Meine Welt dreht sich nicht weiter ohne dich

  • Ersteller Teestunde
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Dann lass es leuchten.
 
Das tue ich doch schon. Nur du nicht. Anstatt dessen suchst du nach Bestätigung.
 
Was ist daran so verwerflich?
 
Was ist daran so verwerflich?
Nix, dazu ist dieses Forum ja da. Nur bei den letzten Punkten der Diskussion wäre ich längst ausgestiegen, da geht's schon lange nicht mehr um dich und deinen Text.
 
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Hi @Teestunde und in die Runde,
mich berührt der Text - da ist viel drin, er löst bei mir viele Erinnerungen und Assoziationen aus.
Das liegt auch an der Offenheit des Textes, die ich als sehr bereichernd empfinde:
  • Es bleibt offen, welches Geschlecht das LI und das LD haben.
  • Es bleibt offen, ob es um eine Liebesbeziehung geht oder um eine Freundschaft oder um welche soziale Beziehung konkret.
  • Es geht um Worte und nicht um Tätlichkeiten. Das nimmt nichts davon weg, dass Worte sehr verletzend sein können, aber es geht nicht um körperliche Gewalt, nicht um Schläge etc. (was wiederum die geschlechtliche Offenheit des Textes steigert).
Worum geht es dann?
Aus der Erzählperspektive des LI, das nach einem verbalen Angriff merkt, dass dieser die Beziehung gefährdet, werden dessen Gedanken und inneren Konflikte, Befürchtungen, Selbstvorwürfe und schließlich in der letzten Strophe die Handlung des um Verzeihen-Bittens geschildert. Das LD, das dem verbalen Angriff ausgeliefert war und nun um Verzeihung gebeten wird, reagiert anders als vom LI gedacht und vermutlich befürchtet und nimmt der ganzen Situation die Schärfe und - so scheint es - überhaupt die Grundlage eines Verzeihens.

Was mich beschäftigt sind insbesondere zwei Fragekreise, die sich aus meiner Lesart des Textes ergeben:
  1. Ist die Einsicht des LI und sein Motiv des Um-Verzeihung-Bittens darin motiviert, dass es sein Verhalten selbst falsch findet oder darin, dass es die Beziehung gefährdet?
  2. Ist das Verzeihen des LD darin begründet, dass es den Angriff nicht gespürt (und also nicht darunter gelitten) hat oder darin, dass es das Verhalten des LI zwar falsch, aber menschlich ("das passiert ja jedem mal, auch mir") verzeihlich (und damit des großen Aufhebens nicht wichtig genug) findet oder darin, dass es selbst keine Gefährdung der Beziehung aushält (und das Verhalten zwar falsch findet, aber das nicht thematisieren möchte) oder darin, dass es lieber im Gegenzug gleiche Großzügigkeit erwartet und quasi aus taktischen Gründen verzeiht.
Der Text gibt hierzu keine eindeutigen Antworten, aber Hinweise.
Beim ersten Fragekreis, wo es um die Motive des LI geht, deute ich die Stelle, wo sich das LI wie ein Kind fühlt (auch) so, dass es sich in einer ähnlich abhängigen Weise fühlt und deshalb um Verzeihung bitten muss, weil es die Beziehung nicht gefährden kann. Ein Kind ist von Eltern abhängig - deshalb (wir kennen das aus unserer eigenen Geschichte) fängt es an, sich für Dinge zu entschuldigen, von denen es denkt oder fühlt, dass es falsch sein muss, weil Mutter oder Vater (oder beide) so reagieren als hätte es einen Fehler gemacht. Hier steht nicht die Einsicht in das falsche Verhalten im Vordergrund sondern das Aufrechterhalten der Beziehung zu den Eltern. Ist dies bei der hier geschilderten Beziehung (die ich nicht als Kind-Eltern-Beziehung sehe) genau so?
Dann wäre gleichzeitig die Macht und die Ohnmacht in der Beziehung stark im Vordergrund - dass Aspekte von Macht und Ohnmacht in jeder Beziehung eine Rolle spielen, ist für mich ausgemacht: es geht darum, wie bestimmend diese sind.
Für Einsicht und Selbstreflexion stehen hingegen andere Textstellen - etwa die, dass Worte wie Steine sein können oder dass es sich "hat hinreissen lassen" und etwas ausgesprochen hat, das es so nicht meint und im anstehenden Gespräch gerade rücken will.

Beim zweiten Fragekreis, wo es um die Motive des LD geht, deutet schon die Auswahl an unterschiedlichen Motiven und die gegenüber dem LI geringeren Informationen, die wir dem Text über das LD entnehmen können, darauf, dass es hier mehr Offenheit, mehr Raum für Spekulationen und Projektionen gibt.
Was keinesfalls schlecht ist - denn die Hörenden können sich nicht nur in die Situation und die Rolle des LI hineinversetzen, sondern auch in die Situation und Rolle des LD. Wie würden sie als Zuhörende entscheiden? Wie kommt die geschilderte Reaktion des LD bei ihnen an? Vermuten sie Großzügigkeit oder Ignoranz, echtes Vergeben oder taktisches Kalkül?

So weit meine (ersten) Gedanken zu diesem inspirierenden Text.

x-Riff
 
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x-Riff Wow!!! Ich danke dir erst mal und antworte noch in Ruhe, sobald ich Zeit habe. Bin beeindruckt von deinen "ersten" Gedanken.
 
Ist die Einsicht des LI und sein Motiv des Um-Verzeihung-Bittens darin motiviert, dass es sein Verhalten selbst falsch findet oder darin, dass es die Beziehung gefährdet?
Ich glaube, beides. Das LI merkt, dass es über eine Grenze hinausgerannt ist und fürchtet nun, nichts als Chaos zu hinterlassen. Der Gedanke, das LD unwiderruflich verloren zu haben, macht ihm den Wert der Beziehung erst richtig klar.
Ist das Verzeihen des LD darin begründet, dass es den Angriff nicht gespürt (und also nicht darunter gelitten) hat oder darin, dass es das Verhalten des LI zwar falsch, aber menschlich ("das passiert ja jedem mal, auch mir") verzeihlich (und damit des großen Aufhebens nicht wichtig genug) findet oder darin, dass es selbst keine Gefährdung der Beziehung aushält (und das Verhalten zwar falsch findet, aber das nicht thematisieren möchte) oder darin, dass es lieber im Gegenzug gleiche Großzügigkeit erwartet und quasi aus taktischen Gründen verzeiht.
Das LD (du beziehst dich auf die erste Version, oder?) verzeiht aus Liebe. Wenn das LI kalt geblieben wäre nach seinem Ausrutscher, dann hätte es wahrscheinlich den Schlussstrich gezogen, aber so ist es ja nicht. Das LI bereut zutiefst, was es dem LD angetan hat.

Zu deinen Fragen kann ich (nur) sagen, dass es auch ein Akt der Selbstbefreiung sein kann, wenn man explodiert (explodieren darf) ohne, dass gleich die ganze Welt untergeht. Das Risiko besteht immerhin. Aber das LD - zu echter Liebe fähig - hätte kein Interesse an einem Rollenspiel. Der Ausbruch des LI ist darum nicht lebensgefährlich, obwohl er, scheint's, jedes Maß überschritten hat. Da ist kein Kalkül und keine Erpressung nach dem Motto, sei, wie ich dich will, und mach deinen Ausbruch damit wieder gut. Das LD fühlt, dass es dem LI mit der Bitte um Verzeihung ernst ist.
 
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Das LD (du beziehst dich auf die erste Version, oder?) verzeiht aus Liebe.
DAS finde ich tatsächlich den fundamentalen (und guten) Unterschied von der ersten zur zweiten Fassung.
Die erste Fassung kann man so lesen, dass eine gegenseitige Abhängigkeit besteht, in der das LD sich auch keine Welt ohne das LI vorstellen kann und deshalb (unabhängig von oder gar gegen die eigene Einsicht) verzeiht bzw. verzeihen muss.

Die zweite Fassung bleibt konsequenter beim LI - im Grunde schließt sich der Kreis: nach einer Aggression findet man wieder zueinander.
Man wünscht sich, beide sind bereichert, gereifter und können sozusagen auf neuer, gewachsener und festerer Grundlage ihre Beziehung weiter führen. Was bei einigen Paaren zur Trennung führt, führt hier zu Einsicht und Verzeihen und einem gewachsenen Vertrauen.

Das kann so sein. Der Skeptiker liest vielleicht nur: Welt wieder in Ordnung - für das LI - und damit ist dann alles, alles wieder gut ...

Zu deinen Fragen kann ich (nur) sagen, dass es auch ein Akt der Selbstbefreiung sein kann, wenn man explodiert (explodieren darf) ohne, dass gleich die ganze Welt untergeht.
Unbedingt. Dem Urvertrauen der ersten Verliebtheit folgt ja irgendwann das Kennenlernen aller Aspekte, einschließlich der eigenen Schatten sowie denen des Gegenüber. Und dort die Erfahrung zu machen, dass auch diese sich zeigen dürfen und man trotzdem angenommen und nicht verurteilt wird, ist das, was die Beziehung tiefer macht.
Das LI steht in keiner Schuld, weil das LD fühlt, dass es dem LI mit der Bitte um Verzeihung ernst ist.
Das ist eine interessante Kombination ... Fühlte das LI etwas anderes, stünde das LI in einer Schuld? Hängt die Schuld von der Wirkung auf andere ab oder von der Intention des/der Agierenden?
Die protestantische Ethik und einige andere Ethiken hätten da, glaube ich, eine klare Antwort: Es ist die Gesinnung, die zählt, es ist die Absicht, die Schuld verursacht, es reicht der Gedanke hin, schuldig zu werden ...

Ein weites Gebiet.

x-Riff
 
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Fühlte das LI etwas anderes, stünde das LI in einer Schuld?
Den Satz hab ich inzwischen zurückgenommen, weil er zu Missverständnissen führen könnte. Aber okay: Ja, man macht sich schuldig, wenn man nur verletzt und demütigt. Es ist feige, sich dann hinter einer Mauer zu verschanzen und auch noch auf ein Einlenken des Verletzten zu warten. Viele verhalten sich so. Weil sie nicht genug menschliche Größe haben, den Fehler einzusehen.
Ich finde deine Gedanken zum Text einfach überwältigend. Ich merke, du liest ihn wirklich. Das animiert zu weiteren Texten, die hoffentlich genau so "ankommen".
:)
 
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Mir fällt dazu eine Zeile von Erich Fried ein, die mich immer wieder umhaut:
"Geliebt wirst Du einzig, wo Du schwach Dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren."
 
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Geliebt wirst Du einzig, wo Du schwach Dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren.
Ich bin dankbar, dass ich das kennenlernen durfte. Dass mir nicht aus jedem Ausrutscher oder Fehler ein Strick gedreht wurde. Dass es soetwas AUCH gab, war schön.
 
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