[Workshop] - Longscale-Saiten am Shortscale-Bass

Uli
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Seit ich mir den Höfner Reisebass zugelegt habe, gibt es ein gewisses Versorgungsproblem mit passenden Saiten, denn der Kleine hat eine 28er Mensur, wo bereits Standard-shortscales zu lang sind.
Da aufgrund der weitesten Verbreitung Longscale-Saiten ohnehin am günstigsten sind, stellte sich die Frage, ob diese Saiten nicht einfach abgeknipst werden können oder was ansonsten dagegen spricht, sie auf einem Shortscale zu verwenden.

Der Grund für die Verwendung von zur Mensur passenden Saiten wird am ehesten bei den Flatwounds in Bild 1 klar. Deutlich ist hier zu sehen, daß die E-Saite im Knick gebrochen ist und insofern meist nicht mehr verwendbar. Dieses Einspann-Problem ist in der Tat der Hauptgrund, der gegen die Verwendung unpassender Saiten spricht, da es ansonsten klanglich keine Rolle spielt, wie lang die Saite tatsächlich ist, weil nur der schwingende Teil zwischen Sattel und Brücke klanglich eine Rolle spielt.
Es ist also nicht damit getan, die Saite einfach passend abzuschneiden, sie muß (semi)professionell verkürzt werden. Das könnte entweder dadurch geschehen, daß der Einspannteil der Saite unversehrt bleibt und das Ende gekürzt wird, oder dadurch, daß am abgewickten Teil der Saite ein neuer Einspannteil konstruiert wird, der im Falle meiner Testsaite offenbar 3-stufig ist, wie im Bild 1 an der unteren Roundwound-Saite erkennbar.

Ich lege zu dem Zweck einmal testhalber eine E-Saite auf die shorty (Bild 2) und messe ca 16cm Überlänge (Bild 3). Mir erscheint die Variante mit der Verkürzung des Saitenendes am einfachsten, da ich unter dem Ring bereits mit bloßem Auge die Enden der Umwicklungsdrähte sehen kann (Bild 4).

Für die Arbeiten verwende ich ein Skalpell (um die Stoffumspinnung zu entfernen), einen Seitenschneider zum Durchzwicken der Saite sowie einen Spitzenschneider und eine Spitzzange zum Ab- bzw Aufwickeln der Ummantelungsdrähte (Bild 5).
 
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Mit dem Spitzenschneider lassen sich die Enden des äußeren und des mittleren Ummantelungsdrahtes unter dem Ring leicht hervorziehen (Bild 6).

Da dieser Teil der Saite nachher eh abgeschnitten wird und ich ihn nur abwickle, um den Aufbau zu verstehen, mache ich mir auch nicht die Mühe, die beiden Drähte glatt zu ziehen, während ich sie bis zu der von mir mit Filzstift angebrachten Markierung entferne (Bild 7).

Zuletzt wickle ich den inneren Draht noch so weit ab, daß sich die Verdrillung des Kerndrahtes (core) öffnen läst, um den Arretierungsring zu entnehmen (Bild 8).

Jetzt läßt sich der Aufbau der Saite und insbesondere des Saitenendes gut betrachten: der Core ist aus einem harten Draht gezogen, der nicht rund sondern eckig ist und sich wie Federstahl benimmt, also sehr hart ist. Die Ummantelungsdrähte sind, von außen nach innen dünner werdend, aus recht weichem Metall, wobei der äußere und der innere rechtsdrehend gewickelt sind und der mittlere linksdrehend (Bild 9).

Erst jetzt knipse ich mit dem Seitenschneider (oder in dem Fall Saitenschneider?) die E-Saite ab um den Arretierungsring wieder an der neuen Länge anzubringen, wozu ich mir eine weitere Filzstift-Markierung gemacht habe (Bild 10). Für die restlichen Saiten werde ich gleich an diesem Punkt beginnen, denn dann weiß ich ja, wie es geht.
 

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Das Abwickeln der Ummantelungsdrähte verläuft jetzt etwas anders, da ich Teile davon ja wieder aufwickeln will und der Draht insofern möglichst glatt sein sollte. Es gibt daher entweder die Möglichkeit, den Draht mit der Spitzzange beim Abwickeln straff zu spannen, oder ihn in einen kleinen Schraubstock zu klemmen und die Saite wie eine Spule abzurollen. Das geht recht gut, da der verwindungssteife Kerndraht sich hierbei wie eine Achse benimmt. Im Bild 11 sind auf diese Weise bereits der äußere und der mittlere Draht abgewickelt.

Fertig entblößt sieht der core so aus wie in Bild 12, wobei das eckige Profil nicht zu erkennen ist, durch das Ruckeln beim Abwickeln wohl aber zu spüren.

Jetzt wird der core auf halbe Länge gebogen und der Ring wieder eingesetzt. Beim Verdrillen muß man hier wegen der Steifheit des Drahtes richtig Kraft aufwenden. Anschließend geht die ganze Sache umgekehrt wie beim Abwickeln, also zunächst mit dem Innendraht, dessen Ende einmal durch die Schlaufe am Ring gezogen wird, bevor man es abschneidet (Bild 13).

Da man durch den auf die Hälfte geknickten core auch nur etwa halb so viel Ummantelungsdraht wieder aufwickelt, als man abgewickelt hat, bleibt einiges übrig, wie man im Bild 14 nach Aufbringen der Mittelschicht erkennen kann.

Ist auch der äußere Ummantelungsdraht wieder bis zum Ring aufgewickelt und unter dem Ring abgeschnitten, ist die Operation eigentlich schon beendet. Als kosmetische Zugabe kann man jetzt noch die Enden vor dem Ring mit farbigem Faden umwickeln, wie ich das im Bild 15 angedeutet habe. Ob man das mit Schonung des Tailpiece oder Kennzeichnung der Saitenstärken rechtfertigen will ist egal, vielleicht sieht es ja einfach nur besser oder professioneller aus (wenn man es etwas schöner macht als ich hier im Beispiel).
 

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Das ist ja eine Wahnsinnsarbeit :eek:. Hut ab.

Aber hast du auch mal die hier:

181694.jpg


ausprobiert? Sind nämlich 28,5" Saiten und passen auf den hier:

527853.jpg


drauf. Ein Ibanez-Kinderbass mit 28" Mensürchen ;)
 
Abgesehen davon, daß ich bei Saiten nicht gerade Fender-Fan bin, gibt es wohl tatsächlich einige wenige Fabrikate die solche XXS-Saiten herstellen (für den kleinen Höfner muß es ja auch einen Erstausstatter gegeben haben), aber man kann sie halt nicht in jedem Musikladen über den Ladentisch kaufen. Trotzdem danke für den Tip, werde mal danach suchen.;)
 
Gibts z. B. bei Thomann für 14,90.

Deine Saitenaktion erinnert mich daran, dass ich auch mal so was ähnliches gemacht habe in Ermangelung passender Saiten:

Ich hatte gerade 1972 meinen ersten richtigen Bass gekauft, einen Höfner shortscale mit Flatwounds. Nur gefiel mir der Sound nicht, also habe ich den Flachdraht von den Saiten abgewickelt und auf dem Runddraht gespielt (Roundwounds gabs nur als Import von Rotosound, die waren sauteuer und kaum bis garnicht zu bekommen, schon garnicht in Shortscale). Beim Saitenwechsel jedesmal dasselbe Theater wieder von vorn...:D
 

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