ZunĂ€chst einmal kann ich antipasti unumwunden zustimmen. Die Zeiten Ă€ndern sich nunmal, aus der morgentlichen Wachmachertasse Kaffee ist ja auch das MonsterlifestylegetrĂ€nk geworden - Leute kaufen sich heute Kaffeemaschinen in Preisregionen, die sonst fĂŒr Gebrauchtwagen bestimmt sind, hĂ€tte man das vor 10 Jahren mal jemandem prophezeit wĂ€r' man wohl in der Klapse gelandet - na dann Guten Morgen :gutenmorgen:
Ich stelle auch fest, daà heute wesentlich mehr GesangsanfÀnger zu mir kommen und direkt Profi werden wollen. In der ersten Stunde stelle ich grundsÀtzlich die Frage, wo's denn mit dem Gesang hingehen soll - als Dienstleister muà man halt Interesse heucheln

. Oh, und es gibt AufschluĂ darĂŒber, wie man den Unterricht gestalten kann...
Als ich angefangen habe zu unterrichten (vor ca. 10 Jahren), wollten eigentlich alle singen lernen, um in einer Band zu trĂ€llern. Heute gibt es etliche, die direkt sagen, sie wollen Profi werden - selbstverstĂ€ndlich ohne zu wissen, was das eigentlich ist. Aber da man solche VerĂ€nderungen ohnehin nicht aufhalten kann, ist eine "gut-oder-schlecht-Bewertung" reichlich sinnlos. Also freut man sich ĂŒber die Motivation des SchĂŒlers und geht davon aus, daĂ sich die Einstellung mit der Zeit wahrscheinlich sowieso Ă€ndern wird.
Eine weitere Sache, die mir zunehmend auffĂ€llt, ist die Neigung der Leute, sich von Verantwortungen freizukaufen. Das sieht man an den Massen von neuen Dienstleistungen, die wie Pilze aus dem Boden schieĂen. Aber das ist ok, sowas schafft ArbeitsplĂ€tze. Wenn sich jemand einen StromschlaggĂŒrtel kauft, um mit reinerem Gewissen trotzdem fett und faul auf der Couch dahinzusiechen, meinetwegen. Oft beruhigen die Dinger das Gewissen ja schon, wenn sie nach 2x benutzen im Schrank verstauben. Man tut ja was, man hat's gekauft - der AblaĂbrief fĂŒr Moppel. Wenn allerdings Eltern z.B. ihr Kind mit ADHS-Medikamenten vollstopfen, anstatt ein geeignetes Umfeld zu schaffen bzw. ihm eine vernĂŒnftige Erziehung angedeihen zu lassen, wird's kritisch

. Wir haben uns innerhalb kĂŒrzester Zeit auf Platz 2 der weltweiten Ritalin-Konsumenten etabliert, nach den USA natĂŒrlich - aber nach uns kommt lange nix...
Dieses "Freikaufen" erstreckt sich nun auch auf Bereiche wie das Singen z.B. - man zahlt jemandem Geld, daĂ der es einem
lernt. Aber
Lernen und
Lehren ist eben nicht dasselbe. Als Lehrer kann ich jemandem zeigen, wie er es am besten lernt - aber lernen muĂ er es selbst, denn das ist nunmal ein ProzeĂ, den man durchmachen muĂ, und kein gekauftes Ergebnis.
*Bell kann ich zwar auch insofern zustimmen, als nicht jeder immer und unbedingt Unterricht braucht. Jemand, der motiviert ist und sich um den richtigen Weg bemĂŒht, wird als Autodidakt immer weiter kommen als obengenannter "FreikĂ€ufer" beim besten Lehrer der Welt. Und heute gibt es viel mehr Möglichkeiten fĂŒr Autodidakten, YouTube und Google entpuppen sich da als wahrer Segen. Man weiĂ zwar nie, ob der, der das Tutorial hochgeladen hat, auch weiĂ, was er da tutort - aber das weiĂ man beim Lehrer aus Fleisch und Blut auch nicht unbedingt - und schlieĂlich gibt es ja noch Foren, bei denen sich oftmals was hilfreiches herauskristallisiert. Ich z.B. habe beschlossen, nun endlich richtig Gitarre zu lernen, und nach reiflicher Ăberlegung entschieden, das ohne Unterricht zu tun. Allerdings hatte ich frĂŒher schonmal 3 Jahre Unterricht, und es hat herzlich wenig gebracht. Aber zumindest weiĂ ich jetzt, wie man vernĂŒnftig greift und anschlĂ€gt bzw. zupft - also kann ich den Rest alleine und werde höchstens mal 1-2 Stunden nehmen, wenn ich in einer Sackgasse stecke oder sich irgendwelche sonstigen Probleme einstellen.
Umgekehrt war mein Gesangsunterricht damals Gold wert. Meine Stimme hat sich gewaltig verÀndert

. Zwar klinge ich immer noch wie ich, aber vorher eben eher dĂŒnn und mau. Der Unterricht hat neben TragfĂ€higkeit, einem schöneren Klang und SouverĂ€nitĂ€t auch noch andere Dinge bewirkt, wie z.B. die FĂ€higkeit, das Feeling auch in die richtige Bahn zu lenken, um ihm entsprechenden Ausdruck zu verleihen. Weil, nur weil man etwas fĂŒhlt, kann man es noch lange nicht so ausdrĂŒcken, daĂ es beim Zuhörer auch so ankommt. Man denke nur einmal an die Leichtigkeit, die eine Ballett-TĂ€nzerin in ihrer Performance zur Schau stellt - in Wirklichkeit aber sind das stahlharte Muskeln bis zum Zerbersten angespannt. Wir sind im Showbiz, also hat die Fassade, die erzielte Wirkung beim EmpfĂ€nger, PrioritĂ€t (es sei denn, man singt nur fĂŒr sich allein unter der Dusche), und wie man eine bestimmte Wirkung erzielt will gelernt sein. Oftmals ist das nĂ€mlich ganz anders als man denkt, ein gutes Beispiel sind Film- und Fotomenschen, die unfaĂbar kreativ sein mĂŒssen, um Dinge glaubhaft rĂŒberzubringen. Man nehme den Sounddesigner von Indiana Jones, der ein Mikrofon auf den heimischen Esstisch gestellt und das GerĂ€usch aufgezeichnet hat, das seine HĂ€nde beim Herummanschen im KĂ€seauflauf seiner Frau verursachten (von etwaigen Eheproblemen hinterher ist nichts bekannt...)

- damit man die Auf-Insekten-herumlauf-Szene aus dem zweiten Teil fĂŒr echt hĂ€lt. Das Rattengequike im dritten Teil ist HĂŒhnergegacker schneller abgespielt. Um die Kurve zu kriegen, sowas macht man dann, wenn das Original nicht authentisch wirkt, so lĂ€cherlich das auch klingen mag.
Und das muĂ man lernen, niemand will bei einer TrĂ€nenballade sein Innerstes nach auĂen kehren und dann feststellen, daĂ sich das Publikum vor Lachen krĂŒmmt - weil der Schmerz vielleicht echt sein mag, aber nicht echt wirkt...
Nach diesem ganzen GewĂ€sch sollte ich nun evtl. auch mal die ursprĂŒngliche Frage beantworten

: Klar ist es möglich, das auch ohne Unterricht zu lernen. Guter Unterricht macht es Dir leichter und zeigt Dir Sachen, auf die Du alleine womöglich nicht gekommen wĂ€rst - aber zwingend notwendig ist er nicht. Wenn Du wirklich ein guter Shouter bist, ist bereits Feeling da (und hoffentlich auch die FĂ€higkeit, es zu ĂŒbertragen), die Atmung ist trainiert, die Aussprache gut und Rhythmik sollte auch kein Fremdwort sein. Beste Voraussetzungen also. Mach' einfach und falls Du auf Probleme triffst, kannst Du ja immer noch bei einem Profi um Rat fragen
