Haiku

[Primut]

Ah Danke @x-Riff , da hast du natürlich Recht.

HIntergrund war für mich die Frage, wie beschreibe ich Situationen die nicht eindeutig sind.

Beobachtet der Beobachter seine Spiegelbilder?
Oder beobachten die Spiegelbilder den Beobachter und werden dadurch selbst zum Beobachter?
Oder ist alles Eins und der Beobachter beobachtet sich Selbst?

Mit der Frage am Ende wollte ich dies ausdrücken: Der Beobachter beobachtet sich selbst und erkennt seine Unklarheit / Interpretationsunsicherheit.
Aber diese Unklarheit spielt sich natürlich - wie du treffend bemerkt hast - dann in der Innenwelt und nicht in der Außenwelt ab.

Dein Vorschlag gefällt mir sehr gut, wenn ich mich nur auf die Außenwelt beziehen will.

Und die Kurzfassung erscheint mir ohne persönliche Note prägnanter:

Kurz
gefasst
Würze

 

[michaw57]

Die Sonne ist grell
Vor ihr sind Störche pechschwarz
Mücken stechen zu

 

[x-Riff]

Ein Bonsai
Ein Augenblick des Verweilens
vor Plastik

 

[x-Riff]

In weißes Tuch
gehüllt verschnürt im Wind
Dem deutschen Volke

 

[Primut]

Schwarz auf Rot
Marien's Tanzsaal - die Welt
Polkadots

 

[x-Riff]

Tisch Stuhl
Stift Lampe Blatt Papier
lautlose Leere

 

[Primut]

Flotte Biene
Honigkuchen und Kaffee,
Intermezzo

 

[Jongleur]

Spiegel-Scherben
sehr viele Blicke zu mir
Wer sieht was?

@Jongleur Sind Fragen - als etwas unsichere Reflektion, die nach Klärung sucht - im Haiku legitim

Eine wirklich hochinteressante Frage! Eigentlich soll besonders die 3. Zeile dem Nachhall des Momentes, den das Haiku ja verkörpern soll, dienen. Mir fällt ein:

Ich suche mein Gesicht
In den Scherben des Spiegels
Vergeblich

Oder

Ich finde mich
In den Scherben des Spiegels
zersplittert

Was ist für mich der Unterschied? Dem kurzen Moment der Betrachtung folgt eine überraschend (kurze) Antwort.

Hingegen

Spiegel-Scherben
sehr viele Blicke zu mir
Wer sieht was?

Hierauf gibt es mE unendlich viele und gleichzeitig gleichwertige Antworten, Das macht mE das Haiku leider banal!

Einverstanden?

 

[Primut]

Vielen Dank für die Antwort.
Ja, ich habe auch realisiert, dass sich naturgemäß schlichtweg nicht alles (was ich gerne würde) mit Haikus ausdrücken lässt. Aber ich bin noch gelegentlich dabei, die Grenzen da etwas auszutesten.
Beispielsweise mit Doppeldeutigkeiten den Interpretationsspielraum erweitern und den Haikus dadurch - zumindest in meiner Wahrnehmung - etwas mehr Farbe zu verleihen.

Oder um mal das Beispiel in Post 245 von mir zu erklären:

Ich gebe zu, ich finde Polka-Dots durchaus süß und bei meiner Überlegung, ob sich das in ein Haiku verpacken lässt, fiel mir auf, dass ja genau genommen Marienkäfer schon 10 tausende Jahre vor der 30-iger Jahre Mode Polka Dots trugen. Die Natur war also unserer Mode bereits deutlich voraus.
Aufgrund des Gebotes der Kürze habe ich mir die Erklärung gespart, dass im Tanzsaal getanzt wird, schließlich ist das ja als Hauptaufgabe des Tanzsaals und daher naheliegend.

Ob nun (die natürlich bezaubernde) Marie im Tanzsaal tanzt und der Tanzsaal ihre Welt ist, oder ob nur das Tanzen Ihre Welt ist oder ob sie in der Welt tanzt und die Welt sozusagen ihr Tanzsaal ist,
oder ob der (natürlich schöne und lebensfrohe) Marienkäfer tänzerisch durch den Tanzsaal in die Welt fliegt oder ob die gesamte Welt sein Tanzsaal ist etc. ... - das ist alles gewollter Interpretationsspielraum.
Aber letztlich sind alle Interpretationen ähnlich bzw. analog. Sie bewegen sich nur jeweils auf unterschiedlichen Ebenen, haben aber das gleiche Thema.
Marie vs. Marienkäfer: Mensch vs. Naturebene
Tanzsaal vs. Welt: Innen vs. Außen
Und der Tanz im Polka-Dot Kostüm - in bzw. auf welcher Ebene auch immer - ist das verbindende Element aller Interpretation. Der Tanz steht als Bild für ausgedrückte kraftvolle Lebendigkeit und die Polka-Dots stehen für unbeschwerte Lebensfreude.
Also ein paar Kleinigkeiten lassen sich vielleicht schon in Haikus verstecken...
Und wer mag, kann mit der analogen Interpretation gerne noch deutlich tiefer gehen: Vielleicht sind ja die Atome (bzw. Quarks etc), welche sich ja auch in runder Form auf runden Kreisbahnen bewegen (oder tanzen?), auch Polka-Dots, und wir bestehen Alle aus lebenslustigen Polka-Dots und haben das bloß noch nicht bemerkt.....

Hierauf gibt es mE unendlich viele und gleichzeitig gleichwertige Antworten, Das macht mE das Haiku leider banal!

Ah, das ist ein interessanter Hinweis. Mir schwebte zugegebenermaßen etwas viel größeres im Hinterkopf was nicht ansatzweise banal ist (was ich jetzt aber nicht ausführe), aber ich gebe dir natürlich vollkommen recht, mit der Frage 'Wer sieht was?' habe ich dieses weder vermitteln können noch einen Spannungsbogen und den Nachhall erreicht. Also ein mißlungener Versuch.

Wie wäre es mit:

Spiegel-Scherben
sehr viele Blicke zu mir
Tropfen im Ozean

 

[Jongleur]

Spiegel-Scherben
sehr viele Blicke zu mir
Tropfen im Ozean

Spiegelscherben - gut geeignet, ein Moments-Ereignis einzuleiten
„Sehr viele“ Blicke … mE leider nicht mehr. Wie fängst man in einer Sekunde „sehr viele Blicke ein? “
Tropfen im Meer - eigentlich eine Abstraktion: „Tropfen ins Meer“ - wie sieht man für EINEN Moment EINEN Meerestropfen?

Sommerregen
dich und mich verbinden Ringe
Im Dorfteich

Äußerlich (hoffentlich) sichtbar + Assoziativ mehrdeutig.

Schwarz auf Rot
Marienkäfer trägt
Polkadot

Ich habe absolut keine Ahnung von Polkadots. Erst obige Erklärung setzte mich zum ersten Mal auf diese mir neue Spur. Mal sehen, ob mich das weiter beschäftigen wird. Falls ja, dann dein Verdienst! Aber mich interessiert auch Frage, ob mein Vorschlag DEINER Intention gerecht wird!

Ja, ich habe auch realisiert, dass sich naturgemäß schlichtweg nicht alles (was ich gerne würde) mit Haikus ausdrücken lässt. Aber ich bin noch gelegentlich dabei, die Grenzen da etwas auszutesten.

Ja, das Interesse und die Begeisterung an einem Stilmittel können phasenweise fanatische Züge annehmen. DAS kenne ich ebenfalls!! Am Ende erfahre ich dann ernüchtert Näheres über meine individuellen emotionale und rationale Eigenschaften… Was ja letztlich auch nicht von schlechten Eltern ist. MIR hilft das Haiku persönlich, den individuellen Hang zur Bewertung einzuschränken. Oder anders gesagt; das Haiku lehrt mehr das „Show“, statt das „Tell“!!!!

Meine Antwort soll lediglich meine Auffassung vom Haiku mehr oder weniger gut veranschaulichen. Andererseits: Mit Traditionen respektlos umzugehen ist mitunter auch ein Weg, Kunst zu entwickeln!

 

[Tygge]

Kalter Wind
Dicker Winterpullover
Wechsel die Brille

 

[Jongleur]

Andererseits: Mit Traditionen respektlos umzugehen ist mitunter auch ein Weg, Kunst zu entwickeln!

Mit anderen Worten: ich will gar nicht, dass du in meinem Sinne Haikus schreibst! Aber du solltest den Unterschied zwischen der allgemeinen Auffassung von Haikus und deiner eigenen Auffassung herausbekommen!

Ich bin eigentlich ein Anhänger von Rilke - und dieser schrieb am Ende seines Lebens, dass alles Schöne nur der Anfang vom Ende ist, welches uns eben vor einer solchen Einsicht gelegentlich bewahren soll…. So eine Denkweise hat wiederum wenig mit Haiku zu tun…und trotzdem war Rilke vom klassischen Haiku beeindruckt…. Also schreib von mir aus ruhig, was du willst….

 

[x-Riff]

Fächer wirbelt Luft
dein Schweiß mein Schweiß
ein Handtuch

Beitrag automatisch zusammengefügt: 17.06.24

Im Kino
stößt dein Knie an mein Knie
Licht aus für drei Filme

 

[x-Riff]

Männer mit Blumen
im Konfirmationsanzug
Muttertag

 

[Jongleur]

Ein schönes Lied
Auf einem Stück Papier
Ist keine Musik

 

[x-Riff]

Geräusche aus dem
Kleiderschrank Mein Neffe und ich
bauen Geisterfallen

 

[x-Riff]

Heiß
lastet der Sommer
auf dem Nichtstun

 

[Jongleur]

Das Thermometer zeigt 45 Grad
Ich trau mich nicht mehr in
die Badewanne

 

[Tygge]

Unter Bäumen
Warte auf den Liebsten
Mücke sticht

 

[michaw57]

Welch schöne Stimme
Das Herz beginnt zu träumen
Endlich kommt der Bus