Jazz lernen auf dem "alten" weg?

jnk
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Hallo liebe User,

nach Jahren von Gitarre spielen habe ich mich vor rund einem halben Jahr endlich an eines meiner absoluten Lieblingsgenres "rangetaut": den Jazz

seit dem werde ich in Büchern, Videos etc. mit Skalen, Chords und Arpeggios zugebombt, dass ich da kaum noch durchblicke und auch kaum wirklich weit gekommen bin.

Ich habe zwar alles im Kopf, aber wenn ich das spielen will kommt das alles ziemlich unüberlegt und ohne musikalischen Sinn rüber.

Aber so wie heute in Videos, Foren etc. hat man doch früher kein Jazz gelernt. Das fühlt sich alles sehr falsch für mich an, einfach nur Chords und Skalen mehr oder weniger auswendig zu lernen...

Oder wie seht ihr das??

Beste Grüße
jnk
 
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Frage: Wenn Du Dich dabei unwohl fühlst, warum machst Du‘s dann ?

Anmerkung von mir: Darüber, was Jazz am meisten ausmacht, wird kurioserweise in den ganzen „Lehrbehelfen“ am wenigsten gesprochen/geschrieben: Der Rhythmus.
Wahrscheinlich, weil er sich einer systematischen und formelhaften Beschreibung völlig entzieht.
Und mit „Rhythmus“ meine ich nicht das stupide Spielen von Triolenachteln, sondern die ganze rhythmische Welt des Jazz aus Jazz-Phrasierung und Microtiming, die man sich in erster Linie nur durch viel, viel Anhören und Nachmachen erarbeiten kann.
Den schnellen Weg und den einen Trick, um Jazz spielen zu können, gibt es nicht.
Schon gar nicht in Youtubetutorials.

LG
Thomas
 
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Nach meiner persönlichen Erfahrung führt ein theoretischer Ansatz zunehmend dazu, dass man praktisch untätig wird. Ich kann mir vorstellen, dass du eventuell zu weit greifst ehe du dir gewisse grundlegende Konzepte praktisch verinnerlicht hast. Wichtig ist meiner Ansicht nach sich vom Groben ins Feine reinzuarbeiten. Also erstmal die Grundsätze in praktischen Zusammenhängen erfahren und dann in komplexere Strukturen gehen. Die Zusammenhänge sollten dir mit dem Ansatz direkt klar werden.
 
ass ich da kaum noch durchblicke

Ohne zu wissen, welchen Spiel- und Wissensstand du tatsächlich hast, ist es kaum möglich, deine Fragen zu beantworten. Deshalb folgende Fragen:

1. Du kennst die grundlegenden Akkordtypen Dur, Dur 7, moll, moll7, Dur-maj7 und hast keine Probleme, diese in einer gegebenen Tonart ohne nachzudenken zu spielen? Und hast im Kopf, wie sie klingen?

2. Du weißt, was eine einfache I-IV-V-I Kadenz ist und kannst die problemlos sofort in diversen Tonarten spielen?

3. Du weißt, was eine II-V-I Verbindung ist? UNd hast verinnerlicht wie sie klingt?

4. Kannst du z.B. die Akkordfolge (je zwei Anschläge pro Akkord) Gmaj7 - Am7 - Hm7 - Bbm7 - Am7 - D7 - Gmaj7 - Gmaj7 ohne langes Nachdenken sicher und rhythmisch spielen oder musst die Akkorde mühsam zusammen suchen und verhedderst dich im Ablauf und im Takt?

5. Bist du eher der Gehörtyp, der Theorietyp, der viel ausprobierende (Try & Error) Praktiker? Oder von allem etwas?

6. Wieviel Zeit hast du (täglich/wöchentlich), musikalisch neues zu lernen?

7. Wie hast du früher gelernt, Gitarre zu spielen? Was hat dich vorangebracht und was nicht? Wo war Lernspaß und wo nicht? Spürst du Defizite, wo du sagst, "Mann, da habe ich mich immer gedrückt und hätte mehr dranbleiben sollen?
 
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...Ich habe zwar alles im Kopf, aber wenn ich das spielen will kommt das alles ziemlich unüberlegt und ohne musikalischen Sinn rüber.
...

Vielleicht ist das "alles" das Problem. Wenn man sich einem Thema nähert, dann Schrittweise. Man nimmt sich einen Jazz-Standard und lernt diesen. Anhand diesen einen Titels erarbeitet man sich nun die erste Scale und Tonart und Harmonien. Auf so ein Stück wird man sich über mehrere Wochen hin konzentrieren. Nicht alles auf einmal.

Das der Rhythmus in den Lehrvideos vernachlässigt wird, kann ich nicht bestätigen - es ist nur ein eigenes Thema und so umfangreich, dass die Videos über die Themen Harmonien eben nur Harmonien umfassen. Es gibt aber gute Videos zu Rhythmik, Timing, Synkopen, Microtiming, laid-back, das lässt sich sehr gut beschreiben, lehren und zeigen. Das ist trotz der Videos immer noch kein schneller Weg, aber das Material ist vorhanden, ggf. auch mal kostenpflichtig.
Was ich oft gesehen habe ist, dass Leute glauben, Rhythmus relativ schnell lernen zu können, weil es ja keine Theorie ist, sondern "nur" machen - und wenn man es nach wenigen Tagen nicht hinkriegt, dann wird oft gesagt "ich bin halt nicht rhythmisch".

Übrigens "der alte Weg" war bestimmt nicht über Bücher, sondern die Musiker der 1920er und 1930er und davor haben Jazz über andere Mitmusiker gelernt, sie haben stundenlang geübt und Abends in den Jazzkellern weiter gemacht und viele von denen waren eher one-trick ponies mit nur wenigen Skalen, nur wenige wirklich virtuos und umfassend ausgebildet. Jazz ist erst später akademisiert worden mit all den vielen Theorien, als man geschaut hat, was die Jungs da eigentlich jeden Abend so tun. Sich mit Jazz auseinanderzusetzen heißt auch, die Geschichte zu betrachten.

https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Jazz

Und dieses Buch mochte ich besonders
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Anmerkung von mir: Darüber, was Jazz am meisten ausmacht, wird kurioserweise in den ganzen „Lehrbehelfen“ am wenigsten gesprochen/geschrieben: Der Rhythmus.
Wahrscheinlich, weil er sich einer systematischen und formelhaften Beschreibung völlig entzieht.
Und mit „Rhythmus“ meine ich nicht das stupide Spielen von Triolenachteln, sondern die ganze rhythmische Welt des Jazz aus Jazz-Phrasierung und Microtiming, die man sich in erster Linie nur durch viel, viel Anhören und Nachmachen erarbeiten kann.
Den schnellen Weg und den einen Trick, um Jazz spielen zu können, gibt es nicht.
Schon gar nicht in Youtubetutorials.

Absolut auch meine Meinung !!! (y) :opa:

Wie gesagt es geht nicht nur darum wie man Triolen spielt sondern auch um Jazz Phrasierungen, Microtiming und Synkopieren !
Hier mal ein Video das für mich sehr erhellend war



und darüber hinaus , wie im 1. Video gesagt, mal mit 2nd line Drum Beats beschäftigen




Und ich würde zuerst versuchen einen Jazz Song richtig zum grooven zu bringen, bevor ich drüber länger solieren würde.
 
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kann mich @turko nur anschließen, Rhythmus ist enorm wichtig für das richtige Jazz-Feel. Wenn man Jazz Harmonien und Skalen mit Rock-Feel spielt wirds eher Fusion/Jazz-Rock, das ist auch fein, aber halt wieder was anderes.

Fühlst du dich von deinen Fähigkeiten her schon in der Lage zu transkribieren? Dann tu dies. Es ist lästige, zeitaufwendige Arbeit die sich aber sehr lohnt. Ich sitze grade wieder an einem Sax-Solo und das zu phrasieren ist schon enorm schwer, aber es zahlt sich aus.

Fang mit einfacheren Sachen an. Charlie Christian z.b. oder Django Reinhardt, vll auch Barney Kessel etc. Einfachere Stücke, vll Blues, aus einer Zeit wo noch nicht ganz so wild gespielt wurde.

Sehr gut zum raushören, wenn man noch wenig Erfahrung hat sind Trompeten Sachen, insbesondere Miles in seiner späteren Zeit. Die Linien sind in der regel gut und deutlich zu hören, und Miles Stil ab den späteren 50ern ist schön melodisch zurückgenommen, das ist dann auch technisch nicht zu schwer. Bei den Sax-Leuten gehen vll Sachen von Lester Young oder Dexter Gordon, die nudeln noch nicht so krass wie Parker, Adderley, Trane und Sonny.

Ansonsten ist "der alte Weg" einerseits eher übers Ohr zu arbeiten, andererseits weniger Skalenlastig. Die ganze Akkord-Skalen Theorie, wie sie heute umfassend gelehrt wird entsteht erst allmählich. George Russell (Lydian Chromatic Concept) und seine Rezipienten wie David Baker und Jamey Aebersold, Jerry Coker, etc etc, die mitunter ersten theoretischen Jazz Lehrwerke verfasst haben bringen das dann allmählich in den Diskurs ein. Bis zur modalen Ära (schon früher, aber endgültig besiegelt mit Milestones/Kind of Blue) kann man meiner Meinung nach auch gut hören, dass weniger Skalenmäßig gedacht wurde sondern eher Akkordton/Arpeggio basiert. Ich kann natürlich nicht mit letzter Sicherheit den Denkprozess eines anderen auffächern, aber imho sieht man das etwas an der Wahl der Töne.

je weiter man zurückgeht desto eher wird anstelle von maj7 ein 6er gespielt (in balladen weniger) Viele Linien basieren entweder auf umspielten Akkordtöne oder der Dur-Pentatonik sowie auf chromatischen Durchgängen zwischen Akkordtönen, selten wirklichen Skalenläufen. Ansonsten wird viel substituiert, sprich, man überlagert eine bereits bekannte Struktur/Fingersatz über eine andere (z.b Em7 über Cmaj7 für einen Sound mit None). letzterer Ansatz ist insbesondere auf der Gitarre sehr nützlich, weil man als Gitarrist dazu tendiert eher Formen und Muster vor Augen zu haben als Notennamen. Es verhindert außerdem, dass man zu sehr Grundtonlastig klingt, was, wenn mans übertreibt, etwas "unjazzig" ist.

für den Akkordton-basierten Ansatz gibt es weniger gute Bücher, zumindest wüsste ich jetzt keins das besonders heraussticht, aber mitunter durchaus gutes Material auf Youtube.

grüße B.B
 
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Hi, mir scheint der Hauptweg darin zu liegen, mit anderen zusammen zu spielen.

Dann kann man sich auch an konkreten Aufgaben abarbeiten und kommt Schritt für Schritt weiter. Jazz entsteht im Zusammenspiel - deshalb gibt es auch so viele Variationen eines songs, eines Themas etc.

Das Vorhaben, sich das einzeln und alleine in seiner Studierstube drauf zu schaffen, bevor man mit anderen zusammen spielt, ist zum Scheitern verurteilt.

Was es braucht, sind fundierte basics, wie auch schon von Hans 3 angesprochen und auch von anderen.

Und dann such Dir andere, mit denen Du spielen kannst. Demnächst wird es wieder Jazz-Sessions geben. Mein Bruder hat auf der örtlichen Musikschule jemanden gefunden, mit dem er regelmäßig Jazzsongs übt und spielt.

Ein paar Angaben zum bevorzugten Genre etc. wäre wichtig: zwischen Django Reinhardt, Dixi, Fusion, Big Band oder Free Jazz liegen Welten.

x-Riff
 
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Hi, mir scheint der Hauptweg darin zu liegen, mit anderen zusammen zu spielen.

Das empfehle ich auch. Nimm' Dir z.B. für ein halbes Jahr einen Gitarrenlehrer, mit dem Du Jazz durchspielen kannst, das hat mir sehr geholfen.

Z.B. spielst du einfach einen Standard aus einem Real Book. Der Gitarrenlehrer kennt aber andere Voicings oder sogar andere Griffe die draufpassen, weil das Real Book ja nur eine Möglichkeit der Begleitung zeigt. Er kann Dir beibringen, die Begleitung zu variieren. Und ihr könnt dann auch die Improvisation lernen, das Zusammenspiel. Dieses Zusammenspielen auf Jazz-Standards hat mir sehr viel Spaß gemacht, in etwa wie ein Lagerfeuer Spiel. Wenn der Lehrer gut ist, kann das sehr ungezwungen sein.
 
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