Autsch, das kommt davon, wenn man ein Posting erst nach dem Kochen und Essen zuende schreibt: Nun ist mir Vali mit einem erheblichen Teil meiner Erklärung zuvorgekommen. Ich poste es jetzt trotzdem
Die Erklärung für das Hickhack um aktives oder passives Ein- und Ausatmen liegt in den Aussagen der von oliveFoxx erwähnten Phoniaterin und von sing-it: Die Atemmuskulatur hat einen neutralen Mittelpunkt, bei dem die Muskeln bei einem gesunden Menschen im wesentlichen entspannt sind. Bei mir ist die Lunge in diesem Zusatnd geschätzt zu ca. einem Drittel gefüllt.(Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass der Füllungsgrad individuell ein wenig verschieden ist)
Von diesem Neutralzustand aus muss man sowohl zum Aus- als auch zum Einatmen Muskelkraft einsetzen. Sprich: Um die letzten zwei Drittel der Lungenkapazität zu füllen, muss die Stützmuskulatur das Zwerchfell nach unten ziehen und die Brustmuskulatur die Rippen nach außen. Lässt man diese Muskeln wieder locker (und macht nicht Mund und Nase zu), strömt sofort Luft
raus, bis der Neutralzustand wieder da ist. Um vom Neutralzustand die Lunge ganz leer zu pumpen, muss sie von unten her "ausgequetscht" werden. Ein Lockerlassen führt in diesem Fall zu einem sofortigen
Einströmen der Luft. Da ist also nirgendwo ein Widerspruch drin, sondern es kommt einfach darauf an, "wo man hin will"
Bis hierhin ist das einfach mal Fakt. Das ergibt sich aus anatomischen Gegebenheiten und physikalischen Prinzipien. In der Praxis - vor allem beim Singen - können individuelle Gewohnheiten und antrainierte Techniken allerdings deutliche Unterschiede bewirken. Ich behaupte, dass die immer wieder gehörte Aussage "Sängerische Atmung bedeutet: Aktiv aus - Passiv ein" eine zu starke Vereinfachung eines komplexeren Vorgangs ist. Klar, es soll vor allem die Unterschiede zur normalen Atmung aufzeigen. Das Problem dabei ist, dass dabei Äpfel und Birnen vermischt werden, nämlich aktiv - passiv und bewusst - unbewusst. Ein Nicht-Sänger atmet immer aktiv ein und passiv aus, weil er das letzte Drittel der Lungenkapazität nie nutzt. Er tut dies immer unbewusst. Ein Sänger atmet zuerst mal auch aktiv ein und dann passiv aus, aber dann auch noch aktiv aus und passiv ein, bevor alles wieder von vorne beginnt. Und er hat Kontrolle über seine Atmung, ist sich ihrer also bewusst.
Würde man dies Gesangsschülern so erklären, würden die meisten entweder derart Bahnhof verstehen, dass sie auf Durchzug schalten oder aber sich derart auf ihre ach so schrecklich komplizierte Atmung konzentrieren, dass sie zu nichts anderem mehr kämen. Darum bleibt es fast immer bei der simplen Erklärung des Unterschieds zur normalen Atmung und man verlässt sich darauf, dass ja sowieso alle Schüler nicht lernen wollen, wie man Dutzende von Muskelgruppen im richtigen Verhältnis zueinander einsetzt, sondern wie man singt! Die zum Glück sehr seltenen Ausnahmen wie Tobia werden von obiger nicht ganz korrekten Aussage allerdings auf den Holzweg geschickt. Pech, aber es ist eben in sämtlichen Lebensbereichen ein Problem, anders zu sein als der Rest der Menschheit.
@Tobia: Solltest du tatsächlich permanent ausschließlich passiv einatmen, hast du dir entweder etwas ganz blödes angewöhnt und verschenkst einen großen Teil deiner Lungenkapazität oder du leidest uner einem massiven Zwerchfellhochstand. Da das z.B. von Leber- oder Milzvergrößerungen herrühren kann, wäre ein Gang zum Arzt dringend empfehlenswert. Nach deinen bisherigen Auftritten hier im Forum halte ich allerdings folgende Erklärung für die wahrscheinlichste: Du hast die oben erklärte vereinfachte Aussage falsch aufgefasst und willst hier einfach nur damit angeben, dass du sogar anatomisch der geborene Sänger bist...