[Effekt]: Fredric Effects Harmonic Percolator – ein verrücktes Fuzz-Pferd

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Die Suche nach dem richtigen Zerreffekt kann man ja eigentlich ein Gitarristenleben lang betreiben und ist trotzdem nicht fertig geworden. Ich bin dessen langsam müde und spiele deshalb ganz gerne clean ;) Reicht aber nicht immer, und daher hier mal ein Bericht zu meinem neuesten Versuch.

Gesucht war diesmal kein Booster / Overdrive / Distortion, sondern ein „old school Fuzz“ das man in rumpeligem 60s garage beat einsetzen kann. Da hatte ich schon diverse moderne Geräte im Einsatz. So ein Fuzz-Factory-Klon kann zwar verrückte Sachen, ist aber im Charakter für meine Zwecke etwas zu steril, und so viele Knöppe kann ich einfach nicht brauchen. So ein Dunlop Fuzz Face Reissue ist nett, aber irgendwie langweilig. Das klingt immer wie „Revolution“ von den Beatles.

Außerdem bin ich in meiner Freizeit auch Neil Young Fan, und höre mir so was daher auch gerne mit der „Bloom-Brille“ an. Vielleicht kann ja ein Pedal dieses brutale 5e3-Komprimieren nachbilden? Das, wo die Signalspitze sich ihren Weg durch eine Noise-Wolke bahnt und Dir dann wie ein Pfeil in Zeitlupe ins Ohr schießt.

Durch Zufall stieß ich auf den Harmonic Percolator Klon von Fredric Effects. Der Harmonic Percolator Klon ist ein
clone of the Interfax Harmonic Percolator overdrive/distortion, an oddball asymetrical clipping pedal popularised by Steve Albini of Shellac.
Aha.

Fredric Effects ist ein Londoner Einmannbetrieb, entstanden wohl aus der Idee, dass jeder elektronisch begabte Mensch ein Pedal bauen kann (also ich nicht …) Er hat sich spezialisiert auf eher seltsame Effekte, wie zB dieses, und experimentiert gern mit neuen Lackierverfahren und selbst produzierten Platinen für Kleinserien, und unterschiedlichen Komponenten. Das Zeug ist nicht ganz billig mit 60-100 £, aber im vergleich zu anderen Bastlern, die sich Boutique schimpfen, noch recht fair gepreist.
So wird der Harmonic Percolator in 3 Versionen angeboten, einmal „Standard“ (£70), dann „vintage correct“ und dann als Luxusversion mit teuren Transistoren, Schaltern und Noise Reduction.

new_percolators.jpg


Features+ Verarbeitung
Auf meinem Tisch liegt die Standard-Version in beige. Das übliche „MXR-style“ Hammond-Gehäuse sorgfältig grundiert und lackiert, mit professionell aufgebrachtem Decal. Um eine Batterie einzulegen, muss man die Bodenplatte abschrauben. Dort sieht man saubere Verarbeitung rund um die selbstgefertigte Platine. Große Mustang-Knöpfe stecken auf seriösen Potis, der Schalter schaltet satt und vertrauenerweckend. Hier gibt es nichts zu meckern.

Auf dem Pedal befinden sich Regler für Gain („harmonics“ und Volume („balance“) sowie ein Kippschalter, mit dem im geklonten Pedal serienmäßig aktivierte Clipping-Dioden deaktiviert werden können. Dies soll zusätzliche Soundoptionen bewirken.

Klang
Im ersten Moment war ich etwas enttäuscht, denn ich hatte gehofft, mit dem Kippschalter eher Richtung Overdrive zu kommen. Das ist nicht der Fall, das Signal wird lauter und (ein ganz klein wenig) offener, verändert aber nicht den Grundcharakter. Und der ist ein dreckiger, antiquiert 60er-mäßig klingender Fuzz-Ton. Was ist nun anders als beim Dunlop / Dallas Arbiter Fuzz Face? Ich würde sagen, dieses Ding hier klingt weniger rund, hat deutlich mehr „grind“. Der augenfälligste Unterschied ist aber, dass der Zerrgrad viel geringer ist, man kann hier sehr weit in den cleanen Bereich runterregeln, und damit ein sehr dynamisches Verhalten erreichen, auf Anschlag klingt das Signal dafür weit weniger überladen als bei vielen anderen Fuzzes. Am interessantesten aber: Das Signal wird zwar komprimiert, aber nicht mit jeder Menge Sustain aufgeblasen und angedickt.

Man kann also in einer dezenten Einstellung einen etwas angeschmutzten Boost-Effekt erzielen, irgendwo in der Mitte hat man den typischen 60s- Rumpelfuzz und auf Anschlag?

Nunja … Ich habe das Geheimnis von Neil Young entdeckt, und das koste ich jetzt natürlich aus :D Das ist ziemlich exakt dieser „Bloom“, mit dem sich 99% aller Treter extrem schwer tun. Ziemlich klasse. Wer so was will und z.B. das Durham Crazy Horse in Betracht zieht, sollte sich überlegen, ob er hier nicht eine preiswerte Alternative vorfindet, wenn er auf den einblendbaren Overdrive verzichten kann.

Wermutstropfen: Die Grundlautstärke des Pedals ist eher bescheiden, viel Reserve nach oben hat man nicht, insbesondere mit aktivierten Clipping-Dioden. Das ist ausreichend, aber neigt bei „gewohnter“ Einstellung dazu, unter dem Clean-Signal zu liegen. Und das will ja meistens keiner. Auch ist bei Vollgas der Rauschpegel ziemlich hoch.

Fazit

Ein schräges Teil, ein echtes Nischenprodukt Handmade in England. Ein verrücktes Pferd. Wer ein vielseitiges Fuzz mit modernen Sounds sucht, ist hier falsch. Wer aber eher Vintage-Sounds erzeugen will und ein Fuzz-Face zu gewöhnlich, ein Big Muff zu brav und manche anderen exotischen Lärm-Maschinen zu extrem findet, könnte hier fündig werden.
 
Eigenschaft
 
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Reaktionen: 8 Benutzer
Danke für das Review, bin gerade über das Pedal gestolpert und habe ein paar infos gesucht und da kam deine Review sehr gelegen! DANKE!
 
Dankeschön,
das könnte ja mal genau das richtige für mich sein!
Es gibt ja auch einen prominenten Vertreter dieses Pedals.
Ich habe mir dazu nochmal "Steve Albini" von "Shellac" angesehen,
der neben seiner Bandtätigkeit offensichtlich ein beliebter
Produzent ist.
gemather
 
Neuigkeiten:
Ich war so angetan, dass ich mir den "Standart", in english "Utility", in neu ersteigert habe bei eBay.
Er hat einen russischen Germanium Transistor in Kombination mit zwei Silicon Transistoren
und russische Silicon clipping Dioden.
Ich hoffe, ich werde zufrieden sein.
gemather
 
Hi,

hast Du das Pedal inzwischen? Wie gefällt es Dir?
 
Hi,
Ich habe es sofort in mein Setup übernommen und da bleibt es auch.
Es lässt sich prima kombinieren und macht jedes andere Effektpedal
schöner. Und es hat dieses gewisse "verruchte", was ich immer schon
gesucht habe.
 

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