Welche Anforderungen/Ausbildungen soll oder muss ein Tontechniker mitbringen um den Job ausüben zu können?

  • Ersteller Lärmbelästigung
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Bei meinen Anmerkungen weiter oben, wo ich das AB-Stereohauptmikrofonsystem ins Spiel brachte, war ich einerseits von idealen Verhältnissen ausgegangen, andererseits mehr von einem Mitschnitt als von PA. Wenn es über die Abnahme zur Verstärkung im Freien geht, ist ein Stereo-Hauptmikrofonsystem selten bis fast nie hilfreich und daher entbehrlich. Da geht man in der Tat besser mit nah positionierten Mikros an die Spieler heran.

Genau. Sobald die Verhältnisse nicht mehr ideal sind, kann der Techniker möglicherweise helfen - die Kunst ist, das so zu tun, daß das Ergebnis dem Publikum, aber auch den Musikern gefällt. Geht natürlich nicht immer. Allerdings war die technische Entwicklung an der Front die letzten Jahrzehnte echt rasant.

Wobei die "nah ran" Methode beim Mitschnitt noch den Vorteil (oder auch Nachteil, wie man es nimmt) hat, deutlich mehr nachträgliche Eingriffe zu ermöglichen. Auch Profis sind Menschen, die Fehler machen - und gerade Live-Konzertmitschnitte kann man ja nicht mal eben wiederholen.

Allerdings ist es auch verdammt viel Aufwand, ein ganzes Sinfonieorchester komplett mit Nahmikrofonen auszustatten, das macht glaub ich schon deshalb fast niemand. Zumal die Entkopplung bei vielen Instrumenten auch nur recht schwach würde.

Karajan hat mit solchen Dingen experimentiert, auch mit Overdubbing-Aufnahmen für klasische Werke. Ist oft nicht so wirklich gelungen, weil den Musikern der Kontext des Orchesters beim Einspielen fehlte. Auch mit Schmutzspur bleibt da einfach eine Diskrepanz.
 
Wenn es irgendwie in die Richtung einer Produktion geht, setze ich selbstverständlich Stützen zusätzlich zum Stereo-Hauptsystem, und zwar unabhängig von der Besetzung.
Nur mit einer Stereo-Anordnung arbeite ich, wenn es z.B. nur um eine reine Archivaufnahme, eine Aufnahme zur Spielkontrolle geht, oder es schlicht keine Zeit gibt, mehr Aufwand zu machen. Auch wenn ich als Solist mitspiele und mich selber um die Aufnahme kümmern muss, bleibt es bei den zwei Mikros, für mehr habe ich dann keinen Nerv.

Jeden Musiker einzeln abzunehmen kommt wohl schon mal bei Filmmusik-Produktionen vor, und auch wohl nur, wenn es um bestimmte Klang-manipulierende Nachbearbeitungen geht. Dann werden aber Clip- oder Kontaktmikros genommen um ein Übersprechen zu vermeiden.

Ansonsten ist es weder üblich, noch gar nötig, allzu kleine Einheiten zu mikrofonieren, wobei Solisten natürlich immer ihre eigene Stütze bekommen, oder bei Barockstücken mit Basso Continuo das Cello, dass den B.C. spielt und dann auch das Cembalo oder Positiv.

Einmal im Jahr nehme ich ein großes Oratorium auf mit Chor, Orchester und Gesangssolisten (2020 allerdings nicht, da fiel die Produktion aus). Da bewege ich mich je nach Besetzung zwischen 16-24 Kanälen (davon stets 2 für das Hauptmikofon-System - maximal könnte ich 32 Kanäle bestücken, was aber noch nie nötig war).
Hinsichtlich der Stützen mache ich immer einen sorgfältigen Plan, wobei ich natürlich mittlerweile meine "Standards" habe, da erstens der Auftrittsort immer gleich ist (eine große Kirche mit sehr guter Akustik) und zweitens die Besetzungen auch nicht immer so stark differieren.
 
Oh Mann, mit welchen Leuten hast du nur zu tun? Oder liegts an deinem Zugang? Ich weiss es nicht,kann das aus der Distanz auch nicht beurteilen.
in meinem Umfeld ist es jedoch so, dass Bands, ebenso wie ich, ganz gut vorbereitet sind, und höchst kommunikationsbereit sind. Das ist der Regelfall und definitiv nicht die Ausnahme. Denn an sich wollen alle, von den Künstlern, uns Betreuern bis zu den ganzen Leuten des Veranstalters, dass die Veranstaltung ein Erfolg wird. Und damit ist eine extrem gute Basis für ein konstruktives Zusammenarbeiten gegeben.

Ich glaube, bei Bands ist das Problem kleiner, weil dort die PA eigentlich immer selbstverständlicher Bestandteil des Auftritts ist und auch elektronische Instrumente einen recht hohen Stellenwert haben. Da spricht man eher die gleiche Sprache.

Für eher klassich orientierte Musiker ist die PA häufig mehr in bestimmten Situationen notwendiges Übel als gewohntes Werkzeug. Und sie ist auch och elektrisch, das geht sozusagen schonmal gar nicht ;)

Da fehlts dann glaub ich schon an der Motivation, sich mit dem Thema näher auseinanderzusetzen, und entsprechend "tief" ist das Verständnis für die Probleme. Auch das gilt natürlich längst nicht für alle.

Die Crux ist, daß auch für die "Klassiker" die Relevanz des Themas Tontechnik zunimmt. Nicht nur wegen Aufnahmen und Internet, sondern auch weil immer mehr "Jobs" anfallen, bei denen man halt keine optimalen akustischen Verhältnisse hat. Seien es Open Air Konzerte, Nachwuchsprojekte oder Engagements in Räumen, die man sich nicht aussuchen kann.

Es finden zunehmend Auftritte in Sälen statt, die ohne PA kaum sinnvoll zu bespielen sind - z.B. weil so mancher Saal primär auf Konferenznutzung ausgelegt und deshalb akustisch weitgehend "tot" ist. Und natürlich erlaubt bessere Technik auch wieder neue Veranstaltungsformen, die man dann nutzen will/muß.

Andererseits sind halt die Tonleute in den Stadthallen und Kongreßzentren oder bei größeren Veranstaltungen in der Regel nicht auf klassische Orchester verwurzelt, sondern eher im Bereich der Event-Technik, in dem Bands, Big Bands und ähnliche Formationen dominieren. So sie überhaupt wirklich im Tonbereich ausgebildet wurden und nicht eigentlich Hausmeister sind, die halt mal kurz in die Anlage "eingewiesen" wurden. So jemand hat selten musikalisches Fachwissen.

Wie man den Ausführungen von LoboMix entnehmen kann, unterscheiden sich die Herangehensweisen da ja schon.

Nicht unterschätzen sollte man auch, daß Künstler meist ein eher großes und eigenwilliges Ego haben (wahrscheinlich müssen sie das, um den Job machen zu können).

Da ist der eine oder andere Kommunikations-"Unfall" schon leicht möglich.
 
@Lärmbelästigung Was ich da so lese von dir, klingt stark nach dem Bedienen von Stereotypen, die es so an sich so gar nicht verbreitet in der "freien Wildbahn" anzutreffen sind. Hausmeister-Tontechniker ohne Kenntnisse der Materie, Musiker mit überschäumendem Ego usw. sind für mich stark ausgeprägte Klischees und vielleicht bin ich ja einer der wenigen glücklichen Menschen, die damit wenig zu tun haben.
Aber wollen wir mal wieder zum eigentlichen Thema zurück kommen. Aufgrund der letzten Beiträge frage ich mich doch was genau sind die notwendigen Kenntnisse bzw die unbedingt zu gehenden Wege um diese zu erlangen? Ist es wirklich für all das was, jetzt so besprochen wurde, zwingend eine (Hoch)Schulausbildung im Bereich Elektroakustik, Musik, Kompositionlehre usw. unbedingt zwingend Voraussetzung um überhaupt in die Nähe solch Veranstaltungen kommen zu dürfen? Ich bleibe da bei meiner Meinung und sage nein, das braucht es nicht. Sämtliche relevanten Kenntnisse, die man eventuell in einer Ausbildungsstätte erlangen kann, kann man auch ohne dieser erlangen. Gerade in den aktuellen Zeiten ist der Zugriff auf Fachwissen so einfach, dass jeder mit genügend Enthusiasmus diese Erlangen kann. Die praktische Umsetzung danach kann genauso über den klassischen Ansatz gemacht werden, dass man halt irgendwo als Kabelschupser und Mikrofonausteller anfängt und so Schritt für Schritt in die Materie rein wächst. Ich sehe sogar einen Vorteil in dieser Vorgehensweise, da man sehr problemorientiert, und daher mit genügend Motivation, die nötigen Kenntnisse erlangt. Klar, kann es da sein dass man dadurch nicht eine alles umfassende Ausbildung bekommt, aber das scheint für mich, zumindest meiner Erfahrung nach, auch für den schulischen Ansatz so zu sein. Zu weit ist das Spektrum der vielleicht auf einen zukommenden Aufgaben als dass es irgendeine Ausbildung komplett abdecken kann. Ich, für mienen Teil, finde noch immer etwas, das mir erlaubt, mich weiter zu bilden. Und das ist für mich auch das reizvolle an dieser Tätigkeit.
 
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Ich geb auch gerne noch meinen Senf dazu. Denn, obwohl hier keiner unrecht hat mit dem was er sagt, wurden für mich wesentliche Sachen vergessen.

Studierte Tontechniker (in welcher Form auch immer) müssen nicht unbedingt einen guten Sound machen nur weil sie jede Menge Wissen über Noten, Partituren,... angehäuft haben. Ich hab solche Leute schon grandios scheitern sehen wenn die Umgebung mal nicht optimal war (keine schöps, keine gute Akustik, keine top Musiker, keine eingemessene PA,...).
Andersrum habe ich noch keinen rock‘n roll Techniker der Erfahrungen mit problematischen Situationen hatte bei optimalen Bedingungen scheitern sehen, obwohl er keine Ahnung von all dem theoriekram hatte.
Hier hätte der Profi mit Sicherheit noch Nuancen rausholen können, aber nicht so dramatisch wie man sich das vielleicht wünschen würde.

Ein klassisches Orchester abzunehmen traue ich 90% der Tontechniker zu die ich kenne obwohl sie von musiktheorie wenig Ahnung haben.
Aber ich traue es vielleicht 20% der „orchestertonies“ zu auch mal ne punkrocknummer im 200-pax schuppen mit der selbstbau-Pa rüberzubringen.

Ich hab alles schon erlebt. Das ist nur meine Erfahrung und jeder darf das für sich selbst beurteilen ;-)
 
Bevor sich hier jetzt alle möglichen Klischees ein Stelldichein geben, möchte ich mal auf die aktuellen Inhalte beispielsweise des Studiengangs Ton+Bild (früher nur Toningenieur) der MHS Düsseldorf hinweisen, einer recht bekannten und renommierten Hochschule mit diesen Studiengang. Erlebt habe ich zwar auch schon vieles, einschließlich Musiker-Kollegen mit Animositäten, sowohl unfähige als auch fähige Tonmenschen, wiederum sowohl mit und ohne dezidierte Ausbildung, aber aus meinen Erlebnissen würde ich denn doch eher keine Gesetzmäßigkeiten ableiten wollen.

Die Hochschulen gehen durchaus mit der Zeit und richten ihre Studienangebote mittlerweile auch an den Anforderungen des Marktes aus. Wer sich unter dieser Seite [https://www.rsh-duesseldorf.de/studiengaenge/bachelor/ton-und-bild/] links bei den "Modulen" weiter klickt, der wird u.a. auf diese Seite stoßen, wo als Inhalt auch ausdrücklich "Grundlagen der Popularmusikproduktion" erwähnt wird: https://www.rsh-duesseldorf.de/fileadmin/user_upload/TB_1_5_Grundlagen_Tonproduktion_2018_19.pdf

Die Sorge, dass die Absolventen dieser Hochschule mit Pop/Rock/Punk-Formationen nicht anfangen könnten, halte ich deshalb für unbegründet.
Tatsächlich werden an den öffentlichen Theatern auch schon lange Musicals und Pop-affine Stücke aufgeführt mit Live-Combos der dazu üblichen Besetzungen und die Theater-Tonleute wissen das auch schon längst klanglich adäquat auf die PA zu bringen.
Von den ganzen privaten Pop- und Tontechnik-Akademien weiß ich von einem Freund, der an einer solchen unterrichtet, dass sie auch großen Wert auf eine breit gefächerte Praxis legen.

Es ist nur zu hoffen, dass wenn "Corona" möglichst bald im Griff ist, die vielen Menschen, die im technischen Bereich für diese und viele, viele anderen Veranstaltungen zuständig sind (aber auch alle anderen in diesem Zusammenhang tätigen), wieder ihrer Arbeit wie eh und je nachgehen können werden.

P.S.
Ich hatte den zweiten Link vergessen.
 
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Es ist nur zu hoffen, dass wenn "Corona" möglichst bald im Griff ist, die vielen Menschen, die im technischen Bereich für diese und viele, viele anderen Veranstaltungen zuständig sind (aber auch alle anderen in diesem Zusammenhang tätigen), wieder ihrer Arbeit wie eh und je nachgehen können werden.
Das kann man absolut unterschreiben. Zumal auch wir Amateure ja durchaus deren Dienstleistungen gerne nutzen, sei es durch zugemietetes Gerät oder sei es daß man sich halt auch mal nen Profi holt wenn es das Budget dann doch hergibt oder einfach ein größerer Bühnenaufbau mit Traversen etc. nötig ist, den man als Amateur schon aus Sicherheitsgründen besser nicht selber stemmt.

Die Sorge, dass die Absolventen dieser Hochschule mit Pop/Rock/Punk-Formationen nicht anfangen könnten, halte ich deshalb für unbegründet.

Das ist dort wie bei jeder Ausbildung. Übrigens behaupten die Hochschulen das mit dem "Praxisbezug" ausnahmslos alle - und schicken dann trotzdem hoffnungslose Theoretiker als Ingenieure ins Berufsleben. Da kannste in jedem Betrieb fragen.

Auch wenn "viel Wert auf Praxis" gelegt wird, ersetzen auch noch so viele reale Projekte in einem 3-jährigen Ausbildungs- oder Studengang keine jahrzehntelange "Fronterfahrung" - aber die ändert nartürlich ebensowenig was an der Physik.

Das einzige was man IMHO sagen kann, daß bei einer systematischen Ausbildung in aller Regel zumindest was Grundlagen betrifft Wert auf eine gewisse Breite gelegt wird, während ein Autodidakt meistens dazu neigt, sich stark auf sein Steckenpferd zu spezialisieren (und darin aber richtig gut werden kann).

Ich persönlich werde immer skeptisch, wenn einer "sein Ding" nach 08/15 Vorgehensweise "für alles" durchzieht und im Grunde gar nicht wissen will was er da eigentlich abnehmen soll. Einen Chor mit den Mitteln in eine Gemeindehalle zu "lupfen", die etwa für eine Punkband bei Rock am Ring gut funktionieren, geht halt fast sicher nicht so gut - und vice versa.

Seltsam finde ich es auch, wenn sich Leute (wie z.B. mal bei einer Abschlußveranstaltung an einem Landesmusikfestival in BW gesehen) 5 Meter vor dem Tonpult buchstäblich mit den Händen die Ohren zu halten und ein paar sich auch über den z lauten, beißend-schrillen Klang beschweren, und der Mensch am Pult tut: gar nichts oder macht die Frontline noch ein bißchen lauter.

Man hat schon manchmal den Verdacht, daß die "Tonmeister" die da am Werk sind einen soliden Gehörschaden mit sich rumtragen.
 
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wenn sich Leute (wie z.B. mal bei einer Abschlußveranstaltung an einem Landesmusikfestival in BW gesehen) 5 Meter vor dem Tonpult buchstäblich mit den Händen die Ohren zu halten und ein paar sich auch über den z lauten, beißend-schrillen Klang beschweren, und der Mensch am Pult tut: gar nichts
Der ist von der Sorte: "Die PA is dann richtig eingestellt, wenn sie kurz vor der GBF Grenze und knapp unter dem Clipping betrieben wird" also so laut wie möglich bevor es pfeift oder hörbar anfängt zu verzerren.
Leider gibt es davon zu viele. Es kaschiert eben auch manche Unzulänglichkeiten der Darbietung, weil alles in einem zu lauten Matsch untergeht.
 
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Wer da jetzt wirklich schuld ist ist von Außen allerdings manchmal schwer zu sagen. Es gibt auch Musiker oder Veranstalter, die es unbedingt viel zu laut haben wollen. Oder nicht auf den Techie hören wenn der sagt daß man vielleicht besser ne Delay Line setzt anstatt die vorderen Reihen niederzubrüllen, auch wenn das mehr Aufwand und Geld kostet.

Andererseits hab ich auch schon Amateure gesehen, die mit wirklich lächerlich elementarer Ausrüstung aus der absoluten LowCost-Grabbelkiste immer noch nen sauberen, nicht clippenden, gut auflösenden und räumlich wirkenden Klang hingezaubert haben. Die haben halt einfach ihr bescheidenes Besteck richtig beherrscht.

Natürlich kann man auch einfach mal Pech haben.

Ich bin mal mit ner Chorabnahme in nem Festzelt gestanden, wo das Equipment schon für die lärmenden Gäste arg auf Kante genäht war, aber ne richtige Frontline vom Verleiher wollte keiner bezahlen und so mußte es halt das Sammelsurium tun, das von den Beteiligten zusammenzuleihen war. Durchaus ansehnlich, aber eigentlich mindestens 2 Nummern zu schmalbrüstig.

Irgendwie gings dann grad noch so daß man vernünftig zuhören konnte, wenn man nicht grad ganz hinten im Zelt saß - bis zum hereinbrechenden Gewitter. Da wars dann halt einfach vorbei, das Rauschen von nem 800-Sitzplätze-Zeltdach, auf das heftiger Regen prasselt, ist gnadenlos. Der Chorleiter nahms sportlich und meinte, das wär eh extrem schwer hinzukriegen nen Chor in so ner Umgebung laut zu kriegen (womit er auch Recht hat).
 
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