Doku: Kunstharzbeschichtung von Fretless-Griffbrettern

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Wer seinen Bass auf Fretless umbauen lässt, steht danach auch vor der Aufgabe sich auf Flatwoundsaiten umzustellen. Das kann anfangs für ein ungewohntes Klang- und Spielgefühl sorgen, aber bleibt man bei Roundwound, gibt es schnell fiese Schäden und Markierungen im Griffbrett - besonders bei Palisander- und Ahorngriffbrettern, wie sie bei E-Bässen häufig verwendet werden.

Mit der hier erklärten Kunstharzbeschichtung lässt man nicht nur die vorhandenen Schäden verschwinden, sondern erhält zusätzlich eine Deckschicht, die etwas verschleißfester ist als ein reines Palisander- oder Ahorngriffbrett.

Leider habe ich diesmal nicht den kompletten Weg fotografiert, aber prinzipiell ist die Arbeit einfach und selbsterklärend....

Voraussetzung für eine Kunstharzbeschichtung natürlich ein hart aushärtender Kunstharz. Meine Empfehlung an dieser Stelle ist ein Beschichtungsharz aus dem Aquarienbau (E45TM), der dünnschichtig sehr hohe Härtegrade erreicht oder auch der Allzweckharz "L". Uhu Endfest gibt es auch in etwas größeren Gebinden und ist umfangreich dokumentiert - diese Harzkombination lässt sich nach "Rezept" auch so "einstellen", dass er sehr hart wird.

Als zweites sollte man sich über das Verhältnis aus Optik und Verschleißfestigkeit Gedanken machen. Wer auf die Optik wert legt, sollte den Harz pur verwenden und später oder bei Verschleiß nacharbeiten. Verschleißfester wird die Beschichtung, wenn man feinste Glasfasern (gibt es als Pulver zu kaufen) hinzu misch, allerdings wird die Schicht mit Zugabe von Glasfasern zunehmend milchiger.

Hat man das soweit geklärt, kann es auch schon los gehen.

Schritt 1: Entfetten und Entlacken

War so ein Instrument eine Weile im Einsatz, wurde früher oder später mal das Griffbrett geölt. Das Öl muss natürlich restlos raus, sonst hält der Harz nicht. Das kann man nach dem fertigen Entfretten einfach mit Aceton erledigen. Ein Tuch darin tränken und mehrfach das Griffbrett damit reinigen. Es lohnt auch das Griffbrett anschließend nochmal mit einem Radienschleifklotz anzurauhen und nochmal leicht abzurichten.
Hat man ein lackiertes Griffbrett schleift man es einfach mit auf das Holz herunter.

Schritt 2: Harz auftragen.

Der Harz wird nach Rezept angemischt... lieber etwas mehr, als man braucht, damit die Mixtur toleranter auf Abweichungen reagiert. Man braucht quasi nur einen Teelöffel voll pro Schicht, d.h. hier wird man um ein wenig Verschwendung nicht herum kommen.
Anschließend wird eine Lappenspitze damit getränkt und in einer dünnen Schicht (ähnlich wie beim Ölen von Holz) auf dem Griffbrett verteilt und einmassiert. Wer dickschichtiger arbeitet, kann die honigartige Mischung auch mit dem Finger (Gummihandschuhe tragen) auf dem Griffbrett verteilen. Arbeitet man dickschichtig, geht der Schichtaufbau zwar schneller, aber das Harz kann auch an den Griffbretträndern herunterlaufen!!! Außerdem wird sich das Harz an verschiedenen Stellen sammeln und es entstehen verstärkt Höhen und Tiefen, die später herausgeschliffen werden müssen.

Nach dem Auftragen der Schicht wartet man, bis das Harz sehr zähflüssig/cremig wird. Ein guter Indikator ist der Rest der Mischung im Becher. Dieses Zeitfenster kann eventuell sehr klein sein, daher sollte man wachsam bleiben. Ist dieser Zeitpunkt gekommen, massiert man die Schicht mit dem Finger (Gummihandschuh!!!) etwas glatt um das Harz nochmal gleichmäßig zu verteilen.

Anschließend heißt es 24h warten.

Das ganze wiederholt man bei der Lappentechnik 8 mal, beim Fingerwischen 4 mal.

Man sollte nicht erschrecken, wie hässlich das ganze anfangs wird :D ....das ist völlig normal, denn Harze trocknen selten als spiegelglatter Film aus.

IMG_0678.JPG


Schritt 3: Feinschliff

Radienschleifklotz in die Hand genommen und losgeschliffen (der Griffbrettradius sollte natürlich vor dem Einharzen bekannt sein ;) ). Man beginnt mit 100er und wird dann feiner, bis man irgendwann bei 1000er-1500er ankommt. Man beachte, dass wir nicht wirklich Material abtragen wollen, sondern nur eine ebene Oberfläche erzeugen wollen. D.h. man wechselt zur nächsten Stufe, sobald sich ein einheitliches (der jeweiligen Körnung angemessenes) Schliffbild ergibt.

Es muss übrigens unbedingt mit Wasser bzw. nass geschliffen werden, da der Schleifstaub von Harzen sehr schnell das Papier zusetzt und dann unschöne riefen in die Oberfläche zieht.

Anschließend wird dann noch mit 000 und 0000er Stahlwolle verfeinert.

Wer es sehr glänzend mag, kann noch zusätzlich polieren.


Schritt 4: Versiegeln

Geschliffene Harzoberflächen sind immer etwas milchig und vor allem sehr, sehr griffig. Das sieht nicht nur hässlich aus (Fettfinger sind sofort zu sehen), sondern ist auch beim Spielen etwas unnatürlich. Dazu kommt, dass Harze zwar Druckstabil sind, aber empfindlich auf Reibung reagieren. Für einen feinen "glide" und dazu auch noch für ein wenig Endhärte und Abriebschutz sorgt eine Hartwachsbeschichtung. Hier kann man zwar auch die normalen Holz-Hartwachse nehmen, allerdings haben wir hier keine Holzschicht, sondern eine Kunststoffbeschichtung. Es bieten sich also auch Wachse an, die für Kunststoffbeschichtungen geeignet sind.

Ich verwende spezielle "Tuningwachse" aus dem Automobilbereich. Die bekommt man nicht im Baumarkt, aber in speziellen Versandhäusern.... das sind wachse, die auf höchste Beanspruchung ausgerichtet sind und extrem dünne, harte Schichten bilden. Der Vorteil ist, dass man sie auch wunderbar als Pflegemittel für beschichtete Griffbretter verwenden kann.

Meine persönlichen Perfektionsanspruch erfült dabei dieses Wachs: http://www.lupus-autopflege.de/Zymoel-Titanium-Glaze-226gr

Es gibt aber auch günstigere...


Zu guter Letzt muss die ganze Sache eine Woche ruhen. Auch wenn die Hersteller von 60 Minuten Aushärtzeit reden, dauert es doch locker eine Woche, bis eine Epoxidschicht ihre absolute Endhärte erreicht hat.


Anschließend kann man sich dann über eine perfekte Fretlessoberfläche freuen, die nicht nur ziemlich hart, sondern auch sehr leicht zu pflegen, reparieren bzw. zu erneuern ist.

IMG_0693.JPG IMG_0692.JPG




Grüße,
smartin
 
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Klasse Doku und interessantes Thema, herzlichen Dank. Kekse wollten gerade nicht funktionieren (ich muss erst wieder andere bekeksen), also fühle dich einstweilen virtuell bekekst. Verdient ist es allemal :)

Bernd
 

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