Auch wenn es für den Tonsatz, für das Arrangieren, das Komponieren usw. gewisse Regeln, Modelle, und Gepflogenheiten gibt, ist Musik doch weit davon entfernt, eine Wissenschaft zu sein. Und die sog. Musikwissenschaft ist ein anderes Feld, wie
@Jackpot schon ausgeführt hat.
Zu der Frage, wo Musik beginnt, "Kunst" zu sein, wird man in der Tat auch bei einer professionellen Betrachtung kaum ein zufriedenstellende oder möglicherweise sogar gar keine Antwort finden.
In einem Kompositionsstudium geht es auch primär nicht darum, per se "Kunst" zu produzieren, sondern zu lernen, seinen musikalischen Inspirationen eine praktische akustische Gestalt zu geben, z.B. in Form einer Verschriftlichung einer Partitur, die aufgeführt werden kann. Per Definition handelt es sich durchaus um eine künstlerische Tätigkeit und ein freischaffender Komponist wird, wie auch jeder andere freischaffende Musiker, grundsätzlich keine Probleme haben, bei der Künstlersozialkasse aufgenommen zu werden (wenn er die dazu notwendige Mindesthöhe der Einkünfte überschreitet).
Insofern würde auch H. Fischer dort aufgenommen werden, weil ihre Tätigkeit(en) an sich in den Tätigkeitsrahmen der von der KSK abgedeckten Berufe fällt. Wobei sie es erstens nicht (mehr) nötig hätte und zweitens ganz bestimmt die Obergrenze des Einkommens, die für die gesetzliche Rentenversicherung gilt, um mehrere Größenordnungen überschreitet.
Allerdings kann aus dem Blickwinkel des professionellen Tonsetzers durchaus die Musik von H. Fischer analysiert und bewertet werden, auch ihre gesanglichen und darstellerischen Leistungen sind auf jeden Fall einer Bewertung zugänglich.
Und genau in diesen Punkten kann man ihr auf keinen Fall mangelndes Können oder mangelnde Professionalität vorwerfen. Singen kann sie, tanzen kann sie und Performen ist überhaupt ihr Metier. Auch die Kompositionen, deren Arrangements und deren Einspielung und Wiedergabe erfüllen ohne weiteres professionelle Standards. Ich würde sagen, dass sie sogar im Sinne der "Sprache" und der gängigen Schemata des Pop-Genres als gut bis sehr gut bezeichnet werden können, die Sachen sind in jedem Fall perfekt eingespielt und produziert.
Wobei auch eben diese Perfektion ganz sicher mit zu ihrem großen Erfolg beiträgt.
Unabhängig von dieser Beurteilung, die ich (als Profi-Musiker) als professionell und fachlich korrekt bezeichnen möchte, fällt mein
persönliches Urteil über H. Fischers Musik aus, das ich gleichwohl ebenfalls fachlich begründen kann, bzw. begründen zu können meine.
Mir gefällt ihre Musik nicht, wie überhaupt das entsprechende Pop-Genre. Mit ist diese Musik zu stereotyp ´gestrickt´, zu vorhersehbar, zu gleichförmig, vor allem beim stereotyp vor sich hin stampfenden Beat. Ich finde solche Musik schnell langweilig, spannungslos und sie geht mir schlicht auf die Nerven.
Für mich ist sie aufgrund ihrer sehr stereotypen Erscheinung, Vorhersehbarkeit und ihrer auf auswechselbaren Mustern beruhenden Strukturen mehr Kunsthandwerk als wirkliche Kunst.
Dabei sehe ich ein, dass es in der Musik vielleicht sehr viel schwieriger ist, zwischen "Kunsthandwerk" und Kunst zu unterscheiden.
In der Malerei ist wohl eine anerkannte Tatsache, dass der früher in vielen (klein-)bürgerlichen Wohnzimmern an der Wand hängende "röhrende Hirsch" und dessen Pendant, die mehr oder weniger leicht bekleidete "Zigeunerin" (so nannte man die Figur damals), eindeutig als Produkt des Kunsthandwerks galt und nicht als Kunst, zumal es sich um Massenerzeugnisse handelte.
Die Menschen, die sich solche bildnerischen Erzeugnisse an ihre Wand hingen, hatten sicherlich Gefallen daran, sonst hätten sie die Wand nicht damit behängt.
Soll man sie dafür kritisieren? Sicher nicht. Allenfalls, wenn jemand daher gekommen wäre und den "Hirsch" als bedeutendes Kunstwerk gepriesen hätte dem ein "Rembrandt" nicht das Wasser reichen könne, allenfalls dann hätte ich doch deutlich widersprochen und den Kunstsachverstand eines solchen Prahlhans stark in Zweifel gezogen.
Einer Aussage wie "mir
gefällt der "Hirsch" besser als "Der Mann mit dem Goldhelm" kann man naturgemäß nicht widersprechen.
Über den Sachverstand vieler Musik-Hörer kann man allerdings auch gewisse Zweifel hegen. Unsaubere Intonation (die ich bei H. Fischer nicht finde) können viele nicht ansatzweise hören, von jeglichen tieferen Kenntnissen in Tonsatz, Formenlehre, Stilkunde usw. ganz zu schweigen. Wenn ich an so manchen Titel denke, der als unterbrechender Musikbeitrag in WDR5 (einem fast reinen Wortbeitrag-Sender mit Nachrichten, Features, Wissenschaftssendungen u.a.m.) läuft, muss ich H. Fischer im Vergleich direkt als hochqualitatives Produkt einstufen. Allzuoft muss ich dort, wenn ich Nachrichten/Berichte höre, zwischendurch akustische Erzeugnisse ertragen (ich mache dann aber immer sofort ganz leise), die ich auch und gerade in handwerklicher Hinsicht einfach als grottenschlecht bezeichnen möchte. Möchtegern-"Sänger", die wirklich die Töne nicht treffen (kein Stilmittel, sondern wirklich falsch), die nicht den Hauch irgendeiner stimmlichen Qualität haben (´gejammert´ statt gesungen) und deren Arrangements von derart gediegener Langeweile und Phantasielosigkeit strotzen, dass der Milchschaum in meinem Frühstücks-Cappuccino davon spontan zusammenfällt.
Zu den Begriffen "minderwertig" und "entartet" möchte ich mich auch noch äußern.
"Minderwertig" ist schon ein sehr hartes Urteil und natürlich sehr herabwürdigend. Dennoch würde ich dieses harte Wort von
@marcel22 nicht in die Nähe von "entartet" rücken. Da gebe ich
@Jackpot recht, der weiter oben den Kontext von "entartet" genauer beschrieben hat. Damit wurde von den Machthabern im 3. Reich von oben herab die ihnen nicht genehme Musik sozusagen ´amtlich´ abgewertet, verfemt und mit ihrem menschenverachtenden, zynischen, bösartigen und mörderischen rassenideologischen Gedankengut verknüpft. Als "Diskussionsbeitrag" waren diese Verfemungen jedenfalls nicht gedacht.
Das sehe ich bei
@marcel22 nach wie vor anders, dem ich selbstverständlich unterstelle, seine Meinungen und Äußerungen hier ganz normal zur
Diskussion zu stellen, allerdings dabei gelegentlich etwas ´deftigere´ Formulierungen wählt.
Dabei wird in anderen Zusammenhängen der Begriff "minderwertig" durchaus als objektive Bezeichnung einer schlechten Qualität benutzt. Ich denke dabei vor allem an das sog. "PSA-Fleisch", also Fleisch, dass blass (
pale), weich (
soft) und wässrig (
exudative) ist [siehe hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/PSE-Fleisch]. Dieses Fleisch ist objektiv von minderwertiger Qualität und tritt typischerweise bei den in der Massentierhaltungen bevorzugten hochgezüchteten, schnellwachsenden Schweinerassen auf, wenn sie beim Schlachten Stress ausgesetzt sind (was leider allzuoft immer noch der Normalfall ist). In Deutschland wird solches Fleisch dennoch gerne gekauft, denn hierzulande darf das Schnitzel und das Kotlett nun mal so gut wie nichts kosten.
In der Pfanne schnurrt dann das Schnitzel ganz schnell auf Mini-Größe zusammen, da es sich dann spontan entwässert. Von "Geschmack" erst gar nicht zu sprechen.
So ähnlich geht es mir mit Pop-Musik à la H. Fischer. Nach wenigen Sekunden ´schnurrt´ diese Musik in meinen Ohren auf langweiliges Gedudel zusammen.
Aber soll man Menschen, die am Existenzminimum leben einen Vorwurf machen, wenn sie sich ab und zu so ein Billig-Schnitzel kaufen? Sicher nicht, allenfalls solchen Zeitgenossen, die locker mal eben einige Zehntausend Euro für einen fetten SUV ausgeben, aber beim Steak um jeden Cent pfuchsen.
Kann man den Menschen einen Vorwurf machen, die Fans von H. Fischer und co sind, die millionenfach ihre Sendungen schauen und ihre CDs kaufen?
Auf keinen Fall!
Kann man mir einen Vorwurf machen, wenn ich so kritisch dagegen halte?
Ich hoffe nicht.
So geht für mich Toleranz.