Mobile Absorberwand - Dokumentation

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Moin,
ich werde für Aufnahmen eine mobile Absorberwand bauen und das ganze für euch dokumentieren. Da ich öfters mal umzieh ist es vollkommen wahnsinnig meine Wände mit Akustikelementen zuzupflastern - aber ein bischen Anspruch habe ich trotzdem :)
Da ich Physik mit Schwerpunkt Akustik studiert habe und bei meiner Arbeit die Möglichkeit habe professionelle Messungen durchzuführen dachte ich das ist doch vielleicht ganz informativ für den ein oder anderen. Normalweise beschäftige ich mich mit Aeroakustik, aber Raumakustik ist jetzt nicht allzu weit entfernt :m_piano1:
Geplant sind Berechnungen, die Baudokumentation, Absorptionsgrad Messungen und Raumakustik Messungen mit viel Background Infos.

Episode 1: Der Plan


Ich benötige 2 - 3 Absorber, die ich direkt hinter und neben mein Mikrofon stellen möchte. Der Schall verteilt sich Kugelförmig von der Quelle und nimmt daher mit r^-2 in der Amplitude ab. Das tut er, da sich die Schallenergie auf die gesamte Kugelfläche aufteilt, die bekanntlich A=4 pi r^2 beträgt (Das stimmt natürlich nur, wenn es sich um eine punkförmige Monopolquelle handelt). Nehmen wir an mein Absorber steht einmal 1m entfernt von der Schallquelle, und einemal 2m entfernt. Mein Absorber hat natürlich einen perfekten Absorptionsgrad von alpha=1. Das würde bedeuten, dass der 2m entfernte Absorber lediglich 1m^2/2m^2= 25% der Energie im Vergleich zum nahen Absorber dissipiert. Daher machen Stellwände Sinn, die nahe an die Quelle (mich) gerückt kommen.
Jetzt könnte man sich verschiedenste Absorber-Bauformen vorstellen. Beispielsweise ein Ikea-Kallax Regal mit den Stoffschubfächern, die einfach mit Mineralwolle gefüllt werden (das klingt schwer und unhandlich). Ein poröser Absorber, der auf eine Holzplatte geklebt wird. Einen Lochplattenabsorber etc...
Das ganze sollte natürlich im Zimmer bewegbar bleiben und beim nächsten Umzug zumindest zu zweit handhabbar sein.
Nun gibt es eine Grundregel bei Absorbern: Man braucht Bau-Tiefe, und man kann diese nur durch noch mehr Tiefe ersetzen. Bei einem Wandabsorber ist das ein Problem, man will sein Zimmer ja meist nicht meterweise verkleiner. Bei dem mobilen Absorber ist das jetzt nicht so dramatisch, dafür wird er tendentiell auch sehr schwer wenn man ihn arg tief kontruiert.
Ich war im Baumarkt und habe mir mal die Leimhölzer angeschaut. Dort gibt es schönes Buchenholz in 18mm dicke und 20cm, 30cm und 40cm tiefe. Ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, dass man einen Absorber jenseits von 20cm tiefe tragen kann, daher wollen wir uns hier auf 20cm beschränken.
Die Bauformen, die infrage kommen sind im grunde genommen der Poröse Vorhang, also ein Schaumstoff mit angeschlossener Luftfeder und ein Lochplattenabsorber. Beide machen sich die Eigenschaft des Schalls zunutze, dass eine stehende Welle an der Absorber-Rückwand erzeugt wird. Da das Aborptionsmaterial Schall - also die Bewegung der Luftmoleküle - in Wärme dissipiert und das ganze proportional zur Bewegungsgeschwindigkeit ist, profitiert unser Absorber von der stehenden Welle. Direkt an der Wand wird der Druck maximal und die Schallschnelle null, abhängig von der Schall-Wellenlänge lambda bekomme ich dann im Abstand von lambda/4 den ersten Druckknoten der stehenden Welle (der Druck wird also null) und ein Schnellemaximum.
Solange unser Absorptionsmaterial bei der entsprechenden Frequenz ist, kann sich dahinter auch Luft befinden, der Absorber wirkt im Grunde genommen gleich gut. Erwischen wir mit unserer Frequenz allerdings gerade den Schnelleknoten, so bleibt unser Absorber wirkungslos. Das kann man natürlich ausrechnen, also tun wir das auch!
Zunächst einmal aber sollte klar werden - wir können hier Geld und Gewicht sparen.
Der Lochplattenabsorber kommt ebenfalls mit einer dünnen Schicht Absorptionsmaterial aus, hat aber ein anderes Wirkprinzip. Er ist ein Resonanzabsorber und ist im Grunde genommen ein Feder-Masse System mit Dämpfung. Da wir unseren Porösen Vorhang mit einer Masse beschweren, erreichen wir damit viel tiefere Resonanzfrequenzen, was gut ist (hohe Frequenzen kann jeder absorbieren:tongue:). Allerdings wird relativ schnell ersichtlich, dass man den Preis einer tiefen Resonanzfrequenz mit einer geringen Wirkfrequenz-breite bezahlt. Man kommt also mit einer schweren Masse tief, aber halt nur in einem so kleinen Frequenzbereich, dass man sich den Aufwand sparen kann. Stattdessen möchten wir eine möglichst kleine Masse, sodass die Wirkfrequenz-breite groß bleibt. Irgendein Genie ist auf die Idee gekommen, dass man einfach die Masse der Luft verwenden kann. Man bohre Locher in eine Platte und die Luft die in den Löchern hin und her schwingt ist unsere Masse, tada!

Im nächsten Teil werde ich die Wirkprinzipien von beiden nochmals genauer erläutern, vielleicht die Formeln grob herleiten und dann mal ganz konkret durchrechnen, wie der Absorptionsgrad aussieht.
 
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Wir haben seit geraumer Zeit Stegplatten
Stegplatte_16_mm_Fachwerk_Stegplatte-kaufen_1200x800.png


mit ausreichend Basotec beklebt und die Front Seite (Basotec) mit Stoff verkleidet und die Rückseite bei Bedarf tapeziert (Optik). Dazu aus Holz ein paar Klemmfüße gebaut. Das lässt sich sehr gut transportieren und extrem felxibel Auf- und Abbauen und lagern. Der "Raum" Sound kann je nach Wunsch und Stellung der Wände sehr variabel von "Knochen trocken" bis "Wet" gestaltet werden. Da wir überwiegend Vocals im Studio aufnehmen, haben wir die dafür die richtigen Stellungen gefunden.

Die Kennzahlen der Absorbtionswerte von Basotec für 10 cm dicke Platten sind wie folgt:

FQ100Hz 125Hz 160Hz 200Hz 315Hz 400Hz 500Hz 800Hz 1000Hz 1600Hz 2500Hz
10cm Stärke 25%48%70%91%100%100%100%100%100%100%100%
[TBODY] [/TBODY]

[TBODY] [/TBODY]
Topo :cool:
 
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Moin,

@topo - ich hab hier noch Basotect in unterschiedlichen Dicken rumliegen, ich werde am Ende mal eine Vergleichsmessung machen.

Episode 2: Die Theorie


Wir können jetzt unseren ABorber nach dem Motto "viel hilft viel" basteln, aber wir könne auch erstmal rechnen und eventuell viel Geld sparen. Zum Beispiel stellt sich die Frage, ob wir einfach viel dicke ABsorberfläche benutzen, oder zB einen sehr wirksamen aber teuren oder stattdessen viele unwirksame aber billige Absorber bauen. Dazu gibt es jetzt ein bischen Akustik Theorie.

Wir können die Schallausbreitung mit der Wellengleichung beschrieben, deren Lösung für die ebene Schallwelle, abhängig von der Frequenz f, w=2 pi f, der Schallgeschwindigkeit c, der Wellenzahl k=w/c, und der Zeit t
p(x,t,f) = p_0 exp(1j(kx-wt))
ist. Wenn die Schallwelle reflektiert wird, mit dem komplexen Reflektionsfaktor r, ist das entstehende Schallfeld eine überlagerung aus hin- und rücklaufender Schallwelle, es entsteht die stehende Welle
p = p_hin + p_rück = p_hin + r*p_hin
Aus dem Trägheitsgesetz der Akustik bekommen wir das Verhältnis aus Druck p zu Schallschnelle v (Der Druck als Energiepotential veranlasst eine Beschleunigung der Luftmolekühle) mit
p/v=rho c
wobei rho die Luftdichte und c wieder die Schallgeschwindigkeit ist. Wir nennen dieses Verhältnis Impedanz z=p/v, und es sagt uns, wieviel Widerstand unser Medium unser Schallausbreitung entgegensetzt.

Die Impedanz ist der wichtigste Wert um Absorption und Reflektion zu berechnen, denn immer wenn es einen Impedanzsprung gibt, wird Schall reflektiert.

Mit dem Trägheitsgesetz der Akustik bekommen wir den Zusammenhang zwischen dem Reflektionsfaktor und der Impedanz vor unserer Wand:
z/(rho*c)=(1+r)/(1-r)
oder andersrum für z0 = z/(rho*c)
r = (z0-1)/(z0+1)
Wenn wir den Reflektionsfaktor kennen, können wir daraus leicht den Absorptionsgrad alpha berechnen (merke, faktor bezieht sich auf die komplexe Feldgröße während der grad sich auf die energetische Leistungsgröße bezieht, daher grad~faktor^2).
alpha = 1- |r|² = 4 Re{z0} / ((Re{z0}+1)²+Im{z0}²)

Wenn wir jetzt also die Impedanz von unserem Absorber kennen, können wir direkt den Absorptionsgrad ausrechnen. Wir können aber schon an der Gleichung sehen: Ein Realteil Impedanz nahe 1 ist gut, einer hoher Imaginärteil eher schlecht für die Absorption.

Um die Impedanz nun zu berechnen benötigen wir zunächst einen Kennwert des Absorptionsmaterials: Den längenbezogenen Strömungswiderstand Xi in [N s m^-4], der typischerweise irgendwo zwischen 5000 und 100000 liegt. Allerdings benutzen wir fprtan den normierten Wert XI0 = Xi d/(rho c)
Außerdem benötigen wir die Absorber Porösität sigma_a, die wir blöderweise nicht kennen (also setzten wir sie einfach gleich eins). Mit etwas Mathe und Materialtheorie, die ich euch und mit jetzt mal erspare, ergibt sich daraus die Impedanz
z0 = sqrt(kappa_a)/sigma_a sqrt(1-1j*(Xi sigma_a)/(w rho kappa_a)) (1+exp(-Xi0))/(1-exp(-Xi0))

Es gibt zich herleitungen für die Impedanz von verschiedenen Absorberaufbauten, interessant ist vor allem eins: Was erzeugt die Impedanz und was heißt das für meinen Aufbau? Normalerweise zeigt sich, dass die Theorie-modelle alle ziemlich gut sind, diesem Fall sehen wir vor allem wie sich die Absorbereigenschaften auf sein Verrhalten auswirken:
1) Für kleine Widerstände XI0 ist der Absorptionsgrad klein und schwankt stark über der Frequenz, dafür ist der Absorber Impedanzangepasst, d.h. der Schall dringt auch in den Absorber ein.
2) Mit wachsendem XI0 nimmt zwar die Absorption zu, aber die untere Grenzfrequenz ab der Schall in den Absorber eindringen kann nimmt rapide zu.

So, genug mit langweiliger Theorie, im nächsten Abschnitt rechne ich mal nach Grundlegenden Formeln den Absoptionsgrad für die drei Aufbauten Lochplattenabsorber, Poröser Vorhang und Vollmaterial aus und vergleich das Ergebnis mal mit den vielen Online-Rechnern die es gibt.
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---

Episode 3: Die Rechnung


Jetzt schauen wir uns mal die Kennlinien von verschiedenen Absorberaufbauten an. Der Trick am Porösen Vorhang und Lochplattenabsorber ist es ja, teuren Absorber durch billige Luft zu ersetzen. Daher habe ich mir jetzt drei Aufbauten überlegt:
1) Vollmaterial wie @topo es beschreibt. Einfach mal 10cm dickes Basotect auf ne Platte. Da muss ich nix rechnen, die Absorptionskurve gibts von Basotect gratis dazu. Kostet so ca. 60€/m² plus ein paar Kröten für die Stellwand
2) Poröser Vorhang. Ich hab jetzt mal einen günstigen Standardschaum von Thoman rausgesucht, der kostet 25€/m² bei 7cm dicke. Nehmen wir unsere 20cm Holzplatten vom Baumarkt, gibt das eine Luftfeder von 13cm. Preis je nach Holz sind dann 50-100€ / m²
3) Lochplattenabsorber. Nehmen wir 3cm Schaumstoff, den gibts quasi gratis nachgeworfen. Ansonsten genau wie beim Porösen Vorhang, es gibt halt ne zusätzliche Vorderplatte. Je nach Holz auch etwa 50-100€ /m²

Anbei mal meine eigens berechneten Absorptionskurven (+ 10cm Basotect

yolo.png

sowie der Vergleich von http://www.acousticmodelling.com/ für Vollmaterial (blau), Porösen Vorhang (grün)

vorhang.PNG

und den Lochplattenabsorber

lochplatte.PNG
 
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Episode 4: Der Bastelplan


Jetzt wirds ernst! Ich war im Baumarkt und hab das Holz besorgt. Aufgrund der schönen Buchenplatten in 200cm x 20cm x 1.8 cm wird der Absorber 1m x 1m x 20cm mit 50cm Füßchen. Dabei besteht die Tiefe aus 13cm Luftfeder und 7cm Absorber. Daher rechen genau zwei Platten. Dann noch eine 1m² HDF Platte in 5mm dicke. Die Rückseite wird dann mit Stoff bezogen. Dann noch ein paar Kanthölzer als Abstandshalter und Winkel zur Konstruktion. Gesamtpreis liegt jetzt bei ca 100€ pro Absorber.

Vorne auf den Absorber kommt dann mittels Stiften je nach Bedarf ein Bespannter Rahmen oder eine Lochplatte drauf.
 
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äh,
falls du ein normales deutsches Tastaturlayout benutzt:
die zweite und dritte Dimension gibts mit [Alt Gr] + entsprechende Ziffer
m² oder m³ liest sich entschieden angenehmer. :opa:
 
Oh danke @Pfeife , kannte ich noch nicht:great:

Episode 5: Bastelspaß


Als erstes wird das Holz nochmal nachgeschmirgelt und geölt.
Beides ist im Zimmer ne leichte Schweinerei, staubt ganz schön und von dem Ölgeruch wird man leicht high. Wobei letzteres auch ganz ok ist:tongue:
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Also 1m ist auf jeden Fall länger, als ich gedacht habe. Ich glaube ich hatte eher so an 70cm gedacht, naja Männer und Längenschätzungen...:ugly:
 
Bastelspaß geht endlich weiter! Hab gerade mal den ersten Rahmen gemacht.
Hab das ganze erst gedübelt und dann mit Metalwinkeln verstärkt.
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Interessant. Bin gespannt, wo das in einem geschlossenen Raum hinführt. Wünsche Dir schon einmal gutes Gelingen.

Welche Instrumente spielts Du für Mikrophonaufnahmen? Ich sehe da ein Cello und so etwas wie ein Keyboard?

Der Anlass war "unschöne Aufnahmen" ?
 
Welche Instrumente spielts Du für Mikrophonaufnahmen? Ich sehe da ein Cello und so etwas wie ein Keyboard?

Der Anlass war "unschöne Aufnahmen" ?
Moin,
naja der Anlass sind mittelmäßige Aufnahmen. Ich komponiere schnell mal was und nehme das direkt auf. Meist Cello, Gesang und Gitarre. Das Keyboard ist nur Midi, langfristig kommt zwar ein Flügel her, aber dazu brauch ich erst mal den Raum. Der bekommt dann auch ne Anständige Akustikbehandlung, die Stellwände siond jetzt erstmal ne Übergangslösung.


Ich hab jetzt die Rückwand eingesetzt. Zuerst habe ich den Stoff drübergeschlagen und mit den Metallwinkeln festgezogen. Dadurch sieht man von außen die Schrauben nicht.
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