[Review] Audio Technica AT 4081 Bändchenmikrofon

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Hallöchen,

seit ein paar Wochen probiere ich aus konkretem Anlass mit einigen Audio Technica AT 4081 herum.
Eigentlich passt das nun in mehrere Kategorien, Studio/Instrumente ist aber wahrscheinlich die häufigste Anwendung, daher hier...

Bei dem seit dem Anfang des Jahres verfügbaren Mikrofon handelt es sich um ein aktives Bändchen mit typischer Achter-Charakteristik in relativ handlicher Stabform (sogar ein Doppelbändchen). Die Membran ist ein schmaler länglicher Streifen, das hat Vorteile bei der Homogenität der Richtcharakteristik (zumindest horizontal), allerdings wird so die Verwendung für typische Stereoverfahren mit benötigter Acht erschwert.
Elegantes Mikro, ausgesprochen sauber und wertig gefertigt.
Die Serienkonstanz ist scheinbar ausgezeichnet - gerade bei Bändchen ist das schwer zu gewährleisten.
Preis derzeit bei etwa 690,--, das Schwestermodell AT 4080 liegt bei etwa 880,--. Leider ist das 4081 im Gegensatz zum 4080 scheinbar nicht im Programm unseres Hausherrn.

Zum Sound: ein gutes Bändchen erkennt man einfach.
Man sagt, Bändchen seien besonders natürlich, mit sanftem Schmelz und höchster Detailtreue - tatsächlich sind ein Teil dieser Attribute einfach systembedingte "Fehler", die sich bei guten Konstruktionen vor allem aus moderatem und angenehmen Klirr ergeben.
Die Auflösung ist aber tatsächlich bei den allermeisten guten Bändchen sehr hoch. Ich betone ständig "gute Bändchen" - bei vielen billigen Bändchen kippt der Effekt durch einfach zuviel der systembedingten Fehler.

Als erstes fällt am 4081 der warme und satte, in den Höhen eher sanfte Klang auf, meine Messungen bestätigen den Eindruck klar.
Das 4081 hat eine sanfte und moderate Anhebung im oberen Bassbereich und Grundton, läuft in den Mitten sehr neutral und fällt ab dem oberen Präsenzbereich sanft ab. Im Präsenzbereich ist das Mikro ein kleines bisschen wellig, ohne zu färben, ab 10kHz liegt die Kurve schon merklich unter dem Bezugspegel.
Die Bandbreite ist sehr ausgedehnt, das Mikro ist ab dem echten Tiefbass nutzbar (-3dB bei ca. 35Hz bis 16kHz). Hier zeigt sich auf jeden Fall auch schon die Qualität des verbauten Übertragers, sehr viele andere Bändchen erreichen diese Bandbreite nicht.
Beim 4080 ist die Bandbreite noch ausgedehnter, es ist bis 20 Hz nutzbar und erreicht wie das 4081 bei 16kHz den -3dB-Punkt. Das 4080 ist aber deutlich basslastiger gesoundet.

Der Nahbesprechungseffekt ist vorhanden, aber nicht sonderlich ausgeprägt und ergänzt sehr schön den sonst sanft abfallenden Tieftonbereich. Das Mikro klingt warm und druckvoll, ohne je zu Blähen oder zu Wummern.
Das war einer der wesentlichen Gründe, warum mir das 4080 nicht so gut gefallen hat, wie das 4081. Das 4080 hat von sich aus eine deutlich kräftigere Tieftonwiedergabe, betont bis in den Tiefbass und hat zusätzlich einen ausgeprägteren Nahbesprechungseffekt. In Summe ist das einfach oft schon zu viel. Außerdem fällt das 4080 zwar sanft, aber bereits ab etwa 5kHz ab. Klar kann das alles der EQ ausbügeln, aber das 4081 erscheint mir da vielseitiger und universeller.

Die Richtcharakteristik wird durch das schmale Bändchen horizontal sehr homogen eingehalten, ab dem oberen Bassbereich bis zum beginnenden Brillanzbereich hat das Mikro eine perfekte Acht. Ab etwa 10kHz wird die Acht enger und ungleichmäßiger. Auch hier zeigt sich die hohe Qualität und der durchdachte Aufbau - das Magnetsystem verursacht keinerlei Störung der Richtcharakteristik.
Vertikal bündelt das Bändchen längenbedingt deutlich stärker und ungleichmäßiger, das ist aber in vielen Situationen eher nützlich. Das kann man beispielsweise gezielt nutzen, um Boden- und Deckenreflektionen auszublenden oder um das Übersprechen anderer Quellen zu minimieren.

Die Acht ist auf Bühnen nicht der übliche Richtcharakteristiktyp und man muss die Eigenheiten natürlich berücksichtigen. Eine Niere ist einfacher zu handhaben.
Acht heißt, dass zu den Seiten hin die Dämpfung maximal bis unendlich ist, aber Schall von hinten genauso laut aufgenommen wird, wie von vorne (aber um 180° gegenüber vorne gedreht).
Das kann man teilweise nutzen, um zwei passende Quellen gleichzeitig abzunehmen.
Nimmt man nur eine Quelle ab, muss man natürlich darauf achten, dass ein möglichst großer Abstand anderer Quellen hinter dem Mikro eingehalten wird oder idealerweise das Mikro so positioniert wird, dass die Rückseite des Mikros in stark bedämpften und wenig reflektierenden Raum weist. Nützlich können da unter anderem auch kleine Absorberschirme oder kleine Stellwände sein, z.b. bei Gitarrenampabnahme. (Bitte aber auch die potentiellen Nachteile solcher Schirme und Wände bedenken: Kammfilter und Verfärbungen... Daher sind hier reflektierenden Abtrennungen wie Acrylwände kaum einsetzbar, die diese Probleme maximieren würden.)
Auch Monitoring ist kein Problem, wenn man die Richtcharakteristik berücksichtigt - Erfahrung vorausgesetzt.

Audio Technica betont die Menge an technischen Neuerungen, die für dieses Mikrofon und das Schwestermodell AT 4080 erarbeitet wurden und die vielen Patente, die dafür angemeldet wurden.
Nun, persönlich interessieren mich nur solche Neuerungen, die ich in der Praxis auch positiv erlebe.

Unter anderem wirbt AT mit der hohen Standfestigkeit des Bändchens und das kann ich uneingeschränkt bestätigen.
Das Mikro hält auch sehr hohen Pegeln verzerrungsfrei und ohne Bändchenermüdung stand und ist auch für Transporterschütterung oder Wind nicht anfällig. Damit ist das Mikro uneingeschränkt roadtauglich. Im Korb ist ein Gewebe als leichter Wind- und Popschutz integriert. Für Vocals usw. ist ein Studiopopfilter trotzdem notwendig.
Prinzipiell sind Bändchen gefährdet, weil die sehr dünne Membran sehr leicht gedehnt wird, dann nicht mehr straff eingespannt wird und das lineare Magnetfeld verläßt. Das hat dann deutlich erhöhte Verzerrungen und massive Verfärbungen zur Folge.
Das 4081 kann man so auch bedenkenlos an Gitarrenamps oder sogar in die Bassdrum oder an Bläser stellen.

Das Mikro ist auch mechanisch sehr praxisgerecht aufgebaut, na gut, sollte man in der Preisklasse auch erwarten können. Gute mechanische Entkoppelung, keine spürbare Mikrofonie. Beides ist natürlich vor allem im Live-Betrieb wesentlich.

Der Output ist dank des Aktivbetriebes praxisgerecht gut, das Eigenrauschen ist für Bändchen typisch nicht ideal, aber auch nicht störend. Bei sehr leisen und zarten Signalen kann es sich allerdings bereits leicht bemerkbar machen, trotzdem würde ich das dem Mikro nicht zum Vorwurf machen.
Das Schwestermodell 4080 hat da leichte Vorteile.
Beide Mikros brauchen Phantomspeisung für die Aktivstufe.

Potentielle Einsatzgebiete, egal ob Studio oder auf der Bühne, habe ich ja schon einige genannt. Im Studio gibt es von Sprech- über Singstimme, bis hin zu allen erdenklichen Instrumenten, kaum einen Einsatzzweck, wo man das Bändchen nicht andenken und ausprobieren kann.
Interessant sind live sicherlich Gitarren- und Instrumentenamps (z.B. Harp!), aber auch Over-Heads und High-Hat (sehr gute Trennung der Snare), auf leiseren Bühnen auch akustische Saiteninstrumente ohne eigenen Abnehmer.

Alles in allem kann ich ATs vollmundige Werbung durchaus nachvollziehen, das AT 4081 ist ein hervorragendes Mikro, das sich auch vor den Referenzen nicht zu verstecken braucht - und das zu einem sehr attraktiven Preis. Wer also Bändchen mag oder braucht, sollte es ruhig mal austesten.
Aber wie zu Beginn schon gesagt: ein Bändchen erkennt man, wer absolute Neutralität sucht, wird hier nicht fündig.

Ciao, Deschek

Ich war mal so frei, den Thread in die Review-Abteilung zu verschieben, ich hoffe, das ist so genehm ;). - Gruß, Wil Riker
 
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Hallöchen!

Ich wurde per PN gebeten noch ein paar Praxiserfahrungen mit dem AT4081 nachzuschieben - bitte schön...! :)

Der positive Eindruck hat sich in allen genannten Punkten bestätigt und verstärkt. Sehr gutes Bändchen, das sich natürlich vielseitig im Studio, aber eben auch problemlos live und im Tourbetrieb einsetzen lässt.

Das leicht erhöhte Eigenrauschen ist in der Praxis vernachlässigbar, ich hatte bisher keine Gelegenheit, wo es sich tatsächlich bemerkbar gemacht hätte.
Das Mikro ist ausgesprochen robust und uneingeschränkt roadtauglich, macht auch windige Outdoor-Veranstaltungen problemlos und störungsfrei mit (mit Schaum-Windschutz) und hält sehr hohen Pegeln in allen Frequenzbereichen stand.

Studio:
Sehr gut gefallen mir die meisten Vocals damit, aber gerade auch an akustischen Saiteninstrumenten und Percussions (insbesondere Stabspielen) weiß das Mikro sehr zu gefallen. Flügel und verwandtes geht sehr gut...
Ein echter Tip ist es auch an Bandoneon, Akkordeon und verwandtem.
Sehr schön auch bei Holzbläsern, an der Duduk beispielsweise hat es mittlerweile mein bisher favorisiertes Kondensatormikro abgelöst. Interessanterweise klingt es hier ohne Eingriff natürlicher und authentischer als eigentlich deutlich neutralere Mikrofone (diese Beobachtung hat sich auch an einigen anderen Quellen so für mich und die ausführenden Musiker bestätigt).

Aber es prägt nun mal den Sound an vielen Quellen deutlich und erfordert eher sparsamen Einsatz, um sich nicht als Effekt abzunutzen. Also ist etwas Selbstdisziplin gefragt. ;)
Auch wenn es vielseitig einsetzbar ist, ist es eben definitiv kein Solitärmikrofon, sondern eine Ergänzung und Bereicherung eines Mikrofonbestands.

Live:
Stromgitarre der feinsten Art, völlig unkompliziert, gerade bei Zeitdruck eine echte Erleichterung.
Allerdings habe ich mir angewöhnt hinter das Mikro eine selbstgebaute kniehohe Absorberwand zu stellen, um die rückwärtige Hälfte der Acht etwas abzuschotten.
Auf sehr kleinen Bühnen kann dieses Verfahren natürlich zu Stellproblemen führen.
Für E-Gitarre wurden die AT auch ursprünglich angeschafft: Bändchen sollten es auf Künstlerwunsch unbedingt sein und die AT haben sich in meinen Vortests für Live-Anwendung eindeutig gegen jede Konkurrenz durchgesetzt.

Sehr schön ist das AT4081 als Overhead (Drums und Percussions) oder zur Hervorhebung einzelner Becken, die Quellentrennung ist dank der Acht bei richtiger Positionierung ausgezeichnet, ebenso an der Hi-Hat. Hier wird die Snare problemlos und sicher ausgeblendet.
Allerdings beides kaum machbar bei niedrigen Kastenbühnen, weil dann zu viele Deckenreflektionen einstreuen.
Als richtig übel hat sich eine Bühne mit Tonnengewölbe-Planendach erwiesen. Hier habe ich aufgrund der massiven und stark verfärbten Reflektionen die Overheads schon nach dem ersten Anspielen beim Soundcheck sofort getauscht.
Ich gehe nach meinen Erfahrungen davon aus, dass im Open-Air-Betrieb auf kleineren und mittleren Bühnen die Overhead-Anwendung allgemein etwas erschwert ist.

Schwierig ist es live mit den AT4081 an Vocals zu arbeiten. Das geht richtig gut nur in ruhigen Auditorien und auf eher ruhigen Bühnen (das ruhige Auditorium ist fast wichtiger).
Auf Jazzveranstaltungen beispielsweise war es überhaupt kein Problem das AT einzusetzen. Die Acht hat dabei sehr gut die Bühne und Beschallung ferngehalten und aus dem Raum kam nur sehr wenig zurück.

Allerdings kann ich das AT4081 zum Hervorheben von Solisten aus größeren Ensembles empfehlen bei Gruppen- oder Stereoabnahme.
Auch hier funktioniert die Quellentrennung durch die Acht ausgezeichnet und der besondere Klangcharakter des Bändchens stellt Solisten sehr natürlich heraus. Gleiches gilt natürlich auch für Instrumentalsolisten, z.B. bei Big-Band oder Blasorchester.

Bei allen Anwendungen sollte Monitoring natürlich von der Seite, idealerweise aus der 90°-Achse erfolgen und darf nie von vorne kommen. Klar, oder?

Die Acht erfordert live eben etwas mehr Sorgfalt, insbesondere bei Monitoring und lauten Bühnen. Aber wenn man sich darauf einlässt, entdeckt man eine Menge lohnender Einsatzmöglichkeiten für den spezifischen Bändchencharakter.

Ciao, Deschek
 
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