieder auszuschalten und man hat einen kompletten InEarMix irreparabel zerlegt.
Daher ist es mir sehr recht, dass ich die Bitte "Gesang lauter auf der 4" einfach nebenbei über den entsprechenden Encoder bedienen kann.
Und das zieht sich eben durch das gesamte Pult. Durch die vielen Bedienelemente kann man bestimmte Sachen einfach nach dem Einrichten "wegpacken" und muss da im Normalfall nicht mehr ran, steuert einzelne Parameter eben dann über die Encoder und hat die Fader frei um damit zu mischen.
Dazu gibt es noch ein paar Nettigkeiten wie den "Mono" Button in der Monitoring Section. Das integrierte Talkback (welches das Compact auch hat) ist auch nice to have - wieder ein paar Handgriffe weniger zu tun. Im Gegensatz zum Producer kommt die deutlich längere LED-Kette für LR/C Bus sowie Solo auch sehr gelegen, da geht die Gaineinstellung dann noch etwas leichter von der Hand. Das sind aber beides so Dinge die ich als weniger entscheidend einstufen würde.
Im Alltag dann doch wieder angenehm ist allerdings die deutlich sinnigere Platzierung des EQ-Type-Umschalters. Beim Producer musste ich bis zum Ende immer aufpassen, da EQ ein/aus und Typwahlschalter direkt nebeneinander lagen und daher auf intuitiver Ebene schwer zu erwischen waren.
Das größere Display sowie die Aufteilung der Cursortasten sind ebenfalls sehr angenehm, das findet sich beim Compact ja auch in der Form.
Extrem hilfreich finde ich die Scribblestrips, da muss ich meine bisherige Einschätzung doch ein wenig korrigieren. Ein schlagendes Argument welches mir einfach nicht bekannt war ist in dem Fall, dass dort z.B. im SOF Mode angezeigt wird, was man gerade tut. Wählt man also Bus 1, so erscheint auf allen Kanaldisplays der Vermerk -> Bus 1.
Das schafft Übersicht und erinnert einen auch in stressigen Situationen daran, dass man da momentan keinen FOH Mix vor sich hat. Beim Einrichten "on the fly" ist der "Source-Vermerk" sehr angenehm. Speist sich das Signal eines Kanals aus einer anderen Quelle (z.B. Kanal 13 aus "AES50 A 19"), so wird dies ausdrücklich angezeigt.
Auch extrem praktisch ist das ganze im GEQ on Faders Modus. Zum einen ist dieser so nicht mehr zu übersehen (beim Producer war das brandgefährlich, wählte man da die Effektsection an und hatte zuvor dort im GEQ on Fader Mode gearbeitet, lag der dann natürlich offen, war aber optisch u.U. garnicht als solcher zu erkennen. Ich hatte da mal eine Situation, in der ich in einer Umbaupause mit entsetzen feststellte, dass ich die DCAs garnicht gemutet hatte, also kurz mal die 8 "DCAs" gemutet und der Haus EQ war im Eimer), zum anderen sind die Fader so mit Frequenz- und dB-Angaben versehen.
Ein paar grundsätzliche Aspekte wie z.B. die schiere Größe des Pultes und der damit einhergehenden, eher luftigen Austeilung des User Interface erklären sich von selbst. Gerne belächelt wird ja die Handyablage, aber ich muss sagen dass das extrem praktisch ist. Ablageplatz ist ja fast immer Mangelware am FOH und sei es nur, um ein Schallmessgerät zu platzieren - ich nehm's gern!
So, ich mach hier mal einen Schnitt, die Arbeit ruft Falls es Fragen gibt oder ich was wichtiges vergessen habe meldet euch einfach.
Kurzes Fazit zum Schluss:
Das X32 "Full" hat absolut seine Berechtigung, mehr noch als ich dachte. Mit dem Pult kann man doch ganz anders arbeiten als mit den kleineren Versionen, wobei das Compact naturgemäß irgendwo in der Mitte liegt und durch die Scribblestrips durchaus vollwertig einsetzbar ist. Das Fahren von großen Shows ist eben weniger entspannt als auf dem großen, aber an sich fast vollwertig machbar. Für das Producer gilt das so nicht ohne Einschränkung. Das fängt bei der nicht vorhandenen Szenensteuerung an. Dadurch sind diese zwar zum Recall geeignet, zum Einsatz während des Gigs aber nur sehr bedingt. Über 16 Kanälen und mit exzessivem Bus-Einsatz, vor allem aber unter Stress wird die Konsole zudem doch kritisch unübersichtlich, wodurch sie sich als FOH-Desk für größere Gigs nicht empfiehlt - zumindest nicht für mich. Machbar ist natürlich vieles und dass es "zur Not mal geht" finde ich klasse, aber ich denke wer vorhat sowas öfter zu machen, sollte mindestens das Compact wählen.
Ist das Producer nun obsolet? Ich finde definitiv nicht, denn es bietet dann eben doch eine extreme Funktionsdichte auf minimalem Raum. Dadurch ist es ein Pult, was man auch mal auf Verdacht einpacken und eben auch leicht alleine bugsieren kann. Seinen Platz findet es zudem in kleinen Setups (dass man nur 8 Kanäle und zwei Monitore benötigt bedeutet ja nicht, dass man nicht etwa dennoch die Anlage vernünftig auf den Raum einstellen möchte und z.B. mit diversen, qualitativ hochwertigen Hallräumen arbeiten möchte) sowie in entspannten und/oder immer wiederkehrenden Settings und natürlich im Projektstudio oder bei Livemitschnitten, denn diese klingen extrem (!) gut, ich kann gern mal was posten bei Gelegenheit.
Ist das Pult und die Show erstmal eingerichtet und alles beschriftet und vor allem "in den Fingern", lässt sich erstaunlich gut auf der "Kleinen" arbeiten. Wenn ich das Geld gehabt hätte, hätte ich sie für kleinere Gigs und als Backup definitiv behalten!
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