Darf ich fragen was dein persönliches Fazit aus all den Antworten ist.
Da ich in diesem Forum noch nicht so lange bin, kann ich an dem Avatar nicht erkennen, ob hinter dem Beitrag ein Mann oder eine Frau steht, doch mein Eindruck spricht fĂŒr eine Mehrheit mĂ€nnlicher Beitragsverfasser in diesem Thread.
In meinem (langen) Leben habe ich mit vielen Frauen gesprochen und finde sie in der Mehrheit nicht nur wortgewandter, ihre Sprache (und Argumentation) klingt fĂŒr mich deutlich friedlicher als die Sprache der MĂ€nner; hier meine ich Menschen aus meinem Alltag, die keine sprachwissenschaftliche Ausbildung haben. Insbesondere wenn Frauen etwas fordern, finden sie dafĂŒr friedliche Worte.
In der Schreibweise/Wortwahl (professioneller) Schriftsteller und Dichter (beider Geschlechter) konnte ich keinen greifbaren, geschlechtsspezifischen Unterschied feststellen. Aber im Arbeitsalltag haben meine mĂ€nnlichen Mitarbeiter deutlich hĂ€ufiger kernig geflucht (verdammte Sche**e), wĂ€hrend die Frauen ihren Ărger seltener und weicher zum Ausdruck brachten (Mist).
Vor diesem Hintergrund denke ich, daĂ (viele)
MĂ€nner der hĂ€rteren Sprache gegenĂŒber deutlich toleranter sind als (viele) Frauen.
In der Kunst, die sich des Wortes bedient, wie Liedtexte, sehe ich die Wortwahl als Ausdrucksmittel, mit dem man die
Leser/Zuhörer erreichen will, und in einer verdichteten Form auch das Anliegen und seine Dringlichkeit darstellen muĂ. Da
sollte die KĂŒnstlerin viel Freiheit haben und aus dem Vollen schöpfen können.
Und so habe ich die (damals fĂŒr mich revolutionĂ€ren) Liedtexte von Nina Hagen (Album: Band) verstanden. Rotzfrech, trifft genau ins Herz der damaligen Gesellschaft, das muĂte endlich gesagt werden, und ja, auch in dieser Form/Wortwahl.

Nein, ich bin kein Fan von Nina Hagen, und mit dem Musikstil konnte ich auch nicht viel anfangen, aber ich fand ihren Gesang und ihre Texte groĂartig. Sie hat eine
Stimme, und die setzt sie sehr wirksam ein - sowohl gesanglich als auch mit ihrer Aussage. FĂŒr mich war sie damals ein
positiver Kulturschock.
Diesen Aspekt kann ich bei den "modernen" obszönen Texten, wo ich
als Zuhörer direkt
beschimpft werde, nicht finden, und deshalb frage ich nach der Intention der Autorinnen dieser Texte. Da wÀren Antworten von Frauen sehr hilfreich, aber die BeitrÀge von
@Der gute Fee zeigten mir eine neue Richtung:
Deutungshoheit. Die Tatsache, daà Frauen in einem Liedtext ein obszönes Schimpfwort
auf sich selbst beziehen (ich bin eine ***), entkrĂ€ftet das (Schimpf)Wort. Vielleicht eine Parallele zu dem (damals Schimpf)Wort Schwul/Lesbe, die Homosexuelle fĂŒr sich selbst angenommen haben, wenngleich hier der Hintergrund ein anderer war.
Aber so alt, dass ich mich an derben Worten stoĂe, und das noch spezielll auf Frauen bezogen, war ich eigentlch nie.
Nun, ich bin 78 Jahre alt. In meiner Berufszeit und im Alltag hatte ich einen regen verbalen Kontakt mit
allen Bildungsschichten vom ungelernten Hilfsarbeiter bis zum UNI-Professor, aber das Wort "Fo**ze" habe das erste Mal als Ă-67-Rentner
in den Medien gelesen bzw. gehört. In meinem zwischenmenschlichen Alltag habe ich das Wort bis heute
nie gehört!. Ich bin auch nie am Arbeitsplatz sexuell belÀstigt worden, weder von Frauen noch von MÀnnern, aber ich
weiĂ, daĂ es in unserer Gesellschaft sehr viele Frauen gibt, die unter tĂ€glichen sexuellen Ăbergriffen am Arbeitsplatz leiden und darĂŒber "viele Lieder singen" könnten.
Dennoch, mit Liedtexten wie: "F**k deine Mutter" kann und will ich nichts anfangen, bei meinem heutigen Wissensstand kann ich mich damit auch nicht nĂ€her beschĂ€ftigen. ÂŻ\_(ă)_/ÂŻ
Und nochmal
zur Klarstellung: Es geht mir nicht darum, ob Frauen oder MĂ€nner so oder so sprechen, es geht mir um
Liedtexte von Frauen, mit welchen Ausdrucksmitteln sie in ihren Texten arbeiten und warum sie den oder jenen Ausdruck wÀhlen.
@Bassturmator hat einen
sehr wichtigen Punkt angesprochen: Sexuelle AufklÀrung in der Kindheit, die eine ganze Generation (vielleicht auch zwei) betrifft. Bei uns zu Hause gab's zwar keine Ohrfeigen oder SchlÀge, aber Geschlechtsteile wurden mit
keinem Wort erwÀhnt, ebenso wenig das Wort
Sex oder
Geschlechtsverkehr. Ich habe meine Eltern
nie nackt gesehen, nicht mal in der UnterwÀsche. So war es damals.

Aber es gab BĂŒchereien und Bibliotheken, und dort war ich ein Stammgast und habe mich durch die LektĂŒre diverser Anatomie-BĂŒcher aufklĂ€ren lassen.
Und es sind auch heute BĂŒcher, die uns ĂŒber die sexuelle AufklĂ€rung und den Umgang mit unserer Sprache in der breiten Gesellschaft informieren (ein Beispiel: Bernardine Evaristo
MĂ€dchen, Frau etc.)
GruĂ, Bjoern