Review - MIPRO MI-909 - Wireless Digital-IEM System

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Nach Klangbutter mit seinem Review und dr_rollo mit seinem Review hatte ich als Dritter im Bunde die Chance das zu diesem Zeitpunkt wohl erste Wireless Digital-IEM System auf dem Markt zu testen.
Dafür vielen Dank an die Kollegen der MIPRO Germany GmbH :great:

1. Der erste haptische Eindruck

Die Teststellung enthielt 4 Koffer bzw. Böxlein aus stabiler Hartplatik:
- Koffer mit dem Transmitter MI-909T incl. Netzteil und den FB-71 19" Rackohren für Singlemontage
- eine Box mit den Receiver MI-909R
- zwei Böxlein mit dem Kopfhörern E-8S und E-8P

Der Sender ist in einem stabilen Metallgehäuse verbaut und läßt somit keine Wünsche für den Touringalltag offen.
Im Gegensatz zur Konkurenz setzt MIPRO für die Antennen statt auf BNC auf TNC als Connector, so daß eventuell vorhandenes Equipment für Antennencombiner, Antennen, etc. nur mit Adaptierei weiter verwendet werden kann ... naja entsprechendes Zubehör ist für jeden Einsatzfall bei MIPRO im Produktportfolio vorhanden.
Sowohl die Single- (FB-71) als auch die Dual- (FB-72) Montagerackohren bieten die Möglichkeit mittels des opt. erhältlichen Kabelsatzes die Antennen auf der Frontseite zu befestigen.
Der Koffer bietet genügend Platz, daß man auch noch 2 Empfänger und einen Satz Ersatzbakterien mit unterbekommt.
Die Bedienung des Menüs ist auch ohne Manual entspannt machbar ... bis auf ein paar kleine Dinge (Encryption, etc.), die man einmal nachlesen sollte.

Das Gehäuse des Empfänger ist aus Magnesium gebaut - wie man es auch von hochwertigen Noteboks kennt - leicht und denoch stabil ... fein fein fein :)
Der Gürtelclip ist sehr "staffgängig" und fällt somit selbst bei heftigen Bewegungen nicht vom Gürtel.
Vor- und Nachteile hat allerdings das Herausführen der Antennen auf der Unterseite ... im Gürteleinsatz besteht keine Gefahr für das Abbrechen der Antennen durch Kleidung ... allerdings ist der Einsatz in üblichen Beutelchen bei Einsatz in Kostümen nur mit Umnäherei durch die Kostümbildner möglich und auch dann ist das schnelle Tauschen und Bestücken nur umständlich.

Bei den Ohrhörern werden verschiedene Paßstücke mitgeliefert, so daß man auch ohne Otoplasten für den Anfang eine gute Paßfähigkeit erreicht.

2. Der erste Höreindruck

Also fix Interface an den Sender, meinen Standardkopfhörer Beyerdynamik DT-1350 an den Empfänger und Testtracks an ... was soll ich sagen ... neutral unauffällig, klar zeichnend ... soweit alles gut.
Einziger kleiner Wermutstropfen ist das relativ hohe Rauschen, welches ab ungefähr 75% am Volumeregler des Empfängers nochmal deutlich zunimmt. Dieser Punkt macht sich auch durch ein "Rascheln" beim Drehen des Volumeregler bemerkbar, als ob ab diesem Punkt eine zweite Verstärkerstufe zugeschaltet wird.
Im Liveeinsatz fällt dieses Rauschen aber nicht weiter negativ auf und wurde auch von keinem meiner Testopfer bemängelt.

Bei den mit zur Teststellung gehörenden Ohrhörern wird es schon kritischer ...
... die Einsteigerhörer E-8S verlieren schon deutlich an Zeichnung und dezent an Lautstärke. Was aber schwerer wiegt, ist die deutlich hörbare Verzerrung - dies aber schon bei -20dB am Input des Senders und noch nicht einmal voll aufgedrehten Volumeregler des Empfängers. Für den Bühneneinsatz vllt. noch auf leisen Bühnen mit Musikern, die geringe Lautstärken benötigen, bedingt geeignet.
... bei den E-8P - die als "Professional Earphones for MI-909R Stereo Bodypack Receiver" beworben werden - fällt mein Urteil leider vernichtend aus - keine Basswiedergabe, schon bei geringen Lautstärken extreme Verzerrungen ... einfach unbrauchbar und überhaupt nicht zu der IEM-Strecke passend :(
Diesen Eindruck teilten leider auch alle meine Testopfer im Liveeinsatz.

3. Liveeinsatz

Das gelieferte Testsystem arbeitet im Frequenzbereich von 480 bis 544MHz, so daß es bei keinem der Einsätze zu Kollisionen mit anderen Strecken kam und auch der Auto-Scan-Modus nicht wirklich praktisch getestet werden konnte.
Probleme / Aussetzer gab es mit der einfachen mitgelieferten Sendeantenne weder bei Betrieb am Monitorplatz noch direkt vom FOH (30m Bühnenentfernung).

Das Erste was positiv auffiel war, daß der Eingangspegel am Sender bei gleicher Lautstärke beim Musiker im Gegensatz zur Konkurenz, die da schon in den Eingangslimitern hängt, 10-20dB vor Peak lag. Dies führt zu einer besseren Wahrnehmung der eigenen Lautstärke besonders bei Sängern, was auch alle Testprobanden als hilfreich empfanden.
Auch beim Erreichen des Peaklevels am Eingang gab es keine Verzerrungen festzustellen, der Eingangslimiter arbeitet also sauber :)
Für Musiker die darauf stehen, daß sich ihre Trommelfelle in der Mitte treffen, also ein lohnenswertes System zum Probieren ... solang sie nicht empfindlich auf Latenz reagieren.

4. Messungen

Für die Messungen habe ich mein Interface Focusrite Scarlett 2i2 und als Software AFMG Systune Pro verwendet.

Zuerst die Messungen FLAT für die Referenz 2i2, MI909 ohne und mit Referenz sowie mit eingeschalteter Encryption
01_2i2_Referenz.png 02_MI909_ohne_Referenz.png 03_MI909_mit Referenz.png 04_MI909_Encryption.png
Auffällig ist - wie im Datenblatt angegeben - der extrem steile Abfall ab ungefähr 15kHz. So steil wie der ist und dabei die Phase unbeeinflußt lassen, scheint hier ein FIR-Filter zum Einsatz zu kommen.
Der Abfall im Bass scheint auf den Grafiken als relevant zu erscheinen, dies täuscht aber, da die Werte nur von -12 bis +12dB dargestellt werden. Beim Testhören fällt dieser nicht unangenehm auf.
Relevant und gar nicht mal so unangenehm ist der dezente Highshelf von rund -2dB ab ca. 4kHz.

Als Latenz ergeben sich also folgende Werte:
- Systemlatenz 2i2 1,573ms
- MI909 ohne Encryption ~5,9ms
- MI909 mit Encryption ~7,9ms

Bei einer analogen Umgebung (Mics, Pult, etc.) ist der Wert ohne Encryption für die meisten Musiker kein Problem.
Spätestens wenn dann Encryption, Digitale Mischpulte oder Digitale Mikrofone dazukommen, kommt es zu unangenehmen Kammfiltereffekten besonders bei Gesängen ... den Einen stört es den anderen nicht.
Bei einem Liveeinsatz hatte ich die Kombination Line6 Mic + Yamaha M7CL + MIPRO MI-909 nach Kabelbruch am drahtgebundenen Vocalmic ... die Latenz wurde nach dem Wechsel von Draht auf Line6 sofort als "komisch / unangenehm" empfunden und die Sangesleistung ließ deutlich nach.

Als nächstes hab ich mir die EQ Möglichkeiten am Sender genauer angeschaut.
05_MI909_Low.png 06_MI909_Mid.png 07_MI909_High.png
Im Regelfall mit ordentlichen Ohrhörern und einem vernünftigen Pult braucht man diese Funktion eigentlich nicht ... und daher betrachte ich sie auch nur als zusätzliches Gimmick.
Der Bass- und Höhenfilter bietet außer die Ausführung als Bell- und nicht als Shelvingfilter keine großen Überraschungen. Die Centerfrequenzen sind mit ~60Hz und ~12kHz praktikabel gewählt.
Interessant wird es im Mid-Band ... hier liegt die Centerfrequenz ungewohnt hoch bei ~2,5kHz und läßt aber somit die Korrektur der "Präsenzempfindlichkeit" des Benutzers zu.

Am Empfänger gibt es auch eine kleine Möglichkeit den Frequenzgang des Systems zu beeinflussen
08_MI909_Receiver.png
Hier gibt es 4 Einstellmöglichkeiten FLAT, LowCut, HighBoost und LowCut + HighBoost ... naja wer's braucht ;)

Von den Testusern wurde eine Sache bemängelt, die auch mir beim Testen auffiel ... die nennen wir es mal "ungewöhnliche" Regelkurve des Volumereglers am Empfänger.
09_MI909_Volume.png
Wie in der Grafik zu sehen, passiert von Empfänger eingeschaltet bis zu 50% am Volumeregler fast nix :weird:
Darüber hinaus ist der Regelweg ziemlich linear. Allerdings kann man hier auch den "Rauschteppich" erahnen, wenn man sich die Kurve über 15kHz anschaut.

5. Fazit

Wenn man mal von den MIPRO eigenen Ohrhörern absieht, ist das MI-909 ein professionelles Wireless Digital-IEM System, welches sich nicht hinter der Konkurenz im selben Preissegment verstecken muß.
Als Kontra muß man die der digitalen Übertragung geschuldeten fast 6ms Latenz und das relativ hohe Grundrauschen der Strecke anbringen.
Das stärkste Pro ist m.M.n. der hohe erzielbare Pegel.
 
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