Der Zigarettenrauch

[Vincent Stone]

1.
Der Zigarettenrauch erfüllt den Raum
ich sitze schweigend und blicke in die Schwaden
ich bin verzweifelt seit ungezählten Tagen
Gedanken kreisen, ich kann nichts andres sagen
sie kreisen und sie kreisen, doch immer nur um dich

Im Zigarettenrauch verschwimmt die Tür
ich seh den Schwung noch mit dem sie sich dir öffnet
du fliegst herein und liegst bald in meinen Armen
wir tanzen schweigend, als gäbe es kein Morgen,
als gäb es keine Welt die uns bald wieder trennt

Rauchen, ich rauche und ich warte,
warten, ich warte auf die Liebe
Lieben, und doch noch nicht mal hoffen auf dich
im Herz bin ich dir nah, doch bist du gar nicht da ,
so rauch ich und ich denk dabei die ganze Zeit an dich

2.
Der zigarettenrauch erfüllt den Raum
die Schwaden wirbeln wie tanzende Gespenster
in ihrem Trugbild seh ich dich dort am Fenster
ich geh herüber, doch kann ich dich nicht finden,
die Schwaden sie verschwinden, und ich bin ohne dich

Und da sitzt eine Frau, bereit zum Tanz
ich seh die Sehnsucht liegt auch in ihrem Herzen
es ist vergebens und stürzt uns ins Verderben
und doch wir tanzen, als gäb es keine Schmerzen
als wäre es wie damals, als wärn es du und ich

Tanzen, wir tanzen und wir hoffen
hoffen, wir hoffen auf ein Leben
Leben, doch das gabs nur mit dir, nur mit dir
und ist der Tanz vorbei, dann sind wir wieder zwei
und nur die Zigarette wartet in der Nacht auf mich.


Soweit der Text. Zum Verständnis ist es vielleicht wichtig zu wissen, daß es sich um einen Tango handelt.

Eigentlich bin ich ganz zufrieden mit dem Text, und er funktioniert auch. Was mich aber immer wieder stört sind die unreinen Reime im zweiten Teil der ersten Strophe: öffnet, Arme, morgen. Das heisst, wenn sie wenigstens unrein wären, dann würde es ja gehen, aber sie sind nicht mal unrein, und deswegen versuche ich immer Neuformulierungen, finde aber keine. ("Ich seh sie aufgehn und dich herei-ein fliegen, bis wir einander in den Armen liegen, wir tanzen schweigend, als gäbe es kein morgen" geht auch nicht, weil "morgen" zu weit weg ist von "iegen"), ausserdem ist der Rhythmus unschön gebrochen).

 

[antipasti]

Ich seh sie aufgehn und dich herei-ein fliegen, bis wir einander in den Armen liegen, wir tanzen schweigend, als gäbe es kein morgen

Ich seh sie aufgeh'n und und dich in meine Arme fliegen
Die täten dich gern zärtlich wiegen
Bis in den Morgen - würdest du nicht 100 Kilo wiegen

Sorry nochmal:

Im Zigarettenrauch verschwimmt die Tür
Ich seh sie aufgeh'n und dich in meine Arme fliegen
die deinen Körper zaghaft wiegen
Dann tanzen wir: wir schweben, beben, werben, biegen (oder Lieben - unrein aber passender)
als gäb es keine Welt die uns bald wieder trennt

 

[x-Riff]

Im Zigarettenrauch verschwimmt die Tür
ich sehe ihren Schwung und du fliegst herein
wirst (bald) nahe mir und meinem Herzen sein
wir tanzen bis zum Morgen in der Kerzen Schein,
als gäb es keine Welt die uns bald wieder trennt

*song hören möchte*

x-Riff

 

[Jed]

Hi, Vincent!

Nachdem ich dein Avatar gesehen hatte, hat es mich nicht gewundert, dass es sich hier um einen Tango handelt.

Stimmt, im Mittelteil der 1. Strophe reimt sich gar nichts. Na und? Bei Liedtexten ist das Reimen manchmal nützlich, manchmal überflüssig. Wichtiger ist auf jeden Fall die Metrik - Silbenzahl und Verteilung der betonten Silben.

Ein Reimschema macht den gesungenen Text für den Zuhörer berechenbar. Oft weiß er im Voraus, welches Wort am Ende der aktuellen Zeile stehen wird, weil kein anderes Reimwort sinnvoll wäre. Oder der Texter findet ein ausgefallenes Reimwort, und da ist der Überraschungseffekt gegeben.

Aber Tango ist auch eine Tanzform. Anders als der Walzer, der immer gleichmäßig mit 1, 2, 3 fortschreitet und bei dem die Tänzer immer die gleiche Haltung und den Abstand zueinander halten, lebt der Tango von unerwarteten Pausen, Richtungswechsel und Orientierungswechsel hin zum oder weg vom Partner.
Dementsprechend passt zu einem Walzerlied ein festes Reimschema - Bewegung, Musik und Text sind gleichermaßen für den Zuschauer- und -horer gleichermaßen berechenbar. So gesehen passt zum Tango (Musik wie Tanz) ein "unberechenbarer" Liedtext - d.h. ein Text ohne festes Reimschema. Ein paar Reime zwischendurch machen das Ganze nur noch unberechenbarer.

Wenn der Text, so wie er ist, mit der Musik funktioniert, würde ich nichts daran ändern.

Thematisch finde dein Text passend zur Tangoform. Dieses sich einer Partnerin gedanklich und einer anderen Partnerin tänzerisch Zuwenden, mit der dadurch erzeugten Spannung, ist für mich ein Tango-Gefühl.

Ich selbst habe bisher nur ein Tangolied geschrieben. Der Text hat allerdings durchgehend reine Reime - das liegt wohl daran, dass er ursprünglich als Gedicht gedacht war. Erst als ich mich an das Vertonen machte, fiel mir auf, dass die Thematik zum Tango passte: Kollege und Kollegin finden einander toll, schweigen aber aus Angst vor Vorwürfe der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz darüber. Jede(r) heiratet eine(n) andere(n), und nach ihren Scheidungen arbeiteten sie noch besser zusammen als vorher.

Das Lied singe ich zur Gitarre. Ein Bandoneon besitze ich zwar, aber es ist nicht mein Erstinstrument, und meine Technik (autodidakt) reicht gerade für deutsche und britische Volkslieder. Außerdem ist es ein kleines Modell (102 Töne, einchörig), dem die "trockene Oktavstimmung" für den argentinischen Tango fehlt.

Cheers,
Jed

 

[Vincent Stone]

Mit dem Hochladen von Videos oder Musikdateien habe ich so meine Probleme ... vielleicht klappt es.
Vielen Dank für Eure Antworten. Aus x-Riffs Vorschlag könnte was zu basteln sein.

Ich halte es ja mit den Reimen so, wie Jed es vorschlägt, mal rein mal unrein mal gar kein Reim, ich bin da ganz undogmatisch. Deshalb habe ich das Lied auch ganz ungeniert so geschrieben, wie es da steht. Erst beim Spielen merkte ich, das mich die Stelle stört, das sie irgendwie holprig klingt und ich gerne etwas anderes hätte.
Schön ist ja, das du auch Bandoneon spielst. Es ist langwierig zu lernen und auch nach bald 15 Jahren weiß ich noch nicht, wo alle Töne liegen, sondern muss sie mir für jeden Song neu heraussuchen. Erstens sieht man die Töne nicht, zweitens ist Zug und Druck unterschiedlich belegt. Aber drittens ist es dann ganz wunderbar einfach, wenn die Finger sich die Töne erst mal gemerkt haben. Dieser Tango allerdings, den spielen wir ausnahmsweise mit der Gitarre.

 

[Vincent Stone]

 

[x-Riff]

Danke!
Sehr schönes flair, finde ich - gut zum Eintauchen.
Ich hab schon Kastagnetten gehört ...

x-Riff

 

[Katz23]

Mit der musikalischen Umsetzung bekommt der Text eine ganz andere Tiefe. Ich hatte vorher keinen richtigen Zugang, aber mit dem Tango ist es wunderbar rübergekommen. Bin entzückt