Diskussionsrunde: Darf ich als Texter auch über ein LI schreiben, das nicht ich ist?

Diavor
Diavor
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Hallo Lyrisch Begabtes Volk,

aus gegebenem Anlass möchte ich eine Frage in den Raum werfen, die man im Thementitel lesen kann.

Darf ich, wenn ich einen Text schreibe, versuchen mich in ein Lyrisches Ich zu versetzen, das mit mir nichts gemein hat?

Ich habe in letzter Zeit viel geschrieben, das außerhalb meines eigenen, persönlichen Erfahrungshorizonts liegt über Dinge, die ich selbst nie so erlebt habe. Trotzdem war die Inspiration da, die mir die Worte in den Kopf gelegt hat und mich veranlasste darüber zu schreiben.

Konkreter: Wenn ich einen Text über eine Frau schreibe, die jahrelang von ihrem alkoholkranken Partner misshandelt wurde und nun mit ihm abrechnet, darf ich das überhaupt? Ist das authentisch? Gäbe es die Möglichkeit, dass Betroffene sich beleidigt fühlen, dass ich mich eines solchen Themas anmaße, obwohl ich derartiges nie selbt erleiden musste?

Und eine weitere, darauf aufbauende Frage: Ich erhalte meine Ideen häufig aus einem Moment oder einem Gedanken, der vielleicht auf einem Gedanken beruhrt, der ursprünglich jemand anderem gehörte (sprich: Wenn ich zum Beispiel ein Buch lese). Wenn mir nun eine Zeile zu einem Song einfällt und sich daraus ein Text ergibt, der die oben aufgeführten Kriterien erfüllt, dass er nicht auf meinem Erfahrungsschatz beruht, darf ich ihn schreiben? Darf ich dem Ruf der Muse folgen und ihn zu Papier bringen, auch wenn er nicht mich betrifft, jemand anderen aber vielleicht schon?

Ich musste schon seit einiger Zeit daran denken, eben aufrund meiner aktuellen Themen, aber AngryDwarfs Antwort auf meinen heute geposteten Text "Prohibited Stuff" ließ mich etwas nachdenklich zurück. Eine Frage am Rande, da ich diese nicht direkt in meinem Textethread stellen will: Kann man von dem Charakter und dem sonstigen Schaffen eines Texters nicht darauf schließen ob er in dem Text über sich selbst schreibt oder doch nur einen Akteur zeigt, der ihm selbst auch unsympathisch sein kann, und über diesen eine weitere Botschaft vermitteln möchte?

Ich würde mich über Antworten freuen und hoffe ein bisschen Ordnung in mein gedankliches Chaos bringen zu können.

LG
Diavor
 
Eigenschaft
 
Die goldene Regel ist doch, dass das lyrische Ich und der Autor niemals ein und die selbe Person sind!
Man kann sich zwar einen Text besser begreiflich machen, wenn man die Lebensumstände des Autors kennt, oder umgedreht kann man VIELLEICHT von manchen Texten auf die Lebensumstände des Autors schließen, trotzdem ist es ein Fehler das lyrische Ich und den Autor als eine Person zu sehen.
In Sachen Interpretation muss auf jeden Fall auf Formulierungen in diese Richtung verzichtet werden. Aus der Perspektive des Autors wird dies wahrscheinlich nicht so streng gesehen. Von daher kann man hier sagen, dass der Autor sich von sich aus auch an die Stelle des lyrischen Ichs setzen darf.
Ansonsten würde ich einfach mal sagen, dass es auf der Hand liegt die oben beschriebene goldene Regel einfach umzudrehen auf die Perspektive des Autors. Man würde sich sonst ja auch stilistisch ziemlich einschränken. Ich denke die einzige Regel, die hier greift ist die der Authentizität und um diese einzuhalten reicht schon Empathie und man muss nicht unbedingt Mimikri drauf haben, wenn es darum geht aus der Sicht eines anderen Menschen zu schreiben.
 
Das darfst du nicht nur, das ist sogar meist die beste Lösung. Wenn du dich Eins zu Eins im Song wiedergibst wird der Text entweder schnell langweilig oder (je nach Inhalt) driftet ins Selbstmitleid ab. Ich wollte mit meinem Kommentar gar nicht sagen, dass du das nicht machen sollst, sondern nur anmerken, dass der Zuhörer so einen Text trotzdem oft auf den Texter beziehen wird. Bei einem Text wie dem hier beschriebenen ist das überhaupt kein Problem, weil das Thema und die Aussage ernstnehmbar ist. Das heißt, dass selbst jemand, der hier zwischen LI und Autor nicht unterscheiden mag, vom Text vielleicht noch stärker getroffen ist, aber doch das Lied als solches ernst nimmt.

Das problem, das ich bei deinem andern Text bemekrt hab ist viel mehr, dass der Inhalt arg übertrieben ist und (wie du sagst bewusst) auf der Grenze zur Parodie tanzt. Aber gerade an diesem Punkt wird das für mich schwierig zu unterscheiden, ob du den Text ernst meinst oder ob du eben überspitz formulierst. Wenn nun aber kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass das nicht ganz ernst gemeint ist (und wie geschrieben kann das von mir aus schon allein daran zu erkennen sein, dass das ganze Album solche Texte hat oder der Sound einfach ganz, ganz deutlich die Klassiker nachahmt oder so), lässt sich so ein Text schnell als große, dumme Rumpralerei auffassen ("ich geb mein ganzes Geld für verbotenes (*uuuuhhh*) Zeugs aus" - bööööööööse :D).

Natürlich kann man sowas auch einfach in Kauf nehmen. Andy Kaufmann (der Komiker; Man On The Moon, falls du den Film kennst) hat ja Ähnliches gemacht, in dem er mit brutalem Ernst gegen alle Regeln verstoßen hat und sich selbst daraus einen Spaß gemacht hat. Wenn du also Freude daran hast, dass 80% der Hörer vielleicht (je nach musikalischer Ausführung natürlich mehr oder weniger) den Song für posermäßiges Möchtegern-Rocker-Geschreibsel halten und der Rest sich über die Parodie freut, dann ist das super und du kannst den Text so lassen. Aber gerade, weil du was von Thrash geschrieben hast, bin ich davon ausgegangen, dass du zumindest mit einiger Ernsthaftigkeit an die Sache rangehst (Metaller sind - Achtung, Vorurteil - oft ja eher ironiefrei aka "trve").

Aber grundsätzlich ist das LI ja gerade dazu da, dass du nciht über dich singst. Wenn ich mein LI wäre, wäre ich wohl sowas wie ein alkoholkranker Depressiver oder sowas (bin auch schon nach Konzerten angelabert worden, ob ich wirklich zu 100% in meinen Texten stecke).

Und was die Gedanken eines anderen angehen: Talent borrows, genius steals :D Wenn eine Idee dich so ansprichst, dass du sie dir nicht nur ausleihst, sondern zu deiner eigenen machen kannst, ist das doch super und du solltest es tun. Um wieder auf meine Texte zu kommen: Ich hab schon Songs über ein Beziehungsende geschrieben, weil auf N24 ne Doku über Grabenkriege lief oder aus dem High Fidelity Satz "Hörten wir Pop, weil wir traurig waren oder waren wir traurig, weil wir Pop hörten?" einen Song mit der Zeile "Hier läuft niemals Marvin Gaye, sondern immer nur The Cure" gemacht.

Zusammenfassend also: Mach dein Ding. Greif definitiv auf fremde LIs zurück. Das gibt dir ja gleich auch mehr Themen, über die du schreiben kannst. Aber überlege immer, wie ein außenstehender das Lied deuten kann und ob du mit der Deutung glücklich bist. Gerade bei satirischen Texten sollte doch deutlich erkennbar sein, dass Satire vorliegt, weil sonst der Humor leicht flöten geht.
 
Liebe Diavor und liebe andere TexterInnen, (nachträglich noch nur das Beste fürs neue Jahr!)

Schön mal einen Text ("Prohibited Stuff" - dans anglais ;)) von dir zu lesen. Irgendwie haben dich diese Typen ja doch berührt ;-), dass du ihm die Zeit widmest einen Text zu schreiben? :gruebel:

Ich denke es ist gar nicht möglich, ein LI zu erfinden, das überhaupt nichts mit dem Autor selber zu tun hat. Ausser der Autor ist vielleicht schizophren....wobei auch das schlussendlich ein einzelner Mensch ist...

Ich denke ein Autor, welches ein LI erfindet, nimmt mit der Erfindung eine gewisse Distanz zu jenem ein (im Gegensatz, wenn er ein Erlebnis von sich selber erzählen würde) was es ihm erleichtern kann, ein gewünschtes Thema zu bearbeiten (das kann auch einfach sein um es interessanter zu gestalten, oder ein unangenehmes Thema von sich fern zu halten), da er es aus der Distanz betrachtet. (Es ist auch einfacher von einem Problem eines guten Freundes zu berichten und jemanden um Rat fragen, als zu sagen, es ginge um einen selbst...). Oder man schreibt seiner Flamme ein Liebeslied und schenkt es ihr, weil man sich nicht getraut, es ihr direkt zu sagen?

Und jeder andere Autor würde zur gleichen Thematik ein etwas anderes, bestimmt ähnliches LI erfinden, was aber auf seine Individualität schliessen lässt, was ja die Kunst und das Leben und v.a. die Kunst zu Leben so interessant macht :D

Sich über etwas lustig machen oder über etwas zu spotten kann auch eine Methode, sich vor den wahren, echten Gefühlen zu schützen, was durchaus auch wichtig sein kann. Man stelle sich Chirurgen vor, die sich während der Operation derbe morbide Sprüche erzählen um mit dieser grossen Stresssituation überhaupt fertig zu werden.

Da schliess ich mich nicht aus, mach ich doch ab und an derbe Witze unter Kollegen z.B. übers Weltgeschehen, wenn irgendwo wieder etwas passiert, was meine "naive" Psyche völlig überfordert.... :confused: , was also alles andere als böse gemeint ist, was ich natürlich auch stets nach dem Lachen relativiere :(.

Natürlich rechtet man damit indirekt auch damit ab, also man verurteilt die Tat, ohne es direkt aussprechen zu müssen... weil man die verantwortliche Person auch gar nicht ansprechen könnte?

Ich hab selber schon Texte verfasst, wo ich mich fragen musste und fast etwas geschockt über mich selber war, warum ich sowas schreibe :eek: ? Doch um mich selber ganz zu verstehen, muss ich wohl solche Phantasien annehmen als Teil von mir selber und wenn ich sie verstehen kann, wirken sie (evt.) auch nicht mehr schockierend... Wichtig einfach, Phantasie und Realität unterscheiden zu können :gruebel:

Ja, warum berührt einen etwas, warum packt einen eine Thematik eines Buches eines Songs, eines Bildes,...usw., welche andere kalt lässt? Und umgekehrt? :gruebel:

Nun ja, so weit so gut ;-)

PS: Somit zurück zur eigentlichen Fragen: Natürlich darfst du, wobei du dich niemals ganz heraushalten kannst.... weil, "man kann nicht nicht kommunizieren" (Watzlawick)....
 
@ Diavor / Eingangsfrage



Nein, das ist verboten.



1788
 
Hi Diavor,
ich denke, DU zum Besispiel, darfst das, denn Du kannst Dich in nicht selbst Erlebtes einfühlen.
Das hast Du schon mit einigen Texten bewiesen.

Entscheidend ist doch, ob Du mit deinen verschriftlichten Gedanken andere Menschen bewegen kannst. Ob Du Emotionen auslösen und eine einzigartige Atmosphäre schaffen kannst, oder ob deine Darstellung maskenhaft also eben aufgesetzt wirkt.
Die Leute, für die Du schreibst, werden das schnell merken.
Versuche alles, denn es erweitert Deine Möglichkeiten und lass die Reaktionen auf Dich wirken.
Verwerfen kann man immer noch.
Außerdem wirst Du sowieso spätestens beim Vortrag spüren, ob Du Dich damit wohlfühlst, lyrisch in einer anderen Haut zu stecken.

Ich hatte ein ähnliches Problem, als ich einen Text aus der Sicht einer alten Frau geschrieben hatte.
Damals waren die Feedback- Geber eher der Meinung, dass man das als Mann nicht vortragen kann. :gruebel:
Tja, bislang ist der Text auch noch nicht vertont...

Warum sollten wir unsere Ausdrucksmöglichkeiten begrenzen? Ist es nicht schon eng genug in unserer Birne?

Grüße
willy

btw: @1788: Hast Du schon mal über ne Karriere beim Fernsehen nachgedacht? Du bist so witzig!
 
In meinen Texten bin ich selbst nie das lyrische Ich.
Einmal spreche ich mich selbst sogar in der zweiten Person an.
Mal ehrlich, würde man nicht sehr schnell an seine Grenzen stoßen, wenn man Lieder nur aus seiner eigenen Sicht schreiben dürfte?
Überleg mal, solche Meisterwerke wie The Raven (Edgar Allan Poe) N.I.B. (Black Sabbath) oder Spring (Rammstein) hätte es dann nie gegeben.
Ausschließlich aus der eigenen Sicht zu schreiben ist eigentlich nur im Hip-Hop üblich - oder bei sehr egozentrischen Sängern wie z.B. Jim Morrison.
MfG,

Pisaura
 
Um es noch mal in kurz zu sagen: der Sinn, der eigentlich Zweck des LI ist genau der, dass es nicht Du selbst sein musst ... sonst wäre ja jedes Lied eine Autobiograpie.

Also: "dürfen" sowieso - ob man es kann, ob es gut wird und glaubhaft, liegt am Autoren.
 
Grade kommt mir meine obige Frage so doof vor ... =/

Erst einmal ein herzliches Dankeschön an alle, die bisher geschrieben haben. Allem voran auch AngryDwarf, der hier nochmal Stellung bezogen hat.

Ich werde nachher versuchen ein bisschen ausführlicher zu antworten, grade habe ich keine Zeit dafür. Aber ich habe alle Antworten gelesen und klar, auch ich habe schon viele Texte über ein LI geschrieben, das irgendwas empfindet und wie zum Beispiel bei "Cripple" mit Metaphern einen Zustand seines Seins ausdrückt, ohne dass man direkt sagen kann, dass es als Krüppel tatsächlich auf dem Grund eines Abgrundes sitzt und so weiter ... ähm ja. Von daher habe ich mich selbstverständlich schon eines anderen LIs bedient. Bei "Prohibited Stuff" ist es diesmal nur eine andere Umsetzung, die mich nun doch etwas verunsichert hat, da ich den Text eigentlich doch sehr mag.
 
Hi,

Grade kommt mir meine obige Frage so doof vor ... =/
Nein!! - Die Trennung LI und Autor ist mMn bei weitem nicht so einfach, wie man nach der Lektüre des bisherigen Threats partiell annehmen könnte.:mad: - Deine Frage ist sehr gut:great:

Wenn Du über eine Co-Alkoholikerin X schreiben willst, die sich nun von ihrem Partner Y trennen oder gar den Racheengel spielen will, hast Du als AutorIn immer MEHRERE Möglichkeiten, das zu texten:

1. Du textes als Beteiligte aus Sicht der X.

Vorteil: Intensität, Authentizität
Nachteil: Parteilichkeit und Pauschalisierung. Dir fehlen (vermutlich) die vielen konkreten Erfahrungen zwischen einem Alki und seiner Co. - Wahrscheinlich kennst Du außerdem ihre SICHT besser als seine. Aber das ergibt schnell vorhersehbare, langweilige Darstellungen.

Ich frage mich, warum Du die aktive Sicht der X einnehmen willst? Bist Du ebenfalls in der Stimmung, mit jemanden abzurechnen?

2. Du textes aus der Sicht eines beteiligten Beobachters Z (Freundin von X, Neue Freundin von Y, Kollege oder Nachbar von X oder Y, zufälliger Zeuge eines dramatischen Auftritts zwischen X und Y)

V orteil: mehr Ausgewogenheit, Ehrlichkeit. Diese Perspektive trägt vor allem dem Rechnung, dass man zu wenig über Alkoholiker und Co-Alkoholiker weiß
Nachteil: der Abstand zum Geschehen. Man muß gut dramatisieren können, um Spannung zu schaffen.

3. Du schreibst als Beteiligte aus der Sicht von Y

Vorteil: Das Potential zur Überraschung. Du musst gründlich beobachten und nachdenken. Diese ungewohnte Übung hält den Autoren gewöhnlich recht munter;)
Nachteil: Kostet vor allem Zeit;) und man muß immer als Mensch mit Selbstliebe und Glaubenssätzen in die Haut eines ungeliebten Menschen schlüpfen und dessen Selbstliebe und Glaubensätze begreifen....

4. Du kannst als unbeteiligte Singersongwriterin eine Geschichte über beide schreiben.

Vorteil: Du bleibst bei Dir, ein gelungener Text hat meistens eine wunderbare epische Breite!
Nachteil: Oft fassen solche Geschichten mehrer Jahre in einem Text zusammen. Das ist zeitaufwendig. Man brauch den richtigen lakonischen Tonfall und die richtigen Fakten, aus denen man den Text webt. Manchmal enden solche Geschichten sogar mit dem Tod. Viele amerikanische Songschreiber des Folk und Country beherrschen solche geschichten meisterlich.

Also mach Dir vor allem klar, warum Du aus IHER Sicht schreiben willst.
Achte auf die Gefahren einer pauschalen Solidarität!

lg
 
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Naja, die Abgrenzung des lyrischen Ichs und des schreibenden Künstlers mag in der Theorie schön klingen - beim Schreiben selbst dann ist das jedoch eine andere Sache.

Mir fällt spontan einer meiner Lieblingstexter ein: Georg Kreisler.
http://www.youtube.com/watch?v=FprnQnz8WOA
Er war bekennender Anarchist, seine Lieder, die er schrieb, spiegelten auch oft wieder, wie es ihm grad ging, was er so dachte. ABER man darf etwas nicht verwechseln!
http://www.youtube.com/watch?v=rhlirWNsfzE
Hier schlüpft er in die Rolle des betulichen Wieners, der nicht ganz sicher ist, wie er mit dieser Situation umgehen soll, natürlich recht lustig. ;)

"Prohibited Stuff" wirkt für mich auch wie das Schlüpfen in eine Rolle, des arroganten Typen, der mit Geld um sich wirft. Hier wird ja auch weniger das Problem des LI angesprochen, der Konflikt entsteht aus der Provokation, welcher dieser Charakter bei anderen hervorrufen soll. Man darf jedoch nicht vergessen, dass der Autor trotzdem irgendwie in das Werk mit einfließt!

Die "Verschwendungssucht" ist wohl ein Thema, das dir aufgefallen ist - oder wo du dir zumindest genug Gedanken gemacht hast, um einen Text darüber schreiben zu können. Und wenn ein anderer Textautor für die Operette etwas über einen langweiligen Typen schreibt, der erzählt wie leidenschaftlich er mit den Frauen ist, dann hat er vielleicht so einen erlebt - und denkt sich, wie lustig es wäre, wenn so etwas aus der Ich-Perspektive gebracht wird.

Immer schwingt etwas vom Autor, denn immer weiß man: das alles zu erzählen, das war ihm die Mühe des Schreibens, Überlegen und Aufführens wert. Wir mögen herausfinden, dass der Autor ein kritischer Geist sei - vielleicht auch ein träumerischer. Naturverbunden oder eher Stadtmensch, voller Selbstzweifel oder absolut von sich überzeugt.

Würde man meine Werke alle anschauen, würden sich sicher auch Gemeinsamkeiten finden lassen, die etwas über mich aussagen. Ich erinnere mich auch, als ich bei einer Jamsession mal angesprochen wurde, dass ich immer nur Liebeslieder spiele - mir war das eigentlich nicht aufgefallen, aber als ich später darüber nachdachte, sah ich, dass ich dieses tatsächlich sehr intensive Thema für mich sogar schon in so etwas lockeres wie eine Jamsession eingebracht hatte.

Ich finde deine Frage insofern überraschend, weil in meinen Augen es dutzende Beispiele gibt für das "Schlüpfen in fremde Häute": so viele Autoren, die aus der Ich-Perspektive über den Serienmörder oder den Selbstmörder schreiben; so viele Schauspieler, die in komplett andere Rollen schlüpfen müssen; Interpreten anderer Werke, die das fremde Gefühl (mit dem eigenen ergänzt, aber trotzdem) vermitteln wollen… Und genau Songschreiber sollen da ausgenommen sein?

Du siehst, ich beantworte deine Frage mit einem eindeutigen "Ja". Und zuletzt eine kleine Gegenfrage: ist es so leicht festzustellen, was du bist und was nicht? :redface:)
 
Darf ich, wenn ich einen Text schreibe, versuchen mich in ein Lyrisches Ich zu versetzen, das mit mir nichts gemein hat?
Hi Diavor,
hab leider im Moment permanenten Zeitmangel, daher nur eine kurze Antwort: Klar! Ich mach das fast immer so ;)
Meistens geht dem eine eigene Erfahrung voraus, aber im Grunde begreife ich mich eher als 'Storyteller'. Dichte was dazu, das macht es interessanter.. und dann gleiche ab ob es so hätte sein können - und wenn's nur im Traum ist. Da steckt noch genug von dir drin.

LG
 

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