Verwirrung: Compressor vs Limiter vs Saturation

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Auch nach zahllosen Threads und Youtube Videos bin ich mir ziemlich sicher, dass ich einiges beim Thema Compressor / Limiter / Verzerrung nicht richtig verstanden habe. Hilf mir bitte folgende potentielle Irrtümer aufzuräumen. Welche dieser Quiz-Aussagen sind falsch - und warum?

1.) Stellt man bei einem Kompressor die Ratio auf extreme Werte (1:unendlich) und die Attack / Release auf Minimum, dann IST das ein Limiter.
2.) Hat ein Limiter einen Parameter namens Ratio oder Attack, dann ist die Bezeichnung falsch und es ist faktisch ein Kompressor (und kein Limiter).
3.) Ein Limiter bearbeitet nur Signalspitzen oberhalb des Thresholds. Daraus folgt, dass er das Signal in die Sättigung treibt, was eigentlich nichts anderes als ein Euphemismus für "Verzerrer" ist.
4.) Ein Limiter skaliert das Gesamtsignal, nicht nur die Signalspitzen. Da zum Ermitteln von Pegelspitzen ein minimaler Zeitraum erforderlich ist (bedingt durch Wellenlänge der tiefsten Frequenz), hat jeder Limiter immer auch eine implizite Attack- und Releasezeit - selbst wenn diese Parameter nicht einstellbar sind.
5.) Ist die Attack- / Releasezeit so kurz, dass sie in den hörbaren Frequenzbereich fällt, dann ist der Limiter / Kompressor ein Verzerrer.
6.) Ob ein dynamikbeeinflussender Effekt Kompressor, Limiter oder Verzerrer heißt, hängt vom Wertebereich der Attack- / Releasezeiten ab.

Einige der obigen Aussagen sind natürlich widersprüchlich, es kann also nicht alles wahr sein.
 
1. ja. Das hat auch mit Attack und Release wenig/nix zu tun.
2. naja. Häufig spricht man ab einem Ratio von 8:1 von einem limiter.
3. nein. Das kommt sehr auf die Parameter des limiters an. Ein brickwall/isp-limiter hat eine lookahead Funktion um signalspitzen „sanft“ abzufangen ohne zu zerren. Ein Limiter mit kurzen Attack/releasezeiten regelt auch eher sanft, lässt aber dafür transienten auch mal durch.
4. kommt auf den Limiter an. S.o.
5. eher ein clipper
6. nein. Eher vom Ratio. Zumindest bei Kompressor/limiter. Bei Verzerrungen entstehen Obertöne:
http://www.sengpielaudio.com/LineareUndNichtlineareVerzerrung.pdf
Die bei Kompressor/Limiter eher nicht gewollt sind (klar, das stimmt natürlich nicht so ganz. Stichwort färbender Kompressor)
 
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1.) Stellt man bei einem Kompressor die Ratio auf extreme Werte (1:unendlich) und die Attack / Release auf Minimum, dann IST das ein Limiter.

Könnte man sagen. In der Praxis können aber nur digitale Versionen eine Attack von 1ms und darunter realisieren. Analogen Emulationen können das nicht, da sie an den analogen Vorbildern orientiert sind und die sowas nicht konnten.

2.) Hat ein Limiter einen Parameter namens Ratio oder Attack, dann ist die Bezeichnung falsch und es ist faktisch ein Kompressor (und kein Limiter).

Theoretisch ja. Da ja irgend wann das Ding mal anfangen muss zu regeln. Auch hier wieder, analoge Emulationen können das nur mit Tricks. Die dann auch die digitalen Versionen übernommen haben. Heisst Look Ahead. Also das Signal wird analysiert, bevor es in die Regelung geht. Damit weiss der Limiter schon im voraus, wieviel er regeln muss.

3.) Ein Limiter bearbeitet nur Signalspitzen oberhalb des Thresholds. Daraus folgt, dass er das Signal in die Sättigung treibt, was eigentlich nichts anderes als ein Euphemismus für "Verzerrer" ist.

Nein. Digitale Limiter haben keine Sättigung. Üblicher Weise achtet man auch darauf, dass in den Limiter keine Signale oberhalb von 0 dBFS gelangen. Das kann der zwar problemlos abschneiden, das ist aber nicht die Aufgabe des Limiters. Die werden in der Regel verwendet, um Signale zu verdichten. Also lauter zu machen.

4.) Ein Limiter skaliert das Gesamtsignal, nicht nur die Signalspitzen.

Nein. Der schneidet nur alles oberhalb ab.

Da zum Ermitteln von Pegelspitzen ein minimaler Zeitraum erforderlich ist (bedingt durch Wellenlänge der tiefsten Frequenz), hat jeder Limiter immer auch eine implizite Attack- und Releasezeit - selbst wenn diese Parameter nicht einstellbar sind.

Theoretisch ja. Praktisch nein. Siehe die Bemerkungen zu Look Ahead.

5.) Ist die Attack- / Releasezeit so kurz, dass sie in den hörbaren Frequenzbereich fällt, dann ist der Limiter / Kompressor ein Verzerrer.

Digitale Limiter werden nie zu Verzerren. Eine DAW hat ungefähr +24 dB Headroom oberhalb von 0 dBFS. Es ist praktisch unmöglich, auf der digitalen Ebene einen Limiter als Verzerrter zu nutzen. Wenn der mal nicht mag, dann hörst Du das...... (;

6.) Ob ein dynamikbeeinflussender Effekt Kompressor, Limiter oder Verzerrer heißt, hängt vom Wertebereich der Attack- / Releasezeiten ab.

Nein.

Einfacher wäre es, wenn Du schreibst, auf was Du Dich beziehst. Analoge Geräte, oder digitale Signalbearbeitung. Das ist ein himmelweiter Unterschied.
 
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in meinem Mischpult - siehe Avatar - ist auch ein Saturator als FX drin. Das ist eine Art Verzerrer, den Steve Laguda bei Mashine Head u. a. für Gesang einsetzt. (dort mit Midas Pro X)

Der Limiter erklärt sich von selbst. Der Compressor hat dann eine sog. Ratio von 3:1 oder besser weniger, um nicht so stark zu pumpen
 
Ich würde den Aussagen aus dem ersten Post im wesentlichen zustimmen. Lookahead wurde als spezielles Feature von Limitern bereits genannt. Ansonsten sind die Übergänge von Limitern/Compressor/Verzerrer tatsächlich fließend.

Ein falsch eingestellter Limiter/Compressor kann auch schonmal eine unschöne Verzerrung verursachen. Wenn die Verzerrung absichtlich erzeugt wird, ist es ein Verzerrer. Das kann eine sanfte Sättigung oder ein kaputter Fuzz sein.

Aus physikalischer Sicht bearbeiten all diese Effekte vornehmlich die Bereiche der akustischen Welle mit den höchsten Amplituden. Im Frequenzspektrum (Fourier-Transformation) erzeugt das dann zwangsläufig irgendwelche Obertöne. Je nachdem wie auffällig die für unsere menschlichen Ohren sind, fällt der Effekt dann eben in die Kategorie Limiter/Compressor oder Verzerrer.
 
Und Bemerkung am Rande, digitale Kompressor als auch Limiter erzeugen keine Verzerrungen.
Sie können heute so gestaltet sein, dass Fehler unterhalb der Messgrenze liegen.
Grundsätzlich sind aber immer „Verzerrungen“ enthalten, wenn der THD Wert steigt.
Was er in der Mehrzahl der Fälle auch tut. ;)
(als nicht Mathematiker vermute ich die Umsetzung des Regelvorgangs als Quelle ...)
 
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Tja, auf jeden Fall kann man drehen wie man will an rein digitalen Umsetzungen von Compressor und Limiter, als Clipper oder Saturator taugen die nicht.... (;
 
Aus physikalischer Sicht bearbeiten all diese Effekte vornehmlich die Bereiche der akustischen Welle mit den höchsten Amplituden. Im Frequenzspektrum (Fourier-Transformation) erzeugt das dann zwangsläufig irgendwelche Obertöne. Je nachdem wie auffällig die für unsere menschlichen Ohren sind, fällt der Effekt dann eben in die Kategorie Limiter/Compressor oder Verzerrer.

Also als mathematischer Klugschiss: Wenn man wirklich nur die (theoretischen) Berg- und Talspitzen der Sinuswelle abflacht (und im niedrigen Amplitudenbereich keine Regelung auftritt), dann ist das eine Verzerrung gemäß der Kennlinie und Fourier macht daraus dann die Obertöne. (Das rechnen jedenfalls meine Studis bei mir so.)

Aber bei Kompressor: Große Welle kommt -> sobald der Kompressor greift (nach der Attackzeit) wird alles heruntergeregelt, bis nach Hold und / oder Release der Pegel wieder normal laufen kann. Aber in beiden Zeitabschnitten (normal oder heruntergeregelt) ist die Sinuswelle (theoretisch!) unverändert, d.h. sie enthält (gemäß Fourier) eigentlich keine Obertöne. Die Praxis ist nur nie theoretisch :cool: .
 
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Hi :hat:

Also als mathematischer Klugschiss: Wenn man wirklich nur die (theoretischen) Berg- und Talspitzen der Sinuswelle abflacht (und im niedrigen Amplitudenbereich keine Regelung auftritt)
Die Praxis ist nur nie theoretisch
hmmm nimm ein Brickwall-Limiter

Ich hab nur Halbwissen, aber soweit ich weiss, regelt ein Brickwalllimiter nicht. Er schneidet nur die überschüssigen Daten-Bits ab. Ich denk dann wird deine Theorie zur Praxis.
 
Die Praxis ist nur nie theoretisch

Versuch macht klug. Daher ein kleines Video. Da erzeugt ein Generator einen Sinus mit 0 dBFS. Der geht zuerst auf einen Limiter. Mit Lookahead. Dann wird stufenweise der Input hochgedreht was in der Folge zu mehr Regelung fügt. Nach 24s wird der Limiter ausgeschaltet und ein Kompressor eingeschaltet. Der steht auf minimaler Attack und minimaler Release. Bei dem wird dann der Threshold stufenweise untergeregelt, was zu mehr Regelung führt.

Here we go:


View: https://youtu.be/CGg0glWRJbs

Man sieht zwar beim Limiter einige Artefakte beim spontanen Ändern des Pegels, aber irgendwelche Saturation oder Verzerrungen hört man nicht. Beim Compressor sieht es ähnlich aus, wobei der deutliche Knacksen erzeugt, wenn der Threshold stufenweise geändert wird. Aber da auch keine Verzerrungen oder Saturation zu hören.

Natürlich sind das Extreme. Niemand regelt mal zwischendurch einen Compressor oder Limiter mal eben 5 dB hoch oder runter. Wie auch immer, Messtechnisch sieht man zwar was, aber das:

Tja, auf jeden Fall kann man drehen wie man will an rein digitalen Umsetzungen von Compressor und Limiter, als Clipper oder Saturator taugen die nicht.... (;

kann als verifiziert durchgehen.... (;



Mit analogen Emulationen würde das hingegen ganz anders aussehen. Da dürften deutliche Änderungen zu hören und zu sehen sein.

Einen Kompressor würde ich aber trotzdem nicht als Limiter verwenden. Obwohl der Farbfilter in dem Fall sehr gut regelt, fluchen das sicher in der Praxis einige Peaks durch. Bemerkung am Rande, der Kompressor steht auf der Einstellung Mastering:

Bildschirmfoto 2023-05-09 um 19.27.33.png


mit den anderen Einsstellungen würde man dem eine analoge Charakteristik verpassen. Und dann würde man sicher auch Obertöne und ähnliche Dinge sehen und hören können.
 
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Jetzt hat es mich doch auch interessiert und Ich habe gerade auch ein wenig rumgebastelt und sehe bei mir deutliche Unterschiede bei Kompressor / extremer Kompressor / Limiter.

Ich habe mit Audacity einen 100Hz-Ton erzeugt, diesen dann in 300 Millisekunden gefaded.
Diesen Ton habe ich in vier Varianten angeschaut (Kompression/Limiting von "Izotope Ozone8").

- Original, ohne Nachbearbeitung
- Kompressor (vintage style), 10 Millisekunden Attack, 60 Millisekunden Release
- Kompressor (vintage style), 0 Millisekunden Attack, 0 Millisekunden Release (quasi Limiter)
- Limiter (Maximizer)

So also das Original:
sinus_faded.jpeg

Komprimiert mit normalem Attack/Release. Erste Welle geht maximal durch, dann regelt der Kompressor ab. Keine Verzerrung.
sinus_compressor.jpeg

Komprimiert mit minimalem Attack/Release (theoretisch wie Limiter). Schwingung wird etwas undefiniert, irgendwas zwischen Theorie und Praxis (Zeitskala vergrößert wegen besserer Sichtbarkeit)
sinus_compressor_as_limiter.jpeg

Maximizer kappt nur den äußeren Teil der Schwingung. Je leiser der Input, desto weniger Verzerrung.
sinus_limiter.jpeg

Die Töne hören sich dann auch an wie erwartet: Keine Verzerrungen beim normalen Kompressor.
Maximizer bringt Verzerrungen (mehr Obertöne) und der "Kompressor als Limiter" irgendwas dazwischen.
Wenn gewünscht, kann ich das Audio auch einstellen.

Fazit: Jedes Tool hat so seine eigenen Eigenschaften. Gar nicht so einfach, klare Beispiele zu erzeugen.


PS: Das zeitgleich entstandene Video eins drüber habe ich ehrlich gesagt nicht verstanden ;)
 
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3.) Ein Limiter bearbeitet nur Signalspitzen oberhalb des Thresholds. Daraus folgt, dass er das Signal in die Sättigung treibt, was eigentlich nichts anderes als ein Euphemismus für "Verzerrer" ist.
Eigentlich nicht, ein Kompressor und ein Limiter ist ein Teil mit variablem Verstärkungsgrad und sollte im normalen Wirkungsbereich des Verstärkers arbeiten. ein Verzerrer arbeitet bewusst außerhalb des linearen Bereichs des Verstärkers, das ganze aber mit einem konstanten Verstärkungsgrad. Wenn ich den Kompressor aber mit Pegel außerhalb des linearen Bereichs betriebe wird er natürlich auch zu einem Verzerrer. Aber das gilt für jede Schaltung, egal ob das eben ein Kompressor, Gate, Delay, Hall, Phaser, Chorus, oder was auch immer, ist. Damit könnte man auch gleich gut sagen, dass ein Delay auch ein Verzerrer ist. Nur das ist dann eigentlich für mich eine nicht zulässige Gleichstellung bzw Verwechslung.

Vielleicht kommt ja aus dieser unzulässigen Verwechslung deine Verwirrung. Ein Hammer ist ein Hammer und eine Zange eine Zange auch wenn man mit einer Zange zur Not einen Nagel einschlagen kann. Nur dann zu behaupten, dass die Zange ein Hammer ist, macht gar keinen Sinn und hilft beim Verständnis der Werkzeuge nicht weiter.
 
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