Erfahrungsbericht: Headset Mikro auf der Bühne

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Nachdem ich nun mehrere Jahre überwiegend mit Headset auf der Bühne unterwegs bin, wollte ich mal meine Gedanken und Erfahrungen hier darlegen:

1. Warum und wann ist ein Headset sinnvoll und besser geeignet als ein Handmikro oder Mikro auf einem Stativ?
  • wenn ich kein Instrument spiele, nur singe und eine Hand frei habe, ist das Handmikro sicher die beste Wahl. Ich hab es immer dort, wo ich es benötige, und kann am besten den Abstand zum Mikro kontrollieren
  • Spiele ich ein Instrument, wofür ich beide Hände benötige, ist das Handmikro keine Option, da wäre der erste Weg das Mikro auf einem Stativ. Das bedeutet aber, ich muss mich vor diesem Stativ platzieren, und muss auch - vor allem bei Mikros mit Nierencharakterisitik - darauf achten, dass ich auch gerade in das Mikrofon singe. Ein Blick nach unten, auf den Text, die Noten, oder auf die Finger, um mein Spielen zu kontrollieren, führt dazu, dass die Dynamik bei der Übertragung der Stimme leidet.
  • ein Headset macht alle Kopfbewegungen mit, nach unten, nach oben, zur Seite, und der Abstand und Richtung zur Mikrofon-Kapsel bleibt immer gleich
  • Auch Sänger mit viel Show- gerade Tanzeinlagen nutzen gerne ein Headset, um die Hände frei zu haben, zumal sie sich auch auf der Bühne bewegen und dann ein Mikrofon auf Stativ auch keine Option ist.
2. Welche Anschlussoptionen?
Jedes Headset - zumindest mir bekannte - benötigt eine Stromversorgung. Die bekommt es entweder
  • kabelgebunden über eine 48V Phantompower vom Pult (soweit es das Mikrofon in dieser Ausführung gibt, oder
  • über einen batteriebetriebenen oder über 48V mit Strom versorgten Speiseadapter, manchmal als Bodypack verfügbar
  • oder wie meistens üblich, wenn drahtlos betrieben, über den Sender, der i.d.R. als Bodypack ausgelegt ist
3. Wenn Headset, dann drahtlos. Warum?
  • Das Headset sitzt fest auf dem Kopf, und selbst, wenn das Kabel lang genug ist, Du trittst drauf, reißt Dir dabei das Headset vom Kopf,
  • ...oder der Klassiker, Du vergisst das Headset, dass an Dir ein Kabel hängt, dass Du beim Weggehen aus dem Amp, der Stagebox, dem Rack, oder wo immer Du es angeschlossen hast, rausreißt. Glaubt es mit
  • Selbst wenn Du es mit kabelgebundenem Speiseadapter in Form eines Bodypack betreibst, bleibt das feste Kabel, nur dass Du dann vielleicht nicht das Headset direkt, sondern am Bodypack reißt, das dann das Headset vom Kopf reißt, wenn man zu stark über das Kabel stolpert oder zieht.
  • Bei drahtlosen Systemen hast Du das Bodypack üblicherweise am Körper und kannst Dich ohne Probleme ungebunden bewegen
  • ich hatte ein AKG 420 mit XLR Anschluss. Das musste ich kürzlich entsorgen, weil das dünne Kabel, das letztlich in einem XLR-Stecker endet, nicht ausreichend Zugentlastung liefern konnte. Eine Reparatur hab ich nicht hinbekommen, weil es nicht einfach nur zwei Drähte sind, die im XLR Stecker angelötet werden, sondern da sitzt ne kleine Platine drin.
4. Welche Charakteristik?
Hier streiten sich die Gemüter.
  • Kugelcharakteristik liefert bessere Sprachübertragung, wird überwiegend bei Fernsehsprechern, Talkshows etc. eingesetzt, aber auch auf Bühnen z.B. Theater, Musicals etc. Wird die Umgebung lauter, z.B. Rockbühnen, mit Monitoren auf der Bühne, wird ein Mikro Kugelcharakteristik zu schwierig vom Handling, weil zu viel Außengeräusche aufgefangen werden, und man nur schwer Feedback-Probleme in den Griff bekommt.
  • Hier kommen dann eher Mikrofone mit Nierencharakteristik zum Einsatz
Ich bin persönlich auf die Idee gekommen, ein Headset einzusetzen, weil ich als Keyboarder zwei Keyboards vor mir, und hin und wieder noch ein Keyboard neben mir hatte. Da war das immer problematisch mit der Mikropositionierung über ein Stativ. Dann kam dazu, dass ich alternativ zum Keyboard auch mal zur Gitarre gegriffen hab. Schon war es wieder schwierig mit der Positionierung des Mikros, wenn es gerade halbwegs passend für die Keyboards stand. Der Vorteil des Headsets - vor allem drahtlos betrieben - war, dass ich mich um die Positionierung des Mikro-Stativs keine Gedanken mehr machen musste, sogar den statischen Platz hinter den Keyboards verlassen konnte, wenn ich Gitarre spielte, und da ich auch die Gitarre über Sender spielte, mich auf der Bühne frei bewegen konnte.
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Meine persönliche Empfehlung ist ein AKG. Angefangen hab ich mit dem C420 und bin dann auf den Nachfolger C520 umgestiegen, der vom Tragekomfort noch etwas angenehmer ist. Um mal eins mit Kugelcharakteristik zu testen, hab ich mir ein C477 besorgt, das ging aber auf der lauten Rockbühne gar nicht. Nicht nur die Einstreuung von den Monitoren, sondern auch von der PA waren nicht in den Griff zu bekommen. Es war auch weniger das übliche 'Pfeiffen' bei den 2 oder 6kHz, sondern im Bassbereich.
Zwischenzeitlich hab ich mal ein Sennheiser ME3 probiert, das gefiel mir vom Tragekomfort, trägt aber ziemlich auf, aber ging gar nicht von der Feedbackanfälligkeit, trotz Nierencharakterisitik. Ebenso das Shure WH20, das mir soundmäßig überhaupt nicht gefiel. Keine Transparenz, und beim Nachregeln am EQ sofort Feedback Probleme. Dann hatte ich mal die Gelegenheit, ein dpa zu testen, was ja das non-plus-ultra sein sollte, also quasi Mercedes unter den Headsets, was man auch am Preis sieht. Und weil ich ja nun schon die Erfahrung mit Kugelcharakteristik gemacht hatte, hatte ich mir auch das 4088 besorgt. Und obwohl ich mittlerweile schon ohne Bühnenmonitor unterwegs bin, meinen Monitor über in-Ear fahre, kam ich mit dem dpa überhaupt nicht klar. Der gut 5m entfernte Monitor vom Drummer hat das Mikro bereits zum Pfeifen gebracht, und ich hab das einfach nicht in den Griff bekommen. Das AKG wieder angeschlossen, und das Feedback Problem war weg. Ich will das dpa jetzt nicht schlecht reden, mit ein wenig mehr Zeit und Aufwand hätten wir das bestimmt zufriedenstellend zum Laufen gebracht, gerade wenn ich andere Bewertungen lese, die das Mikro loben, auch was die Feedback-Festigkeit angeht. Aber wenn ich schon so viel Geld ausgebe, muss das schon passen. Und was mich am Ende davon abgehalten hat, mehr Zeit in das Einstellen des dpa zu stecken, war dass es mir mechanisch zu filigran ist. Sicher sitzt es, wenn man es denn mal aufgesetzt und justiert hat, aber das ist im Vergleich zum AKG umständlicher und aufwendiger. Das mag bei einem Musical oder Theater-Einsatz vielleicht nicht die Rolle spielen, aber gerade bei der Tanzmucke, wo wir nur kurze Sets spielen, nervt das. Und letztlich bekomme ich für den Preis eines dpa fast drei AKG C520. Und es sollte schon das C520 sein. Das günstigere 544 oder 555 sind nicht für die Bühne, auch wenn es Nieren sind. Für Sport und Spaß mögen sie ausreichend sein. Und da sollte man auch bei anderen Marken und Typen drauf achten. Sobald da vom Einsatzbereich etwas von Sport und/oder Aerobic steht, sollte man vielleicht eher Abstand nehmen.
Anfangs hatte ich ein AKG WMS System für die Übertragung. Das hatte allerdings nur eine feste Frequenz. Mittlerweile bin ich auf ein t-bone free solo Set umgestiegen. Das passt mit dem AKG C520L, das den passenden TQ3 Stecker hat, bestens.

Allgemeine Bedenken:
  • Dynamikverlust, weil man während des Singens den Abstand zum Mikrofon nicht variieren kann.
    sicher, da ist was dran, hat sich bei mir aber bislang nie als Problem dargestellt, und ich singe viel, und sehr unterschiedlich, mal leise und tiefe Passagen, wo man üblicherweise näher an das Mikro geht, und dann wieder sehr laute Passagen, bis hin zu Schreien, wo der Abstand zum Mikro vergrößert werde sollte. Funktioniert bei mir aber problemlos, bei gleichem Abstand, klar ist da ein gewisser Kompromiss mit verbunden.
  • Niesen und Husten:
    klar, bei 'normalem' Mikro drehst Du einfach den Kopf zur Seite, beim Headset hältst Du einfach die Hand vor den Mund, was man ja eh sollte ;)
Resümee nach mittlerweile 10 Jahren Headset-Einsatz:
  • Mein Neumann KMS 105 klingt natürlich ohne Frage besser als das AKG C520, auch mein Sennheiser E965, auf das ich zurückgreife, wenn ich nur als Sänger und drahtlos unterwegs bin, ist klanglich eine andere Klasse. Das bemängeln hin und wieder meine Mitmusiker hin und wieder, mit denen ich seit vielen Jahren unterwegs bin, und die einen direkten Vergleich zu meinen anderen Mikrofonen haben
  • Als Instrumentalist muss das Mikro auf ein Stativ, und da muss ich halt darauf achten, dass ich da immer exakt im geringen Abstand reinsinge. Und das bekomme ich nicht immer hin, was meine Mitmusiker auch immer wieder bemängeln
  • Vor allem wenn ich die Instrumente auf der Bühne wechsle, ist der Einsatz eines Headsets prädestiniert
 
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Kekse gehen leider gerade nicht :(

Sehr informativer Bericht, danke dafür. Auch wenn ich jetzt gerade leichtes Mikro GAS entwickle ;)
 
ich nutze diese Funkstrecke:
Hab mich bewusst für die 1.8 GHz Version entschieden, weil wir bereits 4 Funkstrecken im 800er Bereich, sowie 2 Funken im 2.4GHz Bereich nutzen und bei Bedarf noch 4 Funkstrecken im 600er Bereich. Ein Rauschen hab ich bislang noch nicht feststellen können. Die beiden Mignon Batterien halten ewig. Lediglich an dem Gehäuse des Bodypacks erkennt man den Preis, wenn man es mit den Bodypacks von Sennheiser vergleicht.
 
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