Kurzreview zum Yamaha P-70

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Hallo,
bin seit heute stolzer Besitzer eines Yamaha P-70. Hab mir auch schon leihweise ein gutes Fußpedal besorgt, wenn auch kein Halbpedal. Da ich recht dringend ein Digitalpiano brauche, habe ich zu einem fairen Kurs (300 €) zugeschlagen, obschon ich vorwegschicken möchte, dass ich nicht zu 100% zufrieden bin. Meiner Vorerfahrungen beziehen sich auf ein Kawai ES-1, das in einer anderen Wohnung dauerhaft steht, ein Roland NX 700, das ich gelegentlich in unserer Band spielen darf, sowie einige Clavinovas (Baujahr 1997-2003) die ich neulich unter die Finger bekam.

1. Die Tastatur:
Von der bin ich hier nicht so begeistert. Ich weiß nicht, ob es gerade so ist, WEIL sie eine graduierte Hammermechanik hat, aber mir erscheint es, als würden die Tasten lauter und länger "nachklappern", als bei anderen Modellen, die ich bisher spielte. Außerdem - entgegen dem, was ich bisher vom P-70 gelesen hatte - fühlen sich die Tasten vergleichsweise "leicht" an, als würden sie aus weniger "Substanz" bestehen als bei den o.g. anderen Modellen (zuzugeben, ein Roland NX 700 spielt preislich in einer ganz anderen Liga). Beim spielen über die internen Boxen mit mäßiger Master-Volume erscheint mir das Klappern (der Hammermechanik?) fast schon störend. Wenn ich jedoch meine geschlossenen und gedämmten Kopfhörer aufhabe, höre ich natürlich nichts mehr vom Klappern, aber bin mal gespannt, was die Nachbarn sagen - ich empfinde das Geklapper der Tasten im ersten Moment, wie gesagt, lauter als z.B. beim Kawai ES-1.

2. Bedienung:
ist sehr spartanisch gehalten, so gut wie keine Knöpfe auf dem Piano. Dass es, neben den 10 Klangfarben jedoch noch einige weitere Einstellmöglichkeiten gibt, erschließt sich beim Blick ins Handbuch. Die Methode ist immer dieselbe: Bei gehaltener "Voice"-Funktionstaste bekommt plötzlich jeder Bereich der Klaviertastatur eine neue Funktion: Grob gesagt, die eine Oktave ist für das Feintuning, eine andere fürs Transponieren, wieder eine andere für Reverb-Art und Reverb-Lautstärke, ein anderer Tastenbereich für das relative Lautstärkeverhältnis zwischen 2 gelayerten Sound, und die höchsten Tasten sind dann für die Anschlagdynamik (von der ich aber nur die extremste/dymamischste Einstellung gelungen finde)

3. Die Sounds:
Ich beurteile die Abhöre jetzt mal über Kopfhörer, da die kleinen integrierten Boxen schon baulich an ihre Grenzen stoßen. Hier finde ich jedoch schade, dass keine EQ-Funktion verbaut ist. Da hätte ich lieber mal auf eine Reverb-Art oder eine Klangfarbe verzichtet. Je nachdem, wo das Klavier im Raum steht, finde ich EQ eigentlich schon ein nettes Feature.

Also, nun zu den Sounds über Kopfhörer:
Grand Piano 1: Dieser Hauptsound des Pianos ist m.E. über jeden Zweifel erhaben. Richtig tolle Sounds, hört man auch in einem bestimmten Youtube-Video, zu dem ich den Link nachliefere.
Grand Piano 2: Enttäuschend! Vor allem über Kopfhörer fällt er gegen Grand Piano 1 ganz krass ab. In der Beschreibung heißt es "Clear Piano with bright reverb. Good for popular music." Neeee, da hab ich aber schon poppigere, klarere Piano-Varianten gehört. Dieser hier ist dumpf, zu leise, ein schwahbrüstig und klingt über Kopfhörer fast MONO!!!

Die weiteren Sounds finde ich leider weder gut ausgewählt, noch besonders gelungen: Wenn man insgesamt 10 Klangfarben in so ein Klavier baut, warum müssen es bei den Orgeln dann ausgerechnet zwei(!) fast gleich klingende Kirchenorgeln sein, auf Kosten einer wie auch immer gearteten Jazz/Rock/Pop-Orgel, die sucht man nämlich vergeblich. Die Krichenorgeln an sich (eine flötigere, eine schärfere) sind aber super gelungen. Nur hätte eben eine davon gereicht, damit Platz für andere Sounds ist.
Gleiches gilt für das Harpsichord: Auch hier gibt es zwei Varianten, die wirklich nicht so elementar verschieden sind.

Viel mehr gefreut hätte ich mich über einen richtig schönen, lebendigen E-Piano Sound mit Zungenmechanik, weiß gerade nicht, wie das Parade-Beispiel aus den 60ern heißt, das wo die Sounds so richtig beißend werden, wie ihn z.B. die Zombies verwendet haben. Dieser Sound ist zwar da, auch mit dynamischem ansprechen der Zungen, allerdings wirkt das alles nicht sonderlich lebendig, schlecht gesampelt, was weiß ich.
Das andere E-Piano (FM-Synthese) macht hingegen eine gute, brilliante Figur: Disney-Balladen und 80er-Jahre Pop lassen grüßen.

Dann haben wir noch Streicher: Auch diese sind irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes: Vom Attack her sind sie irgendwie eher "slow strings", dafür für Solo-Spiel fast nicht zu gebrauchen. Außerdem sind sie im Vergleich zu den anderen Klängen standard-mäßig zu leise eingestellt, finde ich. Auch im Zusammenspiel (Dual Layer) mit z.B. dem Grand Piano stößt man wegen der 32-fachen Polyphonie schnell an die Grenzen, weil bei Läufen mit Pedal die Streicher-Samples, die über die jüngsten 32 angeschlagenen Noten hinausgehen, ganz unsanft abgeschnitten werden. (Auch hierzu gibt es doch glaub ich Algorithmen, die bei Polyphonie-Begrenzung aabwägen, welche Note sich gerade am unauffälligsten wegnehmen lässt... wie war das noch?)

Fazit:
Ein schlankes Digitalpiano, welches ich für sein vergleichsweise junges Alter (m.W. Baujahr 2005, Kaufdatum 2007) zu einem sehr guten Preis von 300 € bekommen hab. Es wird sich im Zusammenhang mit meinem Computer noch als MIDI-Arbeitstier unter Beweis stellen, da sind die internen Samples nicht so wichtig. Dass beim spontanen Spielen ohne PC eine Rock/Jazz-Orgel komplett fehlt und auch das Zungen-E-Piano etwas schwachbrüstig ist, ist vor allem für den Fan der 1960er Jahre doof. Zumal ich ein externes Rotary-Effektgerät habe, mit dem ich gern ein bisschen den typischen Hammond-Orgel-Sound ausprobiert hätte. Nun gut, da muss jetzt mal ein E-Piano oder Kirchenorgel-Sample als Quelle hinhalten ;)
Tastatur fühlt sich in Ordnung an, ich hätte nur etwas mehr erwartet: Fühlt sich "leicht" an und die Hämmer machen rechte laute Nachklapper-Geräusch. Ob es zwischen 20 und 22 Uhr die Nachbarn stört, wird sich zeigen.
Ob das mit uns beiden eine Ehe für's Leben wird, wage ich zu bezweifeln, aber für den Moment habe ich ein Klavier zum Üben und für MIDI-Spielereien. Und wenn sich eines Tages die Wege trennen, wird ein Yamaha von 2005 auch noch einen nicht-verschwindenden Wiederverkaufswert haben...


PS: Noch eine Frage zu der Tastatur. Besitzer von neuen "Einsteiger"-Pianos à la Thomann-Hausmarke sind begeistert, klagen jedoch häufig, dass "die Tastatur klappert"... könnte das einfach derselbe Effekt sein, den ich hier beobachte?
 
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