Hohner Electronium TK – Tastatur-Kontakt gebrochen –Schadensanalyse?

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Hi liebe Akkordeonisten :),

als eigentlich gitarrenaffiner Bastler und Knöpfchendreher (PA) wage ich es heute, mich mit dem Problem eines befreundeten kleinen Musikalienhändlers an Eure geballte Fachkompetenz zu wenden. Da dieses Terrain hier für mich völliges Neuland ist, bitte ich um Nachsicht, wenn das Fachvokabular hier und da fehlt :redface:.

Folgender Sachverhalt:

Meinem Freund wurde von einem alten Stammkunden ein Akkordeon der Marke Hohner Typ „Electronium TK“ vorbeigebracht, weil eine Taste nicht funktionierte- es kam kein Ton. Alle anderen Funktionen des Instruments seien ohne Fehl und Tadel.
Nun wurde ich heute gebeten, einmal ins Instrument zu schauen, ob mir als Bastler und Tüftler da eine Idee käme, wie das Problem zu lösen sein könnte. Kurz und gut: Es fiel auf, dass das gebogene Kontaktblech unter der betreffenden Taste abgebrochen war.

HohnerRepatur.jpg

Die Stärke des Blechs bemisst sich auf 0,1mm. Zu meinem Verständnis: Ist das eine Art Federstahl, der galvanisch leitfähig beschichtet wurde und befindet sich im Knick-/Biegebereich des Blechs so etwas wie eine Isolierung, da ja ansonsten die Kontaktierung des unteren Blechs durch das Drücken der Taste keinen Sinn machen würde :confused:?

Bevor ich da jetzt als Akkordeontechnik-Fremdling anfange, durch Murkserei (bei eigentlich durchaus vorhandener handwerklicher Geschicklichkeit!) die Angelegenheit zu verschlimmbessern oder meinem Freund fasche Tipps gebe, an Euch folgende Fragen:

Ist dieser Schaden behebbar – Was und wie wäre das zu tun?
Ist das eine trotz eigener vorhandener Geschicklichkeit eher eine absolute Fachwerkstatt-Angelegenheit?
Gibt es Ersatzteile – ggfs. Wo? Anmerkung: Anruf meines Freundes im Vorfeld bei Hohner rief Achselzucken hervor.
Wie immer: Abschätzbare Kosten – Lohnt es sich überhaupt?

Angemerkt sei, dass der Besitzer sich gerne eine Reparatur wünscht (Sentimentalität!), die Ab-in-den-Müll-und-Neukauf-Variante möglichst vermeiden will, aber natürlich auch eine Grenzen sprengende Aufarbeitung scheut. Wo das Limit ist, kann ich leider gerade nicht beziffern; es wäre aber nett, wenn jemand überhaupt erst einmal etwas zu dem Schadensumfang sagen könnte :hat:.

LG Lenny
 
Eigenschaft
 
Hallo Lenny,

zunächst einmal: Das ist kein Akkordeon. Es handelt sich hier um ein Zusatzinstrument für Akkordeonorchester (http://de.wikipedia.org/wiki/Elektronium).
Mit diesem Gerät wird versucht, mit einer Menge elektronischer Klänge den etwas gleichtönigen Klang des Orchesters etwas aufzumotzen. Diese Dinger gibt es schon seit ca. 60 Jahren und wurden in mehreren Generationen gebaut, je nach Stand der Technik anfangs in Röhrentechnik und so immer weiter. Die neueste Generation ist das Electronium 3000 (http://www.akkord.de/orchesterline.html).

Was Du als Kontakt bezeichnest, ist kein Kontakt im galvanischen Sinne. Hier hat sich Hohner vor vielen Jahren etwas ganz Leckeres einfallen lassen, und zwar eine kapazitive Tastung. Man verwendet zur Durchschaltung der Töne pro Taste einen Kondensator. Für einen Kondensator braucht man zwei Platten und eine isolierende Zwischenschicht, das sog. Dielektrikum. Hier wird eine stationäre Platte durch einen Kupfer-Aufdruck auf der Platine gebildet, dann kommt eine Isolierschicht und dann die zweite Platte in Form eines Federblechs. Dieses Blech hat eine leicht ovale Durchbiegung und steht in Ruhelage von der anderen Platte ab. Durch einen an der Taste aufgesteckten Kunststoffstößel wird das gerundete Blech bei Tastendruck an die erste Platte gepresst und verursacht so eine Vergrößerung der Kapazität. Diese Vergrößerung wird als Kriterium für die Durchschaltung benützt.

Dieses Brechen der Bleche wie an diesem Instrument ist die große Krankheit beim TK, die bald dafür sorgen wird, dass diese Instrumente von der Bildfläche verschwinden werden.

Was kann man tun? Der springende Punkt ist die Beschaffung eines Ersatzblechs, denn mit Ersatzteilen geht gar nichts mehr. Hohner hat schon seit vielen Jahren jegliche Aktivität auf dem Elektronik-Sektor aufgegeben. Wenn Du derartiges Blech auftreiben kannst, ist die Reparatur gar nicht so schwer. Es handelt sich um Feder-Messing (Feder-Bronce geht auch); wenn Du ein Stückchen bekommen kannst, musst Du es zurechtschneiden und dann (was nicht ganz so einfach ist) dem Blechstückchen die gleiche gerundete Kontur geben wie den anderen Blechlein. Dann kannst Du das Blech am Steg anlöten. Es muss halt so sein, dass das Blech bei gedrückter Taste flach anliegt. Die Rundung lässt sich herstellen, indem man das Blech um ein Stück Rundmaterial presst, solange, bis die Rundung stimmt. Die Lötung muss ziemlich schmal sein (nicht breiter als der Steg, sonst stimmt die Federung nicht mehr).

An sich müsste die ganze Federleiste ersetzt werden, aber es ist halt nichts mehr zu kriegen.

Bei dem Instrument hat ja schon jemand mal einen Flickversuch gemacht, es ist etwas Lötzinn darauf herumgekleckert worden, allerdings an der falschen Stelle. Du kannst ja schon mal einen Versuch machen, wenn Du Material auftreibst; viel schlechter machen kannst Du da eigentlich nichts.

Gruß Claus
 
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Hi Claus,

ich hatte gehofft, dass Du Dich melden würdest !! (Gut, dass ich vorher um Nachsicht für meine laienhafte Ausdrucksweise auf diesem für mich unbekannten Gebiet gebeten hatte ;))!

Allerherzlichsten Dank für die umfassende Aufklärung, das Aufzeigen eines Lösungsweges und die Erweiterung meines Wissenshorizonts. Auch in meinem biblischen Alter bin ich immer noch lernwillig. Nun ja, mit dem Federblech lag ich schon einmal nicht so ganz verkehrt. Und dass die "Tastungs-Elektronik" nicht so einfach vonstatten gehen könnte, wie ich beim Verfassen meiner Anfrage noch andachte, kam mir im Nachgang bei genauerer Betrachtung des Foto auch schon in den Sinn. Die miserable Ersatzteillage hatte ich schon befürchtet.
Ich werde Deine Informationen meinem Freund weitergeben und ihm dann die Entscheidung für das weitere Prozedere in einem Gespräch mit seinem Kunden überlassen.

Sollte sich dann noch etwas ergeben, werde ich mich hier noch einmal einmal melden (berichten, fragen etc.pp). Noch einmal besten Dank für Deinen Support:great:!

LG Lenny

EDIT: Könnte SO ETWAS funktionieren ?
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi Lenny,

so ein Messingblech funktioniert vermutlich nicht. Einfach deswegen, weil diese Bleche für Bastler und Modellbau gedacht sind und nicht in "federhart", sondern nur "halbhart" angeboten werden - das ist zu weich.

... guck mal hier:

http://www.modellbauershop.de/metalle/phosphorbronze-bleche.php

Das sind Federbronzebleche, wie sie im Modellbau für Blattfedern aller Art verwendet werden. Das dürfte funktionieren.

Gruß, maxito
 
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Hi,

auch Dir mein Dank für Deine Informationen :). Ich bin schlauer geworden und werde nun wie oben angedeutet Eure Infos "an den Mann" bringen.

LG Lenny
 
Hi,

hier eine kurze Rückmeldung meinerseits:

Der Händler und sein Kunde haben sich über Eure fundierten Beiträge sehr gefreut und ihr Dank sei hiermit an Euch weitergeleitet :)! Die Reparatur wird aufgrund der hier gewonnenen Erkenntnisse wohl nicht ausgeführt werden. Was auch immer nach Ablauf einer Bedenkzeit mit dem vorhandenen Instrument passieren wird (Vitrinenstück, Teile-/Komplettverkauf usw.), z.Zt. wird eher eine Neuanschaffung in Erwägung gezogen. Für beide Seiten möglicherweise eine Win-Win-Situation: Besitzer riskiert kein Fass ohne Boden und modernisiert sein Equipment; Händler könnte Umsatz machen ;).

LG Lenny
 
Hallo,

ich würde das letztendlich wie am Keyboard sehen. Man nehme ein Tasten-Kontakt im Außenbereich (z.B. höchster Halbbton/Ganzton), von einem Ton den man sogut wie nie benötigt und tauscht den gegen den kaputten, damit das Instrument später wenigstens noch irgendwie zum Einsatz kommen kann...

Gruß

REDO
 
Das hört sich ja prima an, funktioniert aber leider nicht. Hier gibt es keine einzeln herausnehmbaren Teile, sondern die Federbleche von allen 41 Tasten sind am Stück an einem Rechen platziert. Da kann man nichts entfernen, ohne das entsprechende Teil zu zerstören.
Man kann nur, wie beschrieben, ein neues Blech anfertigen und dann auf den Rechen auflöten.

Ansonsten wäre dann noch zu empfehlen, sich erstmal mit der Materie zu befassen, bevor man solche Rezepte von sich gibt.

Gruß Claus
 
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Lieber Claus,

ich bewundere Deine Fachkenntnis schon lange und werde wieder einmal darin bestärkt, wenn ich lese, was Du zu dem Elektronium gesagt hast. Man kann viel von Dir lernen.

Dies ist hier eine Plattform, die überwiegend von Amateuren belebt wird. Wir sind halt nicht alle die absoluten Fachleute, und da rutscht halt schon mal ein an sich gut gemeinter Beitrag rein, der es nicht ganz bringt. Auch wenn der Fachmann gelangweilt durchatmet, sei bitte nicht so streng mit uns, in diesem Falle nicht so streng mit Redo.

Wichtig ist doch nur, dass Du die Sache richtiggestellt hast.



Viele Grüße

morino47
 
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Win-Win-Situation

Das sicher, allerdings zeigt sich auch das Problem mit elektronischen Instrumenten: ein kleines Fitzelchen gebrochen, ein ranziger Kondensator, Haarriss in der Platine, verlegtes Spezialkabel etc. und das Teil ist futsch, spätestens nach 10 Jahren kriegt man keine Ersatzteile mehr. Ich frag mich, wie man in 100 Jahren eine historische Aufführungspraxis mit elektronischen Instrumenten durchführen will....:gruebel:

Akustische Instrumente sind da beständiger: auch 100 jährige Akkordeons können noch repariert und spielbereit gemacht werden. Das zeigt sich speziell bei den Zwitter-Instrumenten, halb Akkordeon, halb eletronisch: das akustische Teil machts auch nach Jahrzehnten problemlos, wohingegen die Elektronik schon längst den Geist aufgegeben hat.
 
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Da hast Du im Prinzip recht, aber ich habe ihn schon vor einem Jahr deswegen gefragt, und da hat er mir gesagt, dass er auch keine Kontaktrechen mehr hätte. Es gehen halt zu viele kaputt.

Gruß Claus
 

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