aber ich bekomme das nicht vom Blatt gelesen und in eine Melodie umgesetzt. Also wieder Takt für Takt - und dann spiel ich's wieder auswendig und schau nicht mehr in die Noten. Jedes neue Stück eine Ochserei. Ein Teufelskreis, so lerne ich das irgendwie nie...
Mir geht's doch nicht viel anders.
Ich hab im Vorschulalter meine schlimmen Erfahrungen mit der Blockflöte gemacht*. Dann 40 Jahre Radio und Plattenspieler, ehe ich erstmals ein "richtiges" Instrument in die Hände bekam. Nix mit "Talent". Ich kann Noten bei weitem nicht nicht so schnell lesen, wie ich sie spielen soll und ich kann nichts auswendig spielen, selbst wenn ich es 100x hintereinander übe. Es geht ein paar Takte gut, dann machen die Finger was sie wollen und das hat nicht das geringste mit dem Stück zu tun. Ich brauche dann Ankerpunkte in den Noten, an denen ich mich fangen kann und kann mich hoffentlich an die nächsten beiden Takte genug erinnern, dass sie eine faire Chance haben, richtig zu kommen.
Das hindert mich nicht, Freude am Üben mit den Noten zu entwickeln. Sich Griffbilder drüber zu schreiben, Farbcodes oder Ziffern - alles die doppelte Arbeit.
Ich hab's eine Weile mit Klavier versucht - ein Erbstück. Da gibt's auch jede Menge Apps, Griffhilfen, Lernvideos, ... Und dann sitzt man da, scrollt vor und zurück, damit man in Zeitlupe sehen kann, was die Finger machen sollen. Dabei steht das alles in den Noten! Statt 10 Minuten Video, wo einer erklärt, wann man welchen Finger wohin legen muss, und wo man ewig nach den (fehlenden) Bookmarks für die einzelnen Phrasen sucht - einfach ein Blatt Papier. Die Punkte geben die Töne (und beim Klavier sogar die Lage auf der Klaviatur) an, ab und zu ein Hinweis, welcher Finger das machen soll. Fertig. Man kann das beliebig langsam lesen, jeden Takt ohne Gefummel beliebig wiederholen. Besser geht's nicht. Ich kann Noten nicht "lesen", aber ich kann sie "buchstabieren". Damit komme ich klar.
Den blöden Spruch "wenn Du es singen kannst, kannst du es spielen", kann ich jedenfalls nicht mehr hören.
Es geht also langsam und schwer. Na und? Wenn's langsam geht, mit dem Erarbeiten der Noten und danach auswendig - so ist das Leben. Andere können nach Gehör. Wichtig ist doch, dass am Ende ein Musikstück heraus kommt. Auch nach bald 20 Jahren "Gemurkse" merke ich immer noch, dass es jedes Jahr einfacher geht.
Ich geh' mal davon aus, dass ICH in meinem Leben nie irgend ein Stück "mal so" spielen kann, weil sich die vorgestellte Melodie ohne nachzudenken auf das Instrument übertragen wird. Ich
spreche nicht Saxophon (und auch kein anderes Instrument). Ich bin bestenfalls musikalischer Hilfsarbeiter, ein "Musiker" wird keiner mehr aus mir. Ich kann's aber nach reichlicher Vorbereitung mittlerweile im Orchester ziemlich glaubhaft vortäuschen, ohne dass sich mich rauswerfen.
Wenn ich im Jugendorchester oder der Bläserklasse als Verstärkung mitspiele, damit die Kinder eine "solide Stütze" haben, an der sie sich orientieren können, dann komme ich bei den einfachen Stücken vom Blatt meine liebe Not. Das ist kaum schwerer als Hänschen klein, aber alle erwarten, dass "der Senior" das suverän und gefühlvoll prima vista vom Blatt spielt. Und es sind nicht immer die Kleinen, die sich verspielen.
Klar, ich weiß z.B. "das ist ein D und es ist eine punktierte Viertelnote und dann kommt ein F und das ist eine Achtelnote usw.", aber ich bekomme das nicht vom Blatt gelesen und in eine Melodie umgesetzt.
Meine aktuelle Methode (nicht selbst ausgedacht) ist: Beim ersten Durchspielen so langsam, dass jeder Ton auf Anhieb die richtige Tonhöhe ist, auch wenn ich absetzen und nachschlagen muss (OK,
nachschlagen muss ich nicht mehr). Egal ob der Rhythmus oder die Länge stimmen. Erst mal nur sicherstellen, dass fehlerfrei(!) gegriffen wird. Erst wenn das sichergestellt ist, kümmere ich mich darum, dass es auch etwas schneller fehlerfrei(!) geht und dass auch die Ton Längen genauer werden. Fehlerfrei(!) fördert positive Rückkopplung. Besser 3 Wochen im Schneckentempo, als am dritten Tag zu schnell und Fehler einlernen. Besonders, wenn Du keinen Termindruck hast, die 8-9 Stücke 2 Wochen vor Auftritt im Ziel Tempo sitzen müssen.
Mir hilft es sehr, wenn ich mir Aufnahmen des Stückes anhören kann. GENAU des Stückes, das ich mit meiner Stimme spielen soll und bei der ich diese Stimme auch hören kann, nicht "irgend eine Aufnahme". Aber selbst "irgend eine Aufnahme" vermittelt mir, was die Noten eigentlich ausdrücken wollen. Je mehr Sinne beteiligt sind, desto besser kann ich mich der Aufgabe nähern.
Du willst zu viel in zu kurzer Zeit. Kein Stützrad wird das nachhaltig beschleunigen. Ich würde auch nicht darauf spekulieren, dass irgendwann einfach der Knopf auf geht und von da an ist es leicht. Es wird vielleicht immer schwer bleiben. Umso wertvoller ist jeder auch kleine Erfolg.
P.S.:
*) Eine neue Blockflöte habe ich seit einigen Wochen auch wider

Ich lerne jetzt "barocke Griffweise"

Und es ist immer noch so schwer, wie ich in Erinnerung hatte...