Vertikale Improvisation = nutzlose Einschränkung?

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Tom1979
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Hallo Leute,
ich improvisiere seit Jahren viel am Vibraphon und habe mich nur sehr begrenzt mit Harmonielehre beschäftigt. Nun habe ich mal wieder ein Jazzharmonielehre Buch hervorgekramt und mich ein paat h mit vertikaler Impro Theorie gequält. Was ich davon verstanden habe ist, dass man halt im Stück je nach Akkord die passende Skala verwendet, die zum Akkord passt. Hab gedacht: super, das gibt mir doch viel mehr Möglichkeiten. Nun bin ich ziemlich ernüchtert: Ich habe folgendes Solo von Stefon Harris angeschaut:
View: https://www.youtube.com/watch?v=_BjETn2NwZM
Das ganze ist in Gm. Takt 2: Ebmaj-Akkord, aber er spielt im Prinzip die Töne von einem D7 Akkord darüber. Das hat jetzt mal überhaupt nichts zu Tun mit vertikaler Impro, oder? Die Antwort von meinem Cousin (Komponist und Lehrer für Komposition): das gb und a vom D7 kann man als alterierte Tensions von Ebmaj betrachten: gb=#9,a=#11. Ich kann das natürlich logisch verstehen, aber im Prinzip kann man über jeden Ton der Oktave sagen, er liegt entweder in der Skala, die zum Akkord gehört oder er ist alteriert. Das wäre ungefähr so hilfreich wie: zu Grün passt die Farbe Blau und alle anderen Farben die es gibt.
Meine Laienerfahrung im Improvisieren ist eigentlich: wenn ich eine Tonfolge habe, die in der Tonart startet und dort wieder endet und in sich gut klingt, ist es ziemlich egal welcher Akkord gespielt wird, es klingt eigentlich immer gut. Was ich noch als hilfreich sehe, dass man z.B. bei den Tönen vom gespielten Akkord startet und dort endet, aber was dazwischen abgeht ist reine Geschmackssache.
Ich möchte hier niemanden angreifen und mein Respekt gehört den Leuten, die diese ganzen Skalen im Kopf haben und sekundenschnell umschalten können, aber wenn man geradesogut andere Töne nehmen kann, mit genauso ansprechendem Resultat, verstehe ich den Sinn nicht ganz.
 
Ich würde eher sagen: Er verläßt Gm überhaupt nicht. Diese aufwärts steigende Linie läßt sich auch (und viel schlüssiger) als G-moll major minor interpretieren, was auch eine Form von
"Logik" hätte. Es ist dann einfach die bereit klingende (Haupt-)Harmonie über einem wechselndem Durchgangsakkord.

Aber die Frage "Wo ist die Grenze zur Willkür" ist eine mMn sehr tiefe.

Ich würde das so beantworten: Outside funktioniert nur als Gegensatz zu einem (etablierten) Inside. Und an den Nahtstellen muß irgendein schlüssiger Übergang gefunden werden.
Längere Outsidepassagen müssen eine innere Logik aufweisen, damit das Ohr über die "falschen Töne" hinwegsieht und sie akzeptiert.

Soviel in Kürze dazu von mir. Eine detaillierte Erklärung meiner Gedanken hierzu würde den Rahmen hier sprengen.

LG - Thomas
 
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Grund: Vollzitat gekürzt
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...Nun habe ich mal wieder ein Jazzharmonielehre Buch hervorgekramt und mich ein paat h mit vertikaler Impro Theorie gequält.
Welches Buch meinst Du denn?

Eine Anregung für das Improvisieren im Wechsel mit oder jenseits von "Skalen" bieten sich zum Stichwort "vertikal" durch die sogenannten "Upper Structures". Zur Erläuterung des Konzepts sind einige in der kleinen Grafik am Beispiel des Dominantseptakkords G7 zusammengestellt.
Über dem System steht ein Hinweis auf die übliche Schreibweise des Akkordsymbols in ausführlicher Form, also die Angabe der verwendeten Tensions. Beim letzten in der Reihe würde man meist G13b9 schreiben, was die Dominantseptim bereits einschließt.
Zwecks Klarheit habe ich den Akkord in Halben und in knapper Form notiert: Grundton, Terz und Septim als die funktional akkorddefinierenden Töne.

Upper Structures.jpg

Die Viertel daneben zeigen die Färbung des Klangs. Die Struktur der Erweiterungen lässt sich so leichter als Dreiklänge erkennen, die über dem Basisklang gedacht werden können. Alterationen der Tensions erhöhen die Spannung des Klangs und damit auch das Auflösungspotential.

Natürlich können die Dreiklänge der Upper Structures auch als Umkehrungen verwendet werden. Es gibt noch weitere Möglichkeiten für die Bildung von "Upper Structures", dazu ein Verweis auf eine YT-Videoreihe zum Thema, das mDecks recht praxisorientiert angeht:


View: https://www.youtube.com/watch?v=J8NmmG08M-k&list=PLt-Oh3MSFwB_ba9QaJ6sF3tkYVcjOx-as

Gruß Claus
 
Welches Buch meinst Du denn?

Eine Anregung für das Improvisieren im Wechsel mit oder jenseits von "Skalen" bieten sich zum Stichwort "vertikal" durch die sogenannten "Upper Structures". Zur Erläuterung des Konzepts sind einige in der kleinen Grafik am Beispiel des Dominantseptakkords G7 zusammengestellt.
Über dem System steht ein Hinweis auf die übliche Schreibweise des Akkordsymbols in ausführlicher Form, also die Angabe der verwendeten Tensions. Beim letzten in der Reihe würde man meist G13b9 schreiben, was die Dominantseptim bereits einschließt.
Zwecks Klarheit habe ich den Akkord in Halben und in knapper Form notiert: Grundton, Terz und Septim als die funktional akkorddefinierenden Töne.

Anhang anzeigen 1006981
Die Viertel daneben zeigen die Färbung des Klangs. Die Struktur der Erweiterungen lässt sich so leichter als Dreiklänge erkennen, die über dem Basisklang gedacht werden können. Alterationen der Tensions erhöhen die Spannung des Klangs und damit auch das Auflösungspotential.

Natürlich können die Dreiklänge der Upper Structures auch als Umkehrungen verwendet werden. Es gibt noch weitere Möglichkeiten für die Bildung von "Upper Structures", dazu ein Verweis auf eine YT-Videoreihe zum Thema, das mDecks recht praxisorientiert angeht:


View: https://www.youtube.com/watch?v=J8NmmG08M-k&list=PLt-Oh3MSFwB_ba9QaJ6sF3tkYVcjOx-as

Gruß Claus

Besten Dank, Buch habe ich: Wolf Burbat: Harmonik des Jazz.
Meine Frage war halt: wie lässt es sich erklären, dass man über Ebmaj ein D7 spielt und es gut klingt. Wie gesagt, es wäre als eine Erweiterung #9 #11 von Ebmaj zu lesen.
Im Prinzip zeigt doch schon das solo von Harris, dass es gar nicht so relevant ist über welche Akkorde man spielt, solange die tonfolge in der tonart beginnt und wieder endet. Das ist auch meine Erfahrung. Es ist mir klar dass man durch Regeln einen bestimmten Stil erreichen kann, oder bestimmte Akzente setzen kann (macht nicht das den Stil aus?) aber ich bin eben gar nicht so stilorientiert, mehr: das gefällt und das nicht. Von der Theorie der vertikalen Impro hätte ich mir halt erhofft, einfacher auf solche gut klingenden Kombinationen zu kommen, ohne dass mir jede Menge andere verloren gehen. Das scheint aber nicht der Fall zu sein (?)
Ich bin halt bis jetzt so vorgegangen, dass ich z.B. eine gut klingende Tonfolge von anderen nachgespielt und dann der Tonart angepasst habe. In Gm spiele ich z.B. gerne die Tonfolge bb, a, g, oktave höher: gb, eb, d,c. Das ist keine Tonleiter die sich von einer Durtonleiter durch verschieben (Stufe wird das glaube ich genannt) erreichen lässt, aber oft klingt es echt gut. Habe ich von Roy Ayers geklaut.
Es ist halt brutal viel Arbeit sich das vertikale System anzueignen, weil man sich ja die ganzen Skalen merken muss. Aber wie gesagt, wenn mir trotz der ganzen Arbeit viele "meiner" Ideen verloren gehen (oder ich nie darauf kommen würde), macht es für mich wenig Sinn.
 
Wenn man in besagtem zweiten Teil des zweiten Taktes den Ton d durch ein eb austauscht bleibt das Arpeggio des kleinen verminderten Septakkordes mit kleiner None im Bass (= F#o7/Eb).
Das Tonmaterial dieser Stelle stellt keinen EbMA7 sondern einen Ebo7 mit Tension d dar.
 

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