Eckige Notenköpfe bei Scarlatti K.1

mrtheo
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Hi Leute!

Ich habe mir gestern ein neues Stück zum Üben rausgesucht, die Sonate K.1 von Scarlatti, aber ich verstehe nicht so wirklich warum meist eine Stimme in so merkwürdigen eckigen Noten dargestellt wird, und ob man diese dann irgendwie anders spielen soll. Hab sowas vorher noch nie gesehen, hat jemand vielleicht ne Ahnung was das bedeuten könnte?

LG mrtheo
 
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Ist das schon Klavier Notation, nicht vielleicht Violine?

In meiner Literatur (Saxophon) stehen eckige Noten für "false fingerings", also Töne, die mit alternativen Griffen und geändertem Klangspektrum zu spielen sind. Beim Klavier hat man ja kaum die Möglichkeit an der Klangfarbe einzelner Töne etwas zu ändern, bei gleichzeitig angeschlagenen schon gar nicht.
 
Hallo,
Ich habe mir gestern ein neues Stück zum Üben rausgesucht, die Sonate K.1 von Scarlatti, aber ich verstehe nicht so wirklich warum meist eine Stimme in so merkwürdigen eckigen Noten dargestellt wird, und ob man diese dann irgendwie anders spielen soll. Hab sowas vorher noch nie gesehen, hat jemand vielleicht ne Ahnung was das bedeuten könnte?

LG mrtheo

ich vermute so wie das notiert ist, soll das die 2. Stimme von der ersten abgrenzen, die wird dann in
einer anderen Betonung und Lautstäeke gespielt. Ich denke das soll die unterscheidung der Stimmen
erleichtern. Aber vielleicht wissen die Experten mehr.;-)

Michael
 
In anderen Ausgaben (hier: Pierre Gouin) ist diese Stimme im unteren System für die l.H. notiert:

upload_2015-10-19_13-35-37.png

es gibt aber auch eine (Gilbert), in der es im oberen System mit normalen Notenköpfen notiert ist:

upload_2015-10-19_13-37-3.png


Die eckigen Notenköpfe scheinen also herausgeberspezifisch zu sein. Infos dazu findet man wohl allenfalls in den Anmerkungen der Ausgabe. Wahrscheinlich soll es einfach nur zeigen, daß man hier die linke Hand nehmen soll, wäre dann aber von der Notation eher unüblich.

Viele Grüße,
McCoy
 
Hallo,


ich vermute so wie das notiert ist, soll das die 2. Stimme von der ersten abgrenzen, die wird dann in
einer anderen Betonung und Lautstäeke gespielt. Ich denke das soll die unterscheidung der Stimmen
erleichtern. Aber vielleicht wissen die Experten mehr.;-)

Michael


Ich vermute auch, dass es mit der Betonung der unterschiedlichen Stimmen zu tun hat. Jedenfalls ist es das Einzige, was ich via Google gefunden bzw. für mich selbst heraus gelesen habe. Wollte mich aber nicht zu weit raus hängen, da ich davon eigentlich keine Ahnung habe. :embarrassed:
 
Ich vermute auch, dass es mit der Betonung der unterschiedlichen Stimmen zu tun hat.
Das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Daß die Hauptstimme die obere ist, geht aus dem musikalischen Kontext hervor und wird üblicherweise nicht extra notiert.

Üblich wäre:
upload_2015-10-19_14-58-58.png


Viele Grüße,
McCoy
 
Zuletzt bearbeitet:
@mrtheo
Interessant wäre zu wissen, aus welcher Ausgabe Deine Version stammt.

@PianoAmateur :patpat:






:D
Viele Grüße,
McCoy
 
Da steht nur "Free Public Domain Sheet Music", der Herausgeber ist ein gewisser John Sankey.

Ich dachte erst das ist irgendwas artikulationsmäßiges, aber scheint wohl doch ne Eigenart des Herausgebers zu sein.

Danke für die Hilfe ^^

LG mrtheo
 
Aha, das war der richtige Tipp!

John Sankey ist ein Cembalist, der sich offenbar sehr intensiv mit Scarlatti auseinandergesetzt hat. Man findet seine Seite hier: http://www.johnsankey.ca/harpsichord.html
Er hat alle Scarlatti-Sonaten gespielt, viele davon als Midi-File festgehalten. Diese kann man - offenbar mit eigens erstellten Cembalo-Samples - als mp3 hier anhören: https://archive.org/details/JohnSankeyPlaysScarlatti

Aus diesen Midi-Files wurde dann seine Public-Domain-Ausgabe in Form von pdf-Dateien erstellt. http://www.johnsankey.ca/scarlatti/index.html

Die Philosophie seiner Ausgabe habe ich so verstanden:

Als Alessandro Longo die Scarlatti-Sonaten im 19. oder 20. Jh. herausgab, hat er dies als Pianist getan, Scarlatti aber war Cembalist. Die Cembalo-Spieltechnik zu Scarlattis Zeit ist aber eine ganz andere gewesen als die Klavier-Spieltechnik, die vor allem durch Czerny nachhaltig entwickelt wurde. Insbesondere gilt das für die Verteilung der Noten auf die linke und rechte Hand, die in Scarlattis Spiel ganz anders gewesen ist als in Longos - von Czerny beeinflußter - Spielweise.

John Sankey hat nun aus den Scarlatti-Manuskripten die ursprüngliche Verteilung der Noten auf die linke und rechte Hand herausgelesen und in seiner Ausgabe gekennzeichnet. Die Noten für die linke Hand sind in eckigen Noten geschrieben, die für die rechte Hand in normaler Notation.

Hier ein Zitat aus Sankey Seite:
http://www.johnsankey.ca/scarlattimus.html

Sankey schrieb:
In the original manuscripts of the Scarlatti sonatas, notes are divided between the two staves at middle C, not to indicate whether the right or left hand should be used. Note stem directions were mostly chosen for maximum readability of the score. The apportionment between hands in the Longo edition was done by Longo, writing as a piano player long after Scarlatti's style had fallen into disuse, and omits most of the hand assignments explicitly written in Scarlatti's original texts, let alone showing the variety of hand-over-hand variations natural to his music. This edition presents the results of my study of Scarlatti, by writing out not only the hand crossings explicitly written in the manuscripts, but also examples of alternative hand crossings in the styles I consider Scarlatti likely used while playing. These alternatives are firmly based on my study of all the 555 sonatas, and of the keyboard techniques of Scarlatti's time used on single-manual harpsichords of his time.

Wow, das finde ich hochinteressant. Die Handsätze seiner Ausgabe sind wirklich ausgesprochen ungewöhnlich, aber unter den Aspekten, die er beschreibt, durchaus nachvollziehbar.

Mal ein Beispiel: Wenn mit der rechten Hand ein Intervall im Baß-Bereich gespielt werden soll, spielt der Daumen den höheren(!) Ton, der Zeige- oder Mittelfinger den tieferen. Der Arm hat dabei eine parallele, keine rechtwinklige Position zur Tastatur. Läufe werden dann so gespielt, als wenn die Finger Beine wären und auf der Tastatur herumgehen. Kinder machen das manchmal so, wenn sie unbedarft an ein Klavier gesetzt werden.

@mrtheo Danke für die interessante Frage! Wieder viel gelernt dabei. :)

Viele Grüße,
McCoy

Edit:
Unter einer anderen Sonate (K.176) seiner Ausgabe gefunden:
Notes with oval heads may be played with the right hand, those with diamond heads with the left.

Unter der K.1 steht es leider nicht darunter.
 
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Oh das ist wirklich extrem interessant!

Passt auch ganz gut damit zusammen, dass ich bei der Sonate auf interpretatorische Schwierigkeiten stoße (sofern man davon schon reden kann, weil ich grad noch einhändig bei den ersten Takten unterwegs bin ^^), die Sonate ist eigentlich schon allein vom anhören her voll Cembalo, also eigentlich ein Vorzeigestück für dieses Instrument, und es wird mir bestimmt schwerer fallen, sie auch auf Klavier wohl erklingen zu lassen als die wenigen Inventionen und Sinfonien, die ich vorher gespielt habe. Vielleicht fehlt mir da noch ein bisschen das Rüstzeug.

Aber diese Cembalo-Spieltechnik zu Scarlattis Zeiten finde ich sehr faszinierend, und hat mir grad auch echt Lust auf Cembalo-Unterricht gemacht :D

Macht es eigentlich Sinn so auf dem Klavier zu spielen, oder sollte ich mich dann doch besser an Longo bzw. Pianistenausgaben halten? Ich würde es aus reinem Interesse gerne so spielen, aber immerhin ist das Cembalo ja auch ein ganz anderes Instrument, und im Klavierunterricht kam sowas jetzt auch nicht unbedingt vor ^^

Aus Klavierschülersicht finde ich das alles zwar etwas verwirrend, aber dennoch hochinteressant.

Mal ein Beispiel: Wenn mit der rechten Hand ein Intervall im Baß-Bereich gespielt werden soll, spielt der Daumen den höheren(!) Ton, der Zeige- oder Mittelfinger den tieferen. Der Arm hat dabei eine parallele, keine rechtwinklige Position zur Tastatur. Läufe werden dann so gespielt, als wenn die Finger Beine wären und auf der Tastatur herumgehen. Kinder machen das manchmal so, wenn sie unbedarft an ein Klavier gesetzt werden.
Danke für das einleuchtende Beispiel! Ich glaube als Kind habe ich tatsächlich auch so geklimpert, im Nachhinein schon erstaunlich dass dies im ausgereiften Zustand sogar eine Spieltechnik sein kann. Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, ist man dann auch mehr aufs Hände überkreuzen angewiesen. Ich habe mal irgendwo gelesen Scarlatti war darin ein richtiger Meister, aber jetzt verstehe ich es erst irgendwie so richtig.

Erfreulich dass der Thread auch abgesehen von der Notationsfrage so viele neue Erkenntnisse gebracht hat und ich bedanke mich bei @McCoy für die umfangreiche Recherche :)

LG mrtheo
 
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Ich persönlich wüerde mich jetzt eher an die heute üblichen Klavier-Fingersätze halten. Die Sankey-Handsätze sind eher etwas für Alte-Musik-Freaks, die auf historische Aufführungspraxis stehen. Ich finde es natürlich hochinteressant, das mal auszuprobieren und etwas über die Geschichte der Klavierspieltechnik zu lernen, aber üben wollte ich das jetzt nicht. Man müßte auch erst ausprobieren, ob das auf dem Klavier überhaupt funktioniert. Und Scarlatti klingt ja auch auf dem Klavier toll:



Viele Grüße,
McCoy
 
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Ich habe die Sankey-Handsätze jetzt auch begraben, bekomme ich persönlich auf dem Klavier nicht hin, u.a auch wegen der Anschlagsdynamik, da konnte ich auf die Art nicht vernünftig phrasieren usw. hängt wahrscheinlich damit zusammen dass ich mein Armgewicht sehr viel schlechter einsetzen konnte als beim klassischen Klavierspiel und diese Technik eher auf die Finger geht. Ansonsten habe ich festgestellt dass Hände überkreuzen eine große Baustelle bei mir ist, das wird jetzt bald mit anderen Stücken trainiert. Werde jetzt also mit pianistischen Fingersätzen weitermachen.

Falls ich mal ein Cembalo besitzen sollte werde ich aber darauf nochmal umlernen, das ist es mir wert ^^

Horowitz' Interpretationen der Sonaten auf dem Klavier sind legendär, wenn ich das irgendwann mal so 10% hinbekommen würde, wäre ich ein glücklicher Mensch :D
 
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