Ach ja, ein verantwortungsbewusster Lehrer muss wohl im Richtig/Falsch lager sein weil er nicht sagen kann so ich bringe dir das falsch bei.
Finde ich z.B. überhaupt nicht.
Ein verantwortungsbewusster Lehrer sollte in der Lage sein dir zu erklären wo Vor- und Nachteile liegen, dir eine Einschätzung geben wieso er welche Variante für sinnvoll hält oder in welchem Kontext das überhaupt eine Rolle spielt und dich dann entscheiden lassen.
In den meisten Fällen hat es ja solide Gründe, wieso sich bestimmte Dinge durchgesetzt haben und andere eher Randerscheinungen sind.
Dann ist es letztlich eine Frage des Ziels.
Wenn man dein Beispiel hier nimmt:
Dann sah ich ein Video wo jemand die Greifhand wie bei Lapsteel Guitar von oben statt von unten hält und dennoch Musik macht.
Klar kann man damit auf irgendeine Art Musik machen.
Aber ich würde sagen, dass z.B. alles was mit Barré-Akkorden gespielt wird nahezu unmöglich ist, weil du den Barré mit dem kleinen Finger machen müsstest und dann die Finger komisch eindrehen.
Dafür eröffnen sich vielleicht andere Möglichkeiten, z.B. was offene Tunings angeht.
Wenn jetzt dein Ziel ist experimentelle Musik zu machen und neue Wege zu gehen und vielleicht auch Dinge zu tun, die vor dir niemand gemacht hat.. kann man das auf jeden Fall mal ausprobieren. Ich sehe aber auch einen relativ hohen Zeitaufwand um sich das anzueignen. Den muss man bereit sein zu investieren.
Wenn dein Ziel ist 100 Pop-Songs zu lernen um bei der nächsten Lagerfeuer-Session was vorspielen zu können.. würde ich dir davon abraten, denn da gibt es deutlich einfachere Methoden.
Ein Lehrer ist letztlich so etwas wie ein Katalysator.
Er hilft dir dabei die Dinge, die du erreichen möchtest schneller zu erreichen, indem er dir Wege gibt und Methoden beibringt sich Dinge anzueignen.
Und er hilft dir eine Perspektive zu entwickeln, indem er dich auf Dinge aufmerksam macht, die dir vielleicht gar nicht bewusst sind.
Ich hatte z.B. viele Erwachsene Schüler die zum Unterricht gekommen sind, die vorher autodidaktisch gelernt haben und die Kennenlernstunde lief dann oft einfach so ab, dass sie was vorgespielt haben und ich dann hinterher Rückgefragt hab:
"Ist dir bewusst, dass...
- du nicht im Rhythmus spielst?
- deine Töne alle unterschiedlich laut sind?
- du viel Kraft verschwendest, weil du so fest auf die Saiten drückst?
- deine Griffwechsel nicht sauber klingen, weil du die Finger vom Akkord nicht gleichzeitig sondern nacheinander aufsetzt?".. etc
Und manchmal waren das Probleme die bekannt waren und an denen sie arbeiten wollten, aber oft waren sie sich dessen schlichtweg gar nicht bewusst.
Das sind dann so technische Dinge, wo man vielleicht von richtig/falsch sprechen kann, aber ich würde eher von gewollt/ungewollt sprechen.
Und als Lehrer kennt man dann eben manche Dinge, die eher ungewollt sind und die dann später dazu führen, dass bestimmte Dinge nicht mehr klappen.
Wenn du z.B. beim Akkordwechsel die Finger nicht gleichzeitig aufsetzt, ist das erstmal lange Zeit gar kein Problem, wenn du die Lieder langsam genug spielst, dass du mit deinem Griffwechsel fertig bist, bevor du wieder anschlägst.
Aber als Lehrer weiß ich, dass irgendwann der Punkt kommt, wo entweder die Lieder so schnell werden, dass die Zeit da nicht mehr reicht oder man komplexere Anschlagmuster spielt, die dann nicht mehr funktionieren.
Und das kann ich dir kommunizieren und sagen "Hey, mir ist aufgefallen, dass du deine Finger immer nacheinander aufsetzt, damit nimmst du dir später viele Optionen um Lieder interessanter zu gestalten, z.B. *spiel was vor*, es ist cleverer alle Finger gleichzeitig aufzusetzen, ich zeig dir noch ein paar Tricks und Übungen für zu Hause, das lohnt sich das von Anfang an richtig zu machen, sonst musst du später da relativ viel Zeit investieren um dir deine methode wieder abzugewöhnen."
Und dann hab ich dir wahrscheinlich 2-3 Monate frustrierte Übezeit gespart, wo du ein Jahr später gesessen hättest und dir denkst "verfluxt, bin immer zu langsam, ich muss die Finger gleichzeitiger aufsetzen, aber jetzt bin ich es echt schon gewöhnt das immer nacheinander zu machen".
Du kannst natürlich immer noch sagen "ist mir egal, ich mach das auf meine Art", aber dann bleiben dir bestimmte Dinge eben verwehrt. Manchmal ist das später relevant, manchmal entscheidet man sich bewusst gegen bestimmte Techniken.