Aha, das war der richtige Tipp!
John Sankey ist ein Cembalist, der sich offenbar sehr intensiv mit Scarlatti auseinandergesetzt hat. Man findet seine Seite hier:
http://www.johnsankey.ca/harpsichord.html
Er hat alle Scarlatti-Sonaten gespielt, viele davon als Midi-File festgehalten. Diese kann man - offenbar mit eigens erstellten Cembalo-Samples - als mp3 hier anhören:
https://archive.org/details/JohnSankeyPlaysScarlatti
Aus diesen Midi-Files wurde dann seine Public-Domain-Ausgabe in Form von pdf-Dateien erstellt.
http://www.johnsankey.ca/scarlatti/index.html
Die Philosophie seiner Ausgabe habe ich so verstanden:
Als Alessandro Longo die Scarlatti-Sonaten im 19. oder 20. Jh. herausgab, hat er dies als Pianist getan, Scarlatti aber war Cembalist. Die Cembalo-Spieltechnik zu Scarlattis Zeit ist aber eine ganz andere gewesen als die Klavier-Spieltechnik, die vor allem durch Czerny nachhaltig entwickelt wurde. Insbesondere gilt das für die Verteilung der Noten auf die linke und rechte Hand, die in Scarlattis Spiel ganz anders gewesen ist als in Longos - von Czerny beeinflußter - Spielweise.
John Sankey hat nun aus den Scarlatti-Manuskripten die ursprüngliche Verteilung der Noten auf die linke und rechte Hand herausgelesen und in seiner Ausgabe gekennzeichnet. Die Noten für die linke Hand sind in eckigen Noten geschrieben, die für die rechte Hand in normaler Notation.
Hier ein Zitat aus Sankey Seite:
http://www.johnsankey.ca/scarlattimus.html
Sankey schrieb:
In the original manuscripts of the Scarlatti sonatas, notes are divided between the two staves at middle C, not to indicate whether the right or left hand should be used. Note stem directions were mostly chosen for maximum readability of the score. The apportionment between hands in the Longo edition was done by Longo, writing as a piano player long after Scarlatti's style had fallen into disuse, and omits most of the hand assignments explicitly written in Scarlatti's original texts, let alone showing the variety of hand-over-hand variations natural to his music. This edition presents the results of my study of Scarlatti, by writing out not only the hand crossings explicitly written in the manuscripts, but also examples of alternative hand crossings in the styles I consider Scarlatti likely used while playing. These alternatives are firmly based on my study of all the 555 sonatas, and of the keyboard techniques of Scarlatti's time used on single-manual harpsichords of his time.
Wow, das finde ich hochinteressant. Die Handsätze seiner Ausgabe sind wirklich ausgesprochen ungewöhnlich, aber unter den Aspekten, die er beschreibt, durchaus nachvollziehbar.
Mal ein Beispiel: Wenn mit der rechten Hand ein Intervall im Baß-Bereich gespielt werden soll, spielt der Daumen den höheren(!) Ton, der Zeige- oder Mittelfinger den tieferen. Der Arm hat dabei eine parallele, keine rechtwinklige Position zur Tastatur. Läufe werden dann so gespielt, als wenn die Finger Beine wären und auf der Tastatur herumgehen. Kinder machen das manchmal so, wenn sie unbedarft an ein Klavier gesetzt werden.
@mrtheo Danke für die interessante Frage! Wieder viel gelernt dabei.
Viele Grüße,
McCoy
Edit:
Unter einer anderen Sonate (K.176) seiner Ausgabe gefunden:
Notes with oval heads may be played with the right hand, those with diamond heads with the left.
Unter der K.1 steht es leider nicht darunter.