The Young Gods

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disillusion
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Ich kann mich noch an das einschneidende Erlebnis erinnern als ich vor ziemlich genau 9 Jahren (und es hat sich mir eingeprägt als wäre es gestern gewesen!) das erste Mal Bekanntschaft mit den Young Gods gemacht habe: „Kissing the Sun“ hieß der Titel und er hatte mich damals wohl ebenso in seinen Bann gezogen wie er es auch heute noch vermag. Viele Jahre zogen ins Land, ich vernahm kein Lebenszeichen der Band mehr und nahm an, dass sie sich gewiss aufgelöst hatten, ich behielt sie durch das freudvolle Gedenken an diesen unglaublichen Song aber in durchwegs angenehmer Erinnerung. Tatsächlich hatte ich vor einigen Jahren den Versuch unternommen etwas mehr über den aktuellen Status der Band zu erfahren, dieses Unterfangen jedoch erfolglos abgebrochen. Vor wenigen Tagen, als ich gedankenverloren in einem Bus saß und eben an einer Litfasssäule mit einigen beinahe überklebten und zerkratzten Plakaten vorbeifuhr, schrak ich auf: Ein „Y“ lugte an einer Stelle hervor, mit etwas Fantasie konnte man an der anderen Seite die Buchstabenkombination „DS“ entziffern. Ein kleinerer Schriftzug, ebenfalls halb verdeckt, lautete „szene“. Meine Gedanken spielten verrückt: Konnte dies möglich sein? Ich wagte es kaum diesen Gedanken beginnen lieb zu gewinnen, die Enttäuschung hielt meine Erwartungen in (un-)erträglichen Grenzen. Von diesem Gedanken beseelt durchforstete ich das Internet und fand auch schon bald erste Hinweise auf einen bevorstehenden Auftritt...

Gestern war in Wien das besagte Konzert. Fortsetzung folgt.


Eure Eindrücke und Erfahrungen würden mich trotzallem interessieren, kennt ihr diese Bahnbrecher, diese Urgesteine? Mögt ihr sie?
 
Eigenschaft
 
Du machst es ja ordentlich spannend ;)
Der Name sagt mir nichts.
 
OK, es ist soweit...! :)

Seit 20 Jahren dabei und noch kein bisschen leise: Die schweizerische Avantgarde-Institution The Young Gods gastierten für einen Auftritt in Wien und beeindruckten in der "Szene Wien" - und so viel sei bereits verraten - mit einer betörenden Darbietung. Der empfundene, höhere Altersschnitt des anwesenden Publikums (schätzungsweise zwischen 18 und 50+) überraschte mich angesichts des stolzen Jubiläums kaum, vielmehr erfüllte mich die offensichtliche Vielfalt der Zuhörerschaft mit der Zuversicht, dass Grenzen überschreitende, außergewöhnliche Musik immer noch leidenschaftlich geschätzt wird.

Als Vorband wurde das Projekt On/Off gewonnen, die ich auf Grund meines chronischen Zuspätkommens leider nur mehr für zwei Songs begutachten konnte. Diese wenigen Eindrücke vermittelten mir jedoch den Anschein einer überaus vorzeigbaren Performance, die ein wenig unter der - für meinen Geschmack - zu geringen Lautstärke litten und damit den nötigen Nachdruck für diese Art der Musik vermissen ließ. Projizierte Videos von Zerstörung und Unheil bildeten dagegen eine passende Kulisse für die zersplitterten, ausgefaserten Soundschnipsel des Trios.

Gespannt harrte ich aus und ersehnte mit Angespanntheit die Attraktion des Abends, geplagt von Zweifeln, ob diese auch meinen Hoffnungen gerecht werden würden - oder an meiner - mutmaßlich von Nostalgie gefärbten - Erwartungshaltung scheitern würden.

Ich wurde eines besseren belehrt: Das Intro donnert majestätisch, fies zerrüttet, bis zur Unkenntlichkeit zerstückelt aus den Lautsprechern. Kristallklar und doch wie eine defekte Maschinerie, nach vorne peitschend, knurrend, grollend. Beinahe schmerzhafte, noisige, zerrissene Einsprengsel treffen auf epische, unendliche Weiten verheißende Elektronikcollagen, verbünden sich gegen tobende Gitarrenwände und gehen eine rhythmische Symbiose mit dem Schlagwerk ein. Die wiederkehrenden Strukturen, die mich seit jeher schon faszinieren und deren verwegene Unbekümmertheit mir auch das Tor für die anspruchsvollen Arrangements der elektronischen Subkultur geöffnet hat, nehmen mich alsbald gefangen. Wütende Gitarrenakkorde gedeihen neben epochalen und pulsierenden Synthesizer, explodieren in Momenten von friedlicher Schönheit, sie zerstören, sie zerreisen - und sie verändern. Mit fortschreitender Dauer der Show verschwimmen Songstrukturen zunehmend, improvisiert wirkende Passagen werden geschickt eingeflochten, euphorisch bis zur Ekstase fortgeführt und gekonnt wieder ineinander verschmolzen.

Die Intensität der Vorstellung sucht ihresgleichen und so manche Band aus härteren Gefilden könnte sich ein Beispiel an der kompromisslosen - jedoch nie ins lächerliche abdriftenden - Härte nehmen. Zu jeder Sekunde kann man die Souveränität dieser Meister vernehmen, die Brillanz der Kompositionen ließ mich andächtig stehend, gebannt dem Schauspiel folgend, staunend und paralysiert, in meinem Inneren gleichwohl jubilierend sog ich gierig jedes Fragment in mich auf. Jedes Bruchstück wird sorgfältig begutachtet, immer noch bewundernd gespeichert. Einzelne Teilchen sind sperrig, gelegentlich auch keineswegs wohlklingend. Eine Kombination dieser unangenehmen Bestandteile ergibt - dem ungeachtet - bei den Young Gods allerdings ein schlüssiges Werk von atemberaubender Harmonie. Die typische Handschrift des Masterminds ist ständig "ohrenscheinlich" - und doch besitzt jeder Song einen Wiedererkennungswert und ist deutlich als Young-Gods-Song identifizierbar.

Auch die Bühnenpräsenz gibt keinen Anlass zu Tadel. Die Begeisterung der Beteiligten ist offenkundig: Allen voran bietet Sänger Franz Treichler - klarerweise neben der fabelhaften und bemerkenswert akkuraten Vokalperformance - eine Vorstellung der Sonderklasse: ekstatisch springend, sporadisch trance-artig gestikulierend, abseits von klischeehaften Mienenspielen, zieht er zweifellos viele Blicke auf sich. Dazu kommen die präzisen Beats von Schlagzeuger Bernard Trontin, der mit beeindruckender Stetigkeit industrial-artige, hypnotische Rhythmusfiguren spielte und sich Intermezzi dermaßen lässig aus dem Ärmel schüttelt, dass einem Angst und Bange werden konnte. Ganz anders hingegen der "Maestro" Al Comet: konzentriert ruft er an seiner Schaltzentrale die Samples (bisweilen komplex-dicht, vereinzelt aber auch fragil-ätherisch) ab. Punktgenau und immer präzise folgen die Einsätze seiner Mitmusiker. Ein weiser, behutsamer Ruhepol in diesem akustischen Wahnsinn, der von der raffiniert geplanten Systematik ebenso lebt wie vom ungestümen Wesen punkiger Stilelemente, die sich immer wieder in die lebendigen Klangwelten einschleichen.
Die zwei ruhigen, sparsam instrumentierten und mit choreographischer Zurückhaltung - die Anmut ihrer Schlichtheit glänzt nicht nur im gleißenden Scheinwerferlicht - dargebotenen Songs wirken nicht deplatziert, vielmehr wie ein wundervoller Kontrapunkt zu einem eindringlichen Programm und betonen die Wichtigkeit der Koexistenz mit den harten Facetten dieser ungewöhnlichen und gleichzeitig zugänglichen Musik.

Ein Abend voll musikalischer Spannung, Intensität und Experimentierfreudigkeit gelangt zu einem grandiosen Abschluss, ein denkwürdiger Auftritt von einer der innovativsten Bands, die ich bisher kennen gelernt habe (und dabei habe ich von dieser Kategorie bereits Myriaden entdeckt!) neigt sich seinem Ende zu.

Solltet ihr ein Faible für elektronische Experimente haben und die Gelegenheit haben diese "Götter" live erleben zu können, dann kann ich euch nur empfehlen diese Chance nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.
Ich möchte auch den Tipp an euch herantragen in das - in diesem Jahr erschienene - Doppelalbum der Schweizer reinzuhören, es bietet einen repräsentativen Querschnitt durch das Schaffen dieser Talente.
 
Sehr schöne Kritik. Das Ganze klingt ja richtiggehend nach Industrial, wenn ich deine Beschreibung richtig interpretiere...? Naja, jedenfalls kriegt man Lust, sich das auch mal anzuhören. Bin gespannt, ob ich zumindest ins Album reinhören kann.
 
neuer versuch, vielleicht kennt sie ja hier jemand...
 
disillusion schrieb:
neuer versuch, vielleicht kennt sie ja hier jemand...

ich :)

konnte leider nicht zum konzert gehen... :(
 
na klar kenn ich die :)

übrigens hab ich auch zuerst kissing the sun gehört, auf so nem Metal Sampler

hab auch die only heaven und noch ne andere und ne maxi. Geht aber nicht in die selbe Richtung wie kissing the sun

der trent reznor sagt ja immer sie haben ihn beeinflusst
 

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