Die altbekannte Registerfrage - Klassik und Pop - Männlein und Weiblein

  • Ersteller Ferushan
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Hmm, da war ich dann vielleicht etwas empfindlich. :rolleyes: Man sollte doch immer überlegen, wie man etwas schreibt und wie jemand anderes es versteht (*an die eigene Nase fass*)
Also um's mal zu erklären: Oben gestellte Fragen waren nur für mich, um meinen Wust im Kopf etwas zu ordnen und mein Wissen zu erweitern. Natürlich erzähle ich das so keinem, der's nicht so hören will (und Laien schon gar nicht). Immerhin habe ich auch Pädagogik studiert und werde das alles in methodisch-didaktisch aufbereiteten Häppchen servieren. Ich dachte, das versteht sich irgendwie von selbst.
Und mein Ziel mit so einem Workshop: Es geistern einfach in jedem Laienchor diese Begriffe von Kopf- und Bruststimme und Stütze herum und meistens stellen sich die Leute etwas völlig falsches darunter vor. Und diese Missverständnisse und falschen Vorstellungen möchte ich beheben.
Zum anderen denken Laien meistens nur darüber nach WAS sie singen, aber nicht WIE. Vielen ist gar nicht bewusst, dass man auch stundenlang singen kann, OHNE Halsweh zu bekommen. Und auch das möchte ich richtig stellen und das Bewusstsein der Sänger darauf lenken, dass der ganze Körper mitsingt, dass man das fühlen kann und dass es sich gut anfühlt, wenn man einen Ton im ganzen Körper fühlt.
Und ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass im Laufe so eines Workshops viele Fragen auftreten. Sicher kann ich auch nicht immer alle beantworten ohne irgendwo nachschauen zu müssen, aber ich habe schon das Gefühl, dass es viele gut finden, wenn sie solche Fragen mal an den Fachmann loswerden können, selbst wenn ich es erst nachschauen muss.
Das will ich mit diesem Workshop. Und nicht dass die mir alle herbeten könne, wie dieser oder jener Muskel heißt (so wie ich in meinem Studium).

Es ist doch letztendlich egal, ob ich jemandem die Phyiologie erkläre, ein Bild oder eine Bewegung gebe. So lange es den Schülern hilft und sie weiterbringt, ist es doch in Ordnung, oder?

@singsangsung: Natürlich kann ich in die Schüler nicht reingucken. Dafür habe ich meine Ohren, die penibel darauf geschult sind, alles zu hören. Und wieviel Masse schwingt und ob der Hals locker ist, wo er locker sein soll, ob der Luftstrom stimmt und ob der Ton richtig sitzt - solcherlei höre ich. Nur mir hilft es eben weiter, wenn ich weiß, WARUM das so ist. Andere interessiert es augenscheinlich nicht - was ja auch ok ist.
Und ich denke schon, dass wir heute eine ganze Menge darüber wissen, was beim Singen passiert. Es gibt ja durchaus auch Mediziner, die sich dafür interessieren. Ich würde da Johan Sundberg oder Wolfram Seidner/Jürgen Wendler empfehlen. Denn die haben solcherlei wissenschaftliche Untersuchungen gemacht.
Der Husler ist von 1965... Und selbst wenn mein Methodikprofessor das als Pflichtlektüre verordnet hat: Ich finde das Buch schlichtweg veraltet - und du hast recht: Das ist kein Buch eines Stimmforschers und deswegen finde ich es an vielen Stellen auch einfach nicht (mehr) gut.
Zu Reid kann ich nichts sagen, damit habe ich mich einfach nicht beschäftigt. Aber so grundsätzlich bin ich eher ein Fan der neueren Forschung...

Und es gibt wie gesagt solcherlei Studien, allerdings sind sie meistens nicht repräsentativ, da zu wenig Testpersonen. In meiner Diplomarbeit über Belting habe ich solcherlei Untersuchung (eben übers Belten) zusammen getragen. Damals, vor 3,5 Jahren, gab es ganze 7 Studien, veröffentlicht in Fachzeitschriften (Journal of Voice, Nats-Journal/Journal of Singing, etc.) und allesamt waren sie nicht repräsentativ, da nur eine oder max. 7 Probandinnen - männliche Belter wurden gar nicht untersucht. Mich persönlich juckt es in den Fingern, dieses Defizit mal zu beheben, ganz ernsthaft - wäre doch ein gutes Thema für eine Doktorarbeit. Aber ich habe einfach nicht das Forscher-Know-How. Ich habe eben Gesangspädagogik studiert und nicht Medizin.
Der Bund Deutscher Gesangspädagogen beschäftigt sich in der Zeitschrift Vox Humana und auf den Jahreskongressen übrigens auch immer mal wieder damit.

So, liebe Grüße!
Feru
 
Hallo Feru


So ein Workshop ist ja grundsätzlich keine schlechte Idee. Wenn sich genug TeilnehmerInnen finden kann das bestimmt spannend werden. Wobei ich es eher am praktischen aufziehen würde und die Theorie sekundär dazunähme. Außerem würde mich das Herumgewerfe mit lateinischen Muskelnamen nerven. Die haben alle auch sehr schön plastische deutschen Namen. Ich plädiere in diesem Zusammenhang stark für das Deutsche!!
Aufklärung in einem dafür ausgeschriebenen Workshop finde ich gut (Arbeitest du an einer Musikschule?) Dann wirst du ja sehen, wen du damit hinter dem Ofen hervorlocken kannst.

Vielleicht kannst du ja auch Vorzeigepersonen in den Kurs mitnehmen?
Das mit dem Schnarrregister z.B. Das haben ja nur ganz wenige. Ich habe EINE Schülerin von derzeit bestimmt 30, die es hat. Und sie ist die erste in 10 Jahren bei der sich das so deutlich zeigt: Sie kann bis runter zum großen (!) F Töne produzieren und sie beschreibt es wie ein spezielles Kippen/sich öffnen. Dabei ist ihre Stimmfärbung eigentlich eher sopranig und sie kommt auch gut hoch bis h''.
Die meisten haben das aber nicht, da ist Schluss bei f oder spätestens c.
Wenn man also so eine Person hat, die es den WorkshopteilnehmerInnen demonstriert ist das viel anschaulicher als nur zu sagen, daß es eben dieses Register auch noch geben soll.
Ebenso was das männliche Falsett betrifft. Manche haben das einfach im Gespür sag ich mal und können es spontan auch mit ein wenig Anleitung einsetzen. Du weißt ja, wie es klingen soll. Deshalb frag ich mich, ob die Bezeichnungen wirklich so wichtig sind und so differenziert sein müssen. "Kopfstimme" oder "Falsett": Ich würde "Kopfstimme" nennen, was klassische Tenöre oberhalb des Passagios singen und "Falsett" den eher "weiblich" geprägten Klang der Countertenöre oder Altisten. In der Popmusik ist es derzeit schwer aktuell. Naidoo kann es besonders gut einsetzen (Hörbeispiele?!), aber andere auch. Bei Popstars, also sie dort auch Männer gecastet haben konnten die es alle, das fand ich sehr auffällig.

Das mit den Stimmphysiologie Forschungen scheint mir in der Tat kein so einfaches Thema. Schließlich ist es schwer zu singen, während einem jemand in den Kehlkopf schaut. Herr Seidner macht tatsächlich Untersuchungen in die Richtung. Ich kenne ihn persönlich, er war mein Stimmphysiologie - Prüfer. Er ist aber eigentlich weder Sänger noch Gesangspädagoge, sondern in erster Linie Phoniater. Sein Fachgebiet sind also vor allem Stimmerkrankungen. Und zudem ist er ein erklärter Skeptiker allem gegenüber was Populargesang ausmacht, hält Belting für schädlich und propagiert eigentlich ausschließlich den klassischen Gesang.

Lieben Gruß,
Shana
 
Hallo Feru,

ich bin sehr erfreut, dass Du es offenbar unverhältnismäßig genau nimmst und aktuelle Veröffentlichungen gelesen hast. Das haben die meisten nicht (ich auch nicht, meine Zeit des vielen Lesens über diese Dinge ist seit mehr als 10 Jahren vorbei).

Ich möchte daher jetzt versuchen, Deine eingangs gestellte Frage zu beantworten. Als Grundlage habe ich dabei mein eigenes Singen und die Arbeit mit jungen Sängern (ich arbeite vor allem mit Jugendlichen im Bereich Stimmbildung).

Nach meiner Erfahrung hat die normale Stimme drei Oktaven (+ Strohbass nach unten und Pfeifregister nach oben, das ist aber nicht bei jedem da). Jeder Sänger / Sängerin singt in der unteren Oktave in der Bruststimme (Vocalis dominant) - es sei denn, es ist wirklich ganz leise - und in der oberen Oktave in der Kopfstimme (CT dominant). Diese Begriffe halte ich dabei aber für unbrauchbar, weil sie sich aus Resonanzphänomenen ableiten, und diese sind durch andere Dinge (Einstellung des Ansatzrohres) beeinflussbar und daher ungenau.

In der mittleren Oktave hat man nun die Wahl: Singt man mit CT-Dominanz, so klingt es bei den Frauen eher nach klass. Frauenstimme, bei den Männern nach Countertenor. (Die Wahl haben trifft es nicht ganz: Da muss man schon eine ganze Menge für arbeiten).

Singt man die zweite Oktave auch noch mit Vocalis-Dominanz so klingt es, bei entsprechender Nutzung von Resonanzräumen, bei den Männern nach klassischer Männerstimme. Bei den Frauen kommt das eigentlich nur im Contemporary vor, wäre dann die von Dir angesprochene R&B-Sängerin (Paradebeispiel Christina Aguilera).

Nun noch mal ganz genau anhand meiner eigenen Stimme (Bariton). Das Beispiel zeigt, dass das mit der Einteilung in Oktaven nur eine grobe Näherung ist.

Tiefster Ton: Großes E. Bis e' dann "normale" Bruststimme, diese war seit dem Stimmbruch immer ohne größere Probleme möglich.

In meinen jugendlichen Chorzeiten dann oberhalb von e' Wechsel ins Falsett. Hier also isolierte CT-Aktivität, aber in einem Bereich, wo das eigentlich noch zu früh ist, daher unvollständiger Stimmbandschluss und schlechter Klang.

Mittlerweile, dank Haltung und Atmung, WEiterführen einer Vocalis-Dominanten Stimme bis As'. Oberhalb von As' ist eine bruchlose Weiterführung mit Belting möglich, nur dass dieser sehr schrille Klang mir nicht gefällt. Ich wähle also meine Stücke so aus, dass ich möglichst nicht höher als g' oder as' muss, wenn es das Stück erlaubt, Falsett zu singen, dann gerne auch höher.

Mein Falsett bzw. CT-dominante Stimme geht bis f''. Im Bereich f' bis f'' kann ich einen schönen Alt singen, nur habe ich erhebliche Probleme mit den Vokalen A und verwandten Vokalen. Diese muss ich dann sehr in Richtung u färben.

Also, Fazit: Frauen und MÄnner haben ein Falsett, es ist das abrupte, zu frühe Überwechseln von Vocalis-Dominanter Stimme in CT-Dominante Stimme, und mangels Übung ist der Stimmbandschluss schlecht, daher das Hauchige.

Die männliche Kopfstimme in der Klassik ist trotzdem noch Vocalis-Dominant, wenn nicht, ist es ein Countertenor.

Belege dafür: Keine, ich bitte, das auf Plausibilität zu prüfen.

LG

SIngSangSung
 
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Hallo Ihr!
Vielen Dank für die Antworten! Der Workshop ist für eine Kirchengemeinde, aber ich unterrichte derzeit noch an einer Musikschule. Ab 1.8. werde ich aber ins Referendariat ans Gymnasium gehen - ich hab keine Lust mehr, vollständig selbstständig zu sein (bin nur als Honorarkraft angestellt). Ich denke nicht, dass ich beim Workshop Möglichkeit habe, da wen vorzuführen (im positiven Sinne) außer mir. Na mal schauen, ein paar der Zielpersonen kenne ich, vielleicht kann ich da jemanden gewinnen.
Also ich verspreche euch: Ich werde nicht mit lateinischen Wörtern um mich werfen und alles so praktisch wie möglich machen! Und ich werde (was ich sowieso vorhatte) explizit darauf hinweisen, dass die Begriffe sowieso alle relativ sind und jeder in sich selbst fühlen muss. Ich mag die Bezeichnung Brust-/Kopfstimme auch nicht, aber sie sind halt leider omnipräsent...

Vielen Dank nochmal an alle, jetzt habe ich doch einiges sortiert in meinem Kopf - ich berichte euch dann wie's war (ist aber noch guter Monat hin).
 
Moin, ich finde die Durchführung so eines Workshops toll und hätte auch an sowas Interesse, auch wenn es zurzeit am zeitlichen und örtlichen Problem scheitert. Grundsätzlich finde ich es aber gut einem Chor da Ansätze und Hintergründe zu vermitteln. Aus meiner persönlichen Sicht fände ich sowas auch für den Laienchor in dem ich singe hilfreich. Ich bin da aber auch eher etwas verkopft, auch wenn das anatomische nicht zu sehr ins Detail gehen sollte.
Ich wuuste auch ertsmal nicht wofür CT steht, soweit ich das gefunden habe also der Schildknorpel. ein interessanter Abriss ist auch http://www.logopaedie.rwth-aachen.de/bkroeger/documents/Kroeger_PhonetikSkript_2007.pdf
 
Das freut mich, dass meine Idee dir gefällt! :)
CT meint nicht den Schildknorpel, sondern ist die Abkürzung für einen Muskel, den Musculus cricothyroideus, ein Name, den ich mir ehrlich gesagt selbst schlicht nicht merken kann. :D Dieser Muskel bewirkt, dass der Schildknorpel nach vorne gekippt wird, wodurch die Stimmbänder gedehnt werden. Das wiederum bewirkt, dass der artikulierte Ton höher wird (ähnlich wie bei einer Gitarrenseite, die gespannt wird).
 
Ich wollte nur mal mein Fazit aus dem Workshop nachtragen.
Also (ist schon eine ganze Weile her): Ich habe den Workshop auf etwa drei Stunden mit 15 Min Pause in der Mitte angelegt. Ich habe eine Powerpoint-Präsentation gemacht, die immer wieder mit praktische Übungen durchsetzt war, auch Hörbeispiele oder ich habe kurz selbst was vorgemacht. Und ich habe versucht, es so praktisch wie möglich und so wenig kopflastig wie möglich zu machen.
Die Fakten waren sehr reduziert (das habe ich natürlich vorher auch angesagt), gerade die Sache mit dem Register. ;) Insgesamt war es in etwa eine Dreigliederung in Atmung, Phonation und Resonanz. Drumrum natürlich Einführung, Exkurs Haltung, Register, Stimmhygiene etc.
Die Resonanz war sehr positiv. Vielen wurden mal einige Grundlagen bewusst, viele sagten "Wie? Schon vorbei?" und eigentlich alle fanden es interessant. Natürlich gab es auch einige, die sagten: "Joa, ganz nett. Aber brauch ich nicht unbedingt wissen", aber das waren wirklich die Ausnahmen.
Interessant war, dass wir abends alle den Eurovision Songcontest zusammen gesehen haben, und immer wieder kamen Zwischenfragen:"Ist das jetzt Belting?" "War das Kopfstimme?" Und sie lagen immer richtig. *freu*
Also vielen Dank nochmal für Eure Anregungen und Diskussionen. Das hat mir auf jeden Fall dabei geholfen, den Workshop besser zu strukturieren und inhaltlich zu reduzieren. Ich bin immer noch der Meinung, dass so ein (sehr praktisch orientierter) Workshop eine gute Sache grade für Laien ist. Dennoch bin ich mir natürlich dessen bewusst, dass man nie alle erreichen kann und dass es unterschiedliche Lerntypen gibt, die unterschiedliche Wege verlangen.
Habe grade nochmal die Hausarbeit von Cörnel überflogen zum Thema Atemübungen oder keine Atemübungen und habe auch da wieder festgestellt: Es kommt einfach auf den Schüler an. Es gibt kein ultimatives 08/15 bombensicheres Rezept zum Singen. Dann wäre der Beruf des Gesangslehrers aber auch etwas zu langweilig, glaube ich...;)
 

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