Imo ist es ein himmelweiter Unterschied ob man eine klassische Charakterentwicklung kreativ und intelligent umsetzt (wie es eben die alten Star Wars Teile oder auch Matrix I oder 90% aller anderne guten Filme machen) oder ob man wirklich jeden noch so blöden Trick einsetzt um eine Emotionalisierung zu erreichen.
Nur wo liegt jetzt die Grenze zwischen klassischer Charakterentwicklung und blödem Trick? Man könnte es doch ebenso als einfallsloser betrachten, je mehr man in archetypische Figurenkonstellationen fällt (Star Wars, Matrix, you name it...), "einfallslos", genauso ist es aber effektiv. Wie bei Avatar. Typ mit Behinderung kommt in Kontakt mit fremder Kultur bzw. einer fremden Welt, lernt dadurch, dass er etwas über diese Kultur lernt, Dinge über sich selbst, die er nicht wusste, beginnt auf einmal, mehr Verantwortung zu übernehmen, verliebt sich in ein Wesen/eine Person dieser fremden Welt...das sind halt alles die Bausteine, die, wenn man sie passend ineinandersteckt, klassische Spannungsbögen ergeben, die fast jeder gut findet. Ganz einfach, weils ne Geschichte von nem arschnormalen Typen ist, der mal noble und mal unüberlegte Entscheidungen trifft und sich in ungewöhnlichen Umständen zurechtfinden muss.
In dieser Hinsicht gibt es eine verhältnismäßig große Deckungsgleichheit mit Der mit dem Wolf tanzt, aber dem Film wird ja auch nicht vorgeworfen, mit blöden Tricks zu arbeiten, nur weil er nicht in einer eigens konzipierten Umgebung stattfindet.
Es ist im Grunde genommen ja auch Sinn der Sache, mich mit nem "blöden Trick" in den Film einzubinden. Mir werden Dinge erzählt, die nicht der Realität entsprechen, damit ich mich möglichst intensiv in einer Illusion verliere.
Ich fand Avatar inhaltlich überhaupt nicht überragend oder spannend oder sowas, dennoch solide. So wie eigentlich alle Drehbücher von Cameron sind, wenn nicht besser. Es gab eine komische Logiklücke bzw. einen Umstand, der im Film schlecht erklärt war, sonst hat mir in Anbetracht der Umstönde substanziell nichts gefehlt. Aber gerade so ein solider Plot eignet sich doch wunderbar als Plattform für ästhetische Neuerungen, die das waren, was mich an dem Film fasziniert hat. Ohne diese Art Reise durch Pandora, die die ersten 80 Minuten des Films dargestellt haben, wäre es unter Umständen sicher etwas langweilig geworden, ja (bei dem einstündigen Rumgeballer hat sich ja außer Explosionen und Munitionsverlust auch nicht viel getan). Bei Titanic ist das ja quasi genauso: Kitschige Romanze, du weißt sogar, dass am Ende der Eisberg kommt, aber der Film schickt dich einfach auf ne Reise durch die Titanic. Und genau für sowas hat Cameron einfach ein Händchen.
Man muss dazu sagen, dass die längste Schnittfassung von Avatar (Extended DVD Cut oder so...) mit Abstand die beste und rundeste ist. Die fand ich sogar in 2D noch geil. Und wenn man Avatar nicht in 3D gesehen hat, dann hat man ihn auch nicht wirklich gesehen.
Ab einem bestimmten Punkt fühle ich mich als Zuschauer einfach nicht für voll genommen.
Mir geht das nur so, wenn man entweder merkt, dass der Regisseur oder Drehbuchautor, die Charaktere einfach selber nicht wirklich versteht oder, wenn es unplausibel wird. Und ich finde das kann man beides Avatar nicht vorwerfen.
Bei Avatar hatten die Figuren nun keinen besonderen Tiefgang, aber flach waren sie keinesfalls. Flach ist ja auch immer noch was anderes als einfallslos.
Ich zB fühle mich bei Nolan oft verarscht (um mal einen anderen populären Autorenfilmer zu erwähnen, der gleichermaßen Filme für große Massen macht). Der hat zwar Ideen, aber die Charaktere finde ich flach bis zum gehtnichtmehr. Ich habe einfach nie das Gefühl, irgendwelche Personen oder Menschen agieren zu sehen, das sind immer irgendwelche wandelnden Konzepte, die aber überhaupt nichts haben, worin man sich irgendwie wiederfinden kann (bei Batman Begins hat mich das nicht gestört, weil der Film eh gar nichts auf der Ebene hatte, sondern sich einzig und allein damit befasst hat, dass die beiden sich Konzepte von Gerechtigkeit um die Ohren gehauen haben). Und mit "wiederfinden" meine ich nicht bloß auf sympathisierender Ebene, den Typen von There Will Be Blood kapiert man spätestens am Ende des Films auch, obwohl man (hoffe ich
) sich nicht mit ihm identifiziert.
Für mich hatten die Figuren, oder sagen wir die Figurenkonstellation, genau das nötige Maß an Tiefgang, um das ganze ästhetische Drumherum darauf spielen zu lassen. Der Sergeant mit den weißen Haaren zB hatte als einzelne Figur nicht viel Tiefe, allerdings hat er auch keine besonders große Rolle gespielt. Wieviel man über ne Figur erfährt, hat halt damit zu tun, wie oft man sie agieren sieht. (Genau da liegt, finde ich, bei Nolan das Problem. Da wird immer nur über die Leute geredet, aber man sieht sie fast nie nach diesen Prinzipien handeln...von wegen show, don't tell...)
Ich kann mich ja auch schlecht beschweren, dass Boba Fett zu wenig Tiefe hat, weil er eben als Figur keine zentrale Rolle spielt. Inwieweit er für Hans Gefangennahme verantwortlich ist, erfährt man in den Filmen ja gar nicht. Vllt wars Zufall, dass er ebenfalls am Weltraummüll geklebt hat, vielleicht Instinkt, vielleicht hatte er auch schon so viel Erfahrung mit Han Solo, dass er weiß, wie dieser denkt, vielleicht hat er seinen alten Kühlschrank gesucht, wer weiß...trotzdem hat er definitiv seine Existenzberechtigung in Star Wars. Auch wenn der Film genauso funktioniert hätte, wenn es Bossk oder IG-88 gewesen wären. Mehr Namen von Kopfgeldjägern fallen mir jetzt nicht mehr ein.