Tapes gedehnt – Pitch gleich?

bogar
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Hallo allerseits! Ich habe ein interessantes Phänomen bemerkt: Ich habe eine Cassetten-Tonbandaufnahme vom 05.11.1987 und eine weitere vom 19.11.1987 von meiner damaligen Band, bei der wir wohl das selbe Stück live eingespielt haben, wie ich zuerst dachte. Nachdem ich beide digitalisiert hatte, habe ich erst bei mehrfachem Hören festgestellt, dass die zweite wohl die Kopie der ersten ist (ich hatte die ältere Aufnahme an einer Stelle gegen Ende mit einer anderen Aufnahme digital gekoppelt, so dass die Enden unterschiedlich gespielt waren; die Spuren Audio 1 und Audio 2 zeigen die Kopplung, abgespielt auf dem rechten Kanal).

Da mich die Frage nicht losgelassen hat, habe ich, um sicher zu gehen, die beiden Spuren in eine GarageBand Datei kopiert, auf links und rechts verteilt, gemeinsam abgespielt und dann gemerkt, dass alles identisch ist, aber das jüngere Band offenbar gedehnt wurde. An der Tonhöhe kann ich allerdings keinen Unterschied feststellen. Der Geschwindigkeitsunterschied macht innerhalb von 5'00" ca. 4,5 Sekunden aus (das wären ca. 1,5 %, wahrscheinlich zu wenig, als dass ich mit meinem Gehör den Unterschied in der Tonhöhe bemerken würde).

Ist es ein bekanntes Phänomen, dass sich Audiotapes über die Jahre unterschiedlich ausdehnen? Oder ist die unterschiedliche Geschwindigkeit (mit immerhin 1,5 % Abweichung) beim Kopieren der Tapes entstanden? Ich kann mich leider nicht mehr erinnern, auf was für einem Tapedeck ich die Kopie erstellt habe. Die Aufnahmen liefen immer über ein Braun Atelier Cassettendeck, aber womit kopiert wurde, weiß ich leider nicht mehr.

Es würde mich interessieren, ob jemand dieses Phänomen erklären kann.

sweet-california_1987-11-05v3_und_19_arr_v2_comparison_v3_screenshot_2024-03-23.png
 
Oder ist die unterschiedliche Geschwindigkeit (mit immerhin 1,5 % Abweichung) beim Kopieren der Tapes entstanden?

Das dürfte so sein. Dehnung als Ursache kann man wohl ausschliesssen.

Cassetten Decks waren nie Wunder des Gleichlaufes. Automatische Kontrolle der Abspielgeschwindigkeit hatten die auch nicht. Das war mehr oder weniger alles mechanisch.
 
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Dehnung gab es schon - aber ich kenne das nur bei einem Defekt des Laufwerks, und dann war üblicherweise das Band hinüber (und deutlich schmaler). Da konnte man nicht mehr von 1,5% sprechen.

Bei 1,5% Abweichung hat ein Ton von ehem. 440 Hz nun 433,4 Hz. Ein Halbton tiefer als 440 Hz wären 415,3 Hz - wenn ich das richtig rechne, wären die 6,6 Hz Abfall knapp 27 Cent des Halbtonschritts: Das solltest du zumindest hören können, wenn du beide parallel hörst, es ist ja mehr als ein viertel Halbton.
 
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@FZiegler, Du hast recht! Ich habe jetzt einmal die beiden Spuren separat angehört und dann schnell hin-und hergeswitched; und die "verlängerte" klingt tatsächlich minimal nach unten verstimmt! Perfekt analysiert! Danke!
 
Ist es ein bekanntes Phänomen, dass sich Audiotapes über die Jahre unterschiedlich ausdehnen?

Das ist mehr als bekannt und ein typisches Problem der Lagerung von Bändern, wenn man nicht auf die Temperatur und Feuchtigkeit achtet. Ich hatte einst den legendären Fall einer periodischen Tonhöhenschwankung infolge ungünstiger Lagerung.

Oder ist die unterschiedliche Geschwindigkeit (mit immerhin 1,5 % Abweichung) beim Kopieren der Tapes entstanden?
Auch das ist leider eine oft vorkommende Fehlerquelle. Gerne genommen sind die Doppelkassettendecks der 90er, die eine sehr lustige Gleichlaufregelung hatten, was dazu führt, dass nicht nur beim Abspielen des linken Bands kleine Fehler kommen, sondern beim Aufnehmen nochmal dasselbe passiert.

Solche Sachen kann man mit einer entsprechend schlaueb Signalverarbeitung teilweise rückgängig machen. Dazu braucht es eine sehr hochauflösende Aufnahme des Bandes und eine kontinuierliche Kurzzeit-FFT, mit deren Hilfe man die flasche Tonhöhe identifizieren kann, um sie dann auch den Wunschwert zu korrigieren.
 
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@engineer, danke für die Erläuterung! Was ist eine FFT?
 
Was ist eine FFT?

Liefert die Frequenzkomponenten in einem Signal und kann daher zu einer Analyse der Gleichlaufschwankungen verwendet werden, indem man diskret filtert (also offensichtliche Fehler rauswirft) und common mode (also gleichsinniges) sucht, was dazu führt, dass man unter Beachtung der Grund- und Oberwellen ein auf- und abschweben beobachten und auch korrigieren kann. Autotune macht das ähnlich. Der Trick bei der Kurzzeit-FFT ist ein Kompromiss der Betrachtung, der stärker auf das sehr schnelle Musiksignal als die genaue Amplitude gelegt wird, weil man die (im Gegensatz zu einer späteren Resynthese bei Autotune) hier bei der reinen Frequenzinformation nicht braucht.

Die Methode wurde so in dieser Weise von mir Mitte der 1990er mit einem DIY-DSP System realisiert, um analoge Tonbänder (in dem Fall Studerbänder mit u.a. einer Aufnahme von Turandot aus den 1960ern) zu analysieren. Statt allerdings das Ganze aufzuzeichnen und elektronisch rückzurechnen, habe ich den ADC, der zum Samplen verwendet wurde, niederfrequent in der Phase nachgeregelt und hatte so eine Echtzeitkompensation fürs direkte Abtasten. Gedacht war es eigentlich so, dass man mit dem ersten Tonabnehmer sampelt, die Infos bezieht und mit dem zweiten den Echtzeitsampler betreibt. Das war aber mit Studer nicht zu machen. Letzderdings wurden die damals erhältlichen DSP-Systeme dann auch so performant, dass man es rein mit Signalverarbeitung machen konnte / hätte können. Der Bedarf wurde seitens auch anderer Hersteller nicht gesehen, weil die miese Qualität vorwiegend durch Lagerung der Bänder und Probleme mit wenigen Geräten auffiel. Für Cassettendecks war kein Hersteller zu begeistern, obwohl das Phänomen dort regelmässig auftritt. Meine Lösung für mich war, die Bänder immer schön bei 25 Grad zu bespielen, auch bei 25 zu lagern und später auch zu abzuspielen.

Es bleibt das Gleichlaufproblem, dass durch die (oft nicht vorhandene) Motorregelung auftritt. Dafür könnte man eigentlich einen plugin schreiben, der das Material offline hochgenau analysiert (z.B. mit Dopplerfiltern wie beim Radar) und dann dann im Nachgang das Material durch veränderliches Resampling passend korrigiert abspielt und neu speichert. Eigentlich gehört sowas in eine Casetten-Rekonstruktionssoftware , mir ist aber nicht bekannt, ob es eine gibt, die das macht.
 
Ich habe gestern auch mit meinem Tascam 414 4-Tracker gespielt.
Hintergrund: habe ihn vor gut einem Jahr mit etwas Aufwand repariert, aber dennoch niemals benutzt.
Mein Test gestern: ich nehme das Metronom mit Tempo 60 auf allen 4 Tracks auf. Das ist eine hübsche Frauenstimme, die zählt "one, two three..." im Sekundentakt.
Beim Abspielen läuft das Metronom dann parallel mit. Was hört man? Erst etwas Hall, mehr Hall, Phaser, Flanger, Echo usw., alles sehr lustig. Was ein kaputtes Tape halt so macht. Als es nach einer Minute eine halbe Sekunde auseinanderlag, habe ich andere Bandpositionen überprüft. Vermutlich müsste auch die Andruckrolle getauscht werden.
Dann habe ich noch ein altes Tape genommen und mir eine Melodiespur angehört. Der Pitch stimmt nicht mehr. Trotzdem war die alte Aufnahme noch gut zu erkennen. Und bei all der digitalen Genauigkeit heute irgendwie "herzhaft".
Musikalisch betrachtet würde ich den Song heute, 23 Jahre später, langsamer und viel präziser spielen. Der ist sehr schön, auch unperfekt und etwas verstimmt.
 
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