[Pickups] Seymour Duncan TB-16 59/Custom Hybrid

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Einleitung/Motivation​

Ein Review zu einem Tonabnehmer, braucht es das und ist das überhaupt sinnvoll?
Die Frage ist berechtigt, aber mir war danach, ein paar Zeilen zu schreiben und vielleicht ist es ja für den ein oder anderen interessant oder hilfreich.
Den beschriebenen Seymour Duncan TB-16 besitze ich seit Dezember letzten Jahres. Gekauft habe ich ihn beim Soundland in Fellbach.

Vorgeschichte​

Meine Hauptgitarre ist seit 2007 eine Yamaha Pacifica 812. Werkseitig ist diese mit 2 Seymour Duncan SSL-1 Singlecoils und dem allseits bekannten TB-4 "Jeff Beck" bestückt.
Das sind hochwertige Tonabnehmer mit geradezu klassischen Sounds, die im richtigen Kontext eigentlich immer funktionieren. Mit den Singlecoils war und bin ich auch sehr glücklich.
Der Humbucker am Steg jedoch sorgte zuletzt vermehrt für den Wunsch nach Veränderung.
Mit meinem Setup (Peavey Classic 30, Zerre primär aus Boss BD-2, Friedman BE-OD Klon und seit neuestem Victory V4 Kraken) stört mich eine nasale Note im oberen Mittenbereich und eine allgemeine "Schmierigkeit" im Sound.
Für gewisse Sounds "muss" das so sein, aber speziell wenn es über Powerchords hinausgeht fehlte mir Transparenz. Ebenso war mir der Sprung im Pegel bzw. der Soundunterschied zu den SSL-1 zu groß.
Der TB-4 (oder SH-4) ist sicher einer der meistverbauten Tonabnehmer, daher findet man dazu auch viele Berichten von Nutzern, die über ähnliche Probleme wie ich berichten.
Als Mensch mit elektrotechnischem Hintergrund tue ich mir mit den fast durchgehend vorherrschenden blumigen Beschreibungen der unzähligen Hersteller und Fabrikate schwer.
Die Variante Buffer und eventuell variable Resonanzbeschaltung habe ich mir deswegen auch überlegt. Auf meiner Ibanez GRG170DX habe ich so etwas vor Jahren schon umgesetzt.
Dieses Mal wollte ich es jedoch mal mit einem Tausch des Tonabnehmers versuchen.

Auswahl​

Eine Auflistung aller potentieller Kandidaten wäre vermutlich ein unmögliches Unterfangen, da es gefühlt mehr Tonabnehmer als Gitarristen auf dem Planeten gibt.
Folgende Kriterien waren für mich zwingend:
- Farbe weiß, alles andere passt optisch nicht zur Gitarre
- vier-adrig, da in der Zwischenposition mit dem mittleren Singlecoil gesplittet werden soll und ich mit einem Push-Push-Poti eine Split-Option auf der Gitarre habe
- Output passend zu den SSL-1, also eher im mittleren Bereich
- Trembucker-Spacing

Seymour Duncan war meine erste Anlaufstelle. Angeschaut habe ich mir folgende:
- TB-16 59/Custom Hybrid
- TB-12 Screamin' Deamon
- TB-PG1B Pearly Gates
- APH-1 Alnico II Pro
- TB-14 Custom 5 (wird in der aktuellen Pacifica 612V ab Werk verbaut)

Alternativ waren von Häussel noch kurzzeitig im Rennen
- Vin+ B A5
- 1959 Bridge Custom +

Schlussendlich habe ich mich für den TB-16 entschieden, da er mir von den Eigenschaften her als am passensten für meine Anwendung erschien. Das war mehr eine Entscheidung aus dem Bauch heraus, aber das ist bei Musiker-Equipment ja oft so.

Details TB-16​

Der TB-16 besteht, wie es der Name 59/Custom Hybrid andeutet im Grunde aus einer Kombination aus dem '59 Model (SH-1) und dem SH-5 Custom. Jeweils eine Spule dieser Tonabnehmer wurde hier zusammengeführt.
Die Idee ist, dass die "stärkere" Custom-Spule für die Splitsounds genutzt wird, da sie mehr einem echten Singlecoil entspricht. Durch die 59-Spule ist der volle Humbucker aber nicht so heftig, wie ein gesamter TB-5.
Durch die unterschiedlichen Spulen kann die Brummunterdrückung nicht so gut wie funktionieren, wie bei einem normalen Design. Dies ist ein prinzipieller Nachteil des Mischprinzips.
Die 59er-Spule ist diejenige mit den per Schlitzschrauberdreher verstellbaren Polstücken. Dort sitzt auch der Seymour Duncan Schriftzug. Montiert man den Tonabnehmer in der üblichen Ausrichtung, ist diese Spule dem Steg zugewandt.
Der Tonabnehmer verwendet Alnico 5 Magnete und kommt wachsversiegelt, logischerweise mit 4-adrigem Anschlusskabel mit Schirm.
Zum Unterschied zwischen Humbucker und Trembucker verweise ich direkt auf den Hersteller:
https://www.seymourduncan.com/blog/...g-spacing-explained-humbuckers-vs-trembuckers
Für die Pacifica ist der Trembucker die richtige Wahl, was die Saitenabstände angeht.

Der Tonabnehmer kommt in der für Seymour Duncan üblichen Verpackung. Falls sich jemand wundert, dass er hier etwas alt aussieht, es ist der ausgebaute TB-4 zu sehen.

DSC_0418.JPG

Einbau und Verschaltung​

Der Einbau ist absolut problemlos für jemanden, der mit Schraubendreher und Lötkolben umgehen kann. Der 4-Ebenen-Schalter plus das Push-Push-Poti in meiner Yamaha ergeben viele verschiedene Anschlussmöglichkeiten.
Zunächst habe ich den TB-16 so verbaut, wie es auch der TB-4 war, wie hier in etwas krakelig zu sehen:

SSH_Pac812_org.png

In der Zwischenposition mit dem mittleren Singlecoil ist die hintere (59) Spule aktiv. Das Push-Push-Poti splittet den Humbucker, aktiv ist wiederum die hintere (59) Spule.
Das hat so auch auf Anhieb funktioniert, allerdings war ich mit dem Sound noch nicht zu 100% glücklich. Die Split-Optionen klangen doch sehr dünn und mit zu großem Pegelabfall.
Was kein Wunder ist, denn so ist der TB-16 ja auch nicht gedacht. Beim Splitten ist es sinnvoller, die andere Spule aktiv zu nutzen.
Also habe ich mir die Schaltbilder des Schaller Megaswitch M hergenommen, der dem verbauten Schalter entspricht und überlegt, wie ich den hier eine schlaue Schaltung realisieren könnte.
Herausgekommen ist folgendes:

SSH_Pac812_modP.png

Das Push-Push-Poti ist ein DPDT, daher kann ich es zur Umschaltung des Humbuckers von seriell auf parallel nutzen. Die parallele Verschaltung hat gegenüber dem Splitt den Vorteil, dass die Brummunterdrückung erhalten bleibt.
Insgesamt ergeben sich so nun 7 Optionen:
  1. Hals-Singlecoil
  2. Hals- und Mittel-Singlecoil parallel
  3. Mittel-Singlecoil
  4. Mittel-Singlecoil und Halsspule (Custom) Steghumbucker parallel, Push-Push unten
  5. Mittel-Singlecoil und beide Spulen Steghumbucker parallel, Push-Push oben
  6. beide Spulen Steghumbucker parallel, Push-Push oben
  7. beide Spulen Steghumbucker seriell, Push-Push unten
In der Gitarre sieht den Tonabnehmer dann so aus, im Grunde wie vorher und so, wie es sein sollte:

DSC_0417.JPG

Sound​

Soundbeschreibungen sind immer sehr subjektiv und jeder versteht unter den Worten etwas anderes. Daher ist alles Folgende als meine persönliche Interpretation des Gehörten zu lesen.
Zu beachten ist, dass ich beim Wechsel des Tonabnehmers natürlich auch die Saiten erneuert habe. Zusätzlich bin ich von D'Addario EXL auf Elixier Optiweb umgestiegen. Ich habe also mehrere Parameter gleichzeitig verändert, was im Grunde jede Beurteilung einer Veränderung unmöglich macht.
Trotzdem will ich ein paar Worte zum jetzigen Zustand verlieren.
Als Fazit vorne weg: Ich bin mit dem Ergebnis des Tauschs sehr zufrieden. Die Gitarre hat dadurch in Sachen Sound und Flexibilität nochmal einen Schritt nach vorne gemacht.

Worthülsen​

Im Grunde habe ich meine vorher formulierten Hauptziele erreicht: Die nasale Note des TB-4 ist reduziert bzw. sitzt frequenztechnisch für mich passender, ich habe mehr Transparenz bei Nutzung des seriellen Steghumbuckers und der Sound passt besser zu den Singlecoils.
Diese Position ist mit ein paar Abstrichen sogar clean nutzbar, wobei ich dafür immer die Singlecoil-Optionen der Gitarre vorziehen werde.
Die große Überraschung war für mich jedoch die Verbesserung in der Zwischenposition mit dem Mittel-Singlecoil (Push-Push unten). War diese vorher eher dünn und etwas quäkig, so ist jetzt die für diese Position typische Nase im Sound frequenztechnisch weiter nach unten gerutscht.
Der Sound ist kräftiger, hat mehr Twang und funktioniert auch leicht bis mittel angezerrt hervorragend. Ich habe keine SSS-Strat zum Vergleich, für mich klingt es aber sehr authentisch.
Die zusätzlichen Optionen durch die Parallel-Schaltung (Push-Push oben) sind spannend. In der Zwischenposition wird der Sound ausgedünnt. Kein Wunder, jetzt haben wir 3 Spulen parallel. Das ist gut für etwas zurückhaltende Sounds oder wenn man mit viel Effektanteil arbeitet. Der "Charakter" tritt etwas in den Hintergrund.
Ähnliches passiert mit dem Steghumucker. In der Parallel-Verschaltung ist der Pegelabfall geringer, als beim Splitten. Ebenso bleibt das Fundament fast komplett erhalten. Die Mitten treten etwas in den Hintergrund. Clean funktioniert das für mich besser, als die serielle Schaltung.
Verzerrt nutze ich diese Variante sehr gerne für Rhythmus-Sounds. Schalte ich auf seriell um, ist das ähnlich wie ein Solo-Boost. So habe ich auf Knopfdruck zwei gut abgestufte Sounds in der Gitarre.

Soundbeispiele​

Im Folgenden versuche ich, mit kurzen Soundfiles meine klanglichen Eindrücke zu vermitteln. Alle wurden mit dem Peavey Classic 30 aufgenommen, an den mein UA Ox angeschlossen war, das geht in ein UR22 und dann in Reaper. Alle Spuren wurden auf -1 dBFS normalisiert. Um die direkten Pegelunterschiede darzustellen, habe ich auch jeweils eine kurze Sequenz aufgenommen, in der ich direkt zwischen den Positionen umschalte.

Clean​

Diese Beispiele sind mit dem Clean-Kanal des Classic 30 aufgenommen, Volume zwischen 3 und 4. Folgendes Setup habe ich im Ox verwendet:

OX_JBG_comp_rev.png

Wie wir sehen, sind Kompressor und Hall im Ox aktiv. Ansonsten sind keine Effekte vor dem Amp oder im Effektweg an.

Position 4, Mittel-Singlecoil und Halsspule (Custom) Steghumbucker parallel, Push-Push unten


Position 5, Mittel-Singlecoil und beide Spulen Steghumbucker parallel, Push-Push oben


Position 6, Steghumbucker parallel, Push-Push oben


Position 7, Steghumbucker seriell, Push-Push unten


Sequenz Position 4 - 7


Ich denke, die unterschiedlichen Klangcharakteristiken sind deutlich herauszuhören. Mit dem seriellen Humbucker fängt der Classic 30 leicht das Zerren an. Man hört auch deutlich den immer noch vorhandenen Pegelsprung beim Wechsel auf diese Position, hier vom Kompressor noch etwas eingebremst. Der parallele Humbucker dagegen passt vom Pegel her gut zu den Singlecoil-Positionen.
In der Sequenz hört man leichte Knackgeräusche beim Umschalten. Das ist vermutlich der Verschaltung zuzuschreiben, da hier mehrere Anschlüsse gleichzeitig umgeschaltet werden, inklusive des Minus-Anschlusses.

Clean mit Delay​

In der nächsten Runde habe ich etwas Delay aus dem Flashback 2 im Effektweg des Classic 30 hinzugefügt und Einzelnoten gespielt.

Position 4


Position 5



Position 6



Position 7



Sequenz Position 4 - 7



Crunch mit BD2​

Genug clean, jetzt kommt etwas Dreck ins Spiel in Form des Boss Bluesdrivers BD2. Passend dazu habe ich auch das Ox-Setup gewechselt, für alle folgenden Beispiele kam folgendes zum Einsatz:

OX_UK30_rev.png

Position 4


Position 5



Position 6



Position 7



Sequenz Position 4 - 7



Man merkt, der Humbucker beginnt sich wohl zu fühlen, besonders in der seriellen Verschaltung. Aber auch die anderen Positionen ergeben mehr als brauchbare Sounds.

V4 Kraken Green Channel​

Wenn wir schon dabei sind, zünden wir die nächste Gain-Stufe in Form des ersten Kanals des V4-Krakens. Er geht direkt in den Effekt-Return des Classic 30, umgeht also dessen Vorstufe. Das Gain ist auf 12 Uhr, im EQ sind die Mitten auf 11 Uhr, der Rest mittig, Bright ist auf -1. So klingt das dann mit offenen Akkorden:

Position 4


Position 5



Position 6



Position 7



Sequenz Position 4 -7



Und so mit etwas Powerchord-Geschrammel:

Position 4


Position 5



Position 6



Position 7



Sequenz Position 4 - 7



V4 Kraken Red Channel​

Zum Abschluss gibt es noch etwas High-Gain aus dem 2. Kanal des Kraken, das Gain steht dabei auf ca. 2 Uhr. Die Zwischenpositonen habe ich mir hier gespart, ihr hört nur den Humbucker. Feuer frei für ein paar Powerchords:

Position 6


Position 7



Sequenz



Und dann noch ein paar Akkorde auf den anderen 4 Saiten:

Position 6


Position 7



Sequenz



Mit so viel Gain werden die Unterschiede natürlich geringer. Für mich klingt die parallele Verschaltung aber immer noch etwas zurückhaltender und transparenter, die serielle hat mehr Druck unten rum, mehr Nase und verschmiert etwas mehr.

Beim Thema High-Gain komme ich zum Schluss noch kurz auf das oben angesprochene Thema der Brummunterdrückung. In der Praxis kann man es in ungünstigen Konstellationen erleben, dass die Brummunterdrückung in den Humbucker-Positionen nicht ideal ist. Halte ich die Gitarre beispielsweise nahe an den Trafo des Amps, so brummt es in diesen Stellungen mehr, als in den Zwischenstellungen mit dem Mittel-Singlecoil. In "normaler" Anwendung hatte ich damit jedoch nie ein Problem, bzw. bin als Singlecoil-Benutzer weit schlechteres gewohnt.

Fazit​

Wie üblich habe ich es mal wieder nicht geschafft, mich kurz zu fassen. Aber das Ziel war es, einen umfassenden Eindruck zu vermitteln, was der Tonabnehmer in dieser Gitarre mit meinem Gesamtsetup abdecken kann.
Ich war auf der Suche nach einer Verbesserung zum TB-4 und habe sie im TB-16 gefunden. Sein besonderer Aufbau macht ihn aus meiner Sicht zum einem idealen Kandidaten für eine SSH-Bestückung. Die Überraschung sind für mich die neu hinzugekommenen Sounds durch die Parallelschaltung.
Leider kann ich keinen direkten Vergleich zum TB-4 liefern. Mein aktuelles Recordingsetup inklusive Ox steht erst seit kurzem. Und auf den Rückbau hatte ich ehrlich gesagt keine Lust. Der TB-4 liegt momentan ungenutzt bei mir rum, ich bin noch am überlegen, was ich damit tue (verkaufen, woanders verbauen). Den Weg in die Pacifica zurück wird er jedenfalls nicht finden, dazu ist der TB-16 zu gut. Und das soll als Schlusswort reichen.
 
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