Salut,
auch ich finde den Titel <Warum ist Holz für den Akkordeonbau so wichtig?> unpassend. So unterstellt der Titel doch schon daß es überhaupt so ist, was m.E. nicht stimmt. Man kann ohne Probleme auch ohne ein Stückchen Holz ein Akkordeon bauen und vermutlich auch ein sehr gutes. Sogenanntes Klangholz welches für den Resonanzboden beim Klavier oder für den Bau anderer Musikinstrumente benötigt wird benötigt ein Akkordeon nicht. Wie schon erwähnt gibt es Akkordeongehäuse aus Aluminium und Stimmstöcke sowie Tasten aus Plastmaterial. Und Plaste ist nicht gleich Plaste. Es gibt auch sehr hochwertige und teure Plaste. Daß der Klang auch vom Material bzw. dessen Oberfläche beeinflußt wird ist klar.
Daß früher Holz als Material für das Gehäuse und die Stimmstöcke genommen wurde liegt wohl eher daran daß es, als der Arbeitslohn noch eine ziemlich untergeordnete Rolle spielte, mit dem überall verfügbarem Holz und seiner leichten, ohne großartig Maschinen zu benötigen, Bearbeitung es möglich war verschiedenste Gehäuseformen mit rein handwerklichen Mitteln herzustellen und auch schnell auf Änderungen einzugehen. Schnell war die Gehäuseform an aktuelle Stile angepasst und der Überzug mit Zelluloid vertuschte schön daß im Innern das Holz nur sehr unsauber und roh - um nicht zu sagen lieblos- verarbeitet wurde.
In den 50igern als jedes Dorf sein Akkordeonorchester hatte wurden dann ganz andere Stückzahlen von Akkordeons benötigt, die Arbeitslöhne spielten auch schon eine wesentlichere Rolle. Und folglich entwickelte dann Hohner, der weltweit größte Akkordeonhersteller der Zeit, Akkordeons mit Aluminiumgehäuse und einem viel mehr auf Servicefreundlichkeit und Ökonimisierung des Herstellungsprozesses abgestimmte Instrumente - die Lucia und Atlantic Baureihen.
So eine Fließbandproduktion mit teuren Maschinen rentiert sich aber nur bei größeren Stückzahlen und folglich hat Hohner diese so konstruierten Baureihen auslaufen lassen als der große Boom vorbei war.
Und heutzutage ist es zwar so daß die Arbeitslöhne einen erheblichen Anteil am Gestehungspreis zu verantworten haben aber es werden auch keine großen Stückzahlen mehr an Akkordeons verkauft. Und die, welche noch in Europa hergestellt werden, haben auch ihren Preis und es werden in der Regel keine einfachen Instrumente mehr hergestellt. Heutzutage handelt es sich eher um Manufakturen welche nur kleine Stückzahlen an Akkordoens bauen und aufgrund der traditionellen Bauweise aus Holz aber auch einfach auf Kundenwünsche oder Änderungen eingehen können. Es handelt sich um hochpreisige Instrumente und heutzutage zeigt man auch mittlweile teils das "nackte" edle Holz aus welchem dann das Gehäuse besteht. Man will damit auch zeigen daß es sich hier um Handwerksarbeit handelt und nichts von der Stange/Fließbandproduktion ist, so eine Art Understatement. Daß verschiedene Holzsorten beim Bau der Stimmstöcke sinnvoll sind um z.B. Verzug zu vermeiden -teils auch Edelholz- ist zwar schlüssig, ließe sich aber durch die Konstruktion eines durchdachten Spritzgußteils - durchaus auch aus gewichtsoptimiertem Magnesium- ersetzen. Das könnte sogar Vorteile bei der Schallübertragung bringen.
Allein bei den derzeitigen Stückzahlen rechnet sich das alles nicht.
Abgesehen von diesen Faktoren ist der Akkordeonbau wie vieles im Handwerk sehr an die Tradition gebunden und neue Ideen und Lösungsansätze setzen sich nur schwierig durch.
Eine etwas anders formulierte Fragestellung könnte so lauten: Warum gab/gibt es beim Akkordeonbau nur wenige Ansätze die traditionelle Holzbauweise durch moderne Materialien zu ersetzen?
Grüße,
Roland