Neutralleiterabriss

elkulk
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Hallo,

im momentan zeitlichen Parallelthema https://www.musiker-board.de/elektrik-strom-tech/403293-stromverteiler-fuer-pa.html berichtet Vaterkorn über einen Nullleiterabriss, der ihm den Defekt mehrerer Endstufen etc. beschert hat.

Da habe ich mich nun gefragt: Wieso zerstört der Abriss des Nullleiters Geräte? (Ich dachte an den Nullleiter in den Zuleitungen der einzelnen Geräte oder des für mehrere Geräte gemeinsamen Nullleiters. Aber wie sollte dann etwas passieren, wenn gar kein Rückleiter vorhanden ist, habe ich mich gefragt.)

Also mal das Internet durchwühlt und ... nichts gefunden. Viele reden davon, keiner erklärt, wie das gehen soll.

Raumklang/Sebastian hat dann wenigstens ein Stichwort gepostet (https://www.musiker-board.de/elektrik-strom-tech/403293-stromverteiler-fuer-pa.html#post4893442): "die aus einen Nullleiterabriss resultierende Sternpunktverschiebung".

Aha.

Kann ich mir das also so zusammenreimen?
  • Es sind mehrere Geräte an den verschiedenen Phasen eines Vierleiter-Dreiphasenwechselstromsystems angeschlossen.
  • Nun reist der Nullleiter der Zuleitung dieses Vierleiterssystems. Die Nullleiter der aus den 3 Phasen aufgeteilten 3 Wechselstromleitungen sind weiterhin untereinander verbunden.
  • Durch unterschiedliche Belastung der 3 Phasen in den Wechselstromleitungen kommt es zur Sternpunktverschiebung (vgl. http://www.getsoft.net/drehstrom/animationen/sternversch.html), aus der wiederum erhöhte (und verringerte) Spannungen in den Wechselstromleitungen resultieren können.
  • Diese Überspannungen führen zum Defekt der angeschlossenen Geräte.

Ist das mit dem berüchtigten "Nullleiterabriss" gemeint?


Gruß
Ulrich
 
Eigenschaft
 
Ist das mit dem berüchtigten "Nullleiterabriss" gemeint?

Exakt. Das gleiche passiert bei "Bauerndrehstrom", dessen Leitungsführung gerne mal ganz ohne Nullleiter ausgeführt wird. Ein Drehstrommotor für Mühle oder Kreissäge braucht keinen Nullleiter, weil er dreiphasig ausgeführt ist. Resultierender Strom im Nullleiter: 0.
Schließt man an so eine (defekte!) Installation einphasig betriebene Verbraucher an, passiert folgendes:
- An nur einem Außenleiter und (fehlendem) N angeschlossen: Nichts. Gerät läuft nicht, da N fehlt
- Symmetrische Belastung aller Außenleiter (z.B. drei gleiche Scheinwerfer an 3 Außenleitern und N): Geht. Resultierender Strom im (fehlenden) N: Null.
- Asymmetrische Belastung der Außenleiter (mindestens zwei): Über- und Unterspannungen als Ergebnis der Sternpunktverschiebung.

In letzterem Fall raucht die eine Hälfte des Materials gnadenlos ab, die andere funktioniert mit etwas Glück einfach nur nicht. Blöd, wenn durch den Ausfall eines Gerätes (durch die Überspannung) und die daraus wiederum folgende weitere Sternpunktverschiebung weitere Geräte in den Orkus gerissen werden.

Bisher ist mir Gott sei Dank nur ein einziger Fall eines Nullleiterabrisses selbst untergekommen:
125A-Leitung zwischen Baum und Kran über eine Skipiste gespannt, durch blöde Verknotung und Bewegung des Kabels brach irgendwann der Nullleiter in der Zuleitung.
Resultat:
Ein Haufen defekter Wackeleimer (Rauchzeichen, Netzteil defekt), Licon CX hin (Netzeil defekt). Die Amps (Lab-Gruppen) wurden verschont und liefen auch auf nur knapp 90V halbwegs zuverlässig weiter, solange keine größeren Lasten gefordert waren.
Im Siderack fingen die BSS EQs an mit den Bypass-Relais zu klackern (Unterspannung), Pult und mein mitgebrachtes M2000 haben dankenswerterweise überlebt.

Interesannt an der Nummer war: Es gab natürlich einen Staberder an der Unterverteilung, Truss und Bühne waren ebenfalls darüber geerdet. Nach dem Ausfall des N konnten wir trotzdem gut 80V zwischen Bühnengeländer und Boden messen. Das reichte, um ein schönes Kribbeln in den Fingern zu verursachen.
Die Versicherung hat's gezahlt, die Show wurde mit halber Kraft notdürftig zuende gefahren, allerdings ohne die eigentlich geplante Band.
Ach ja: Ich hab's nicht gebaut! Ich war da nur Gastmischer.

Kleine Vorsichtsmaßnahme:
An jedem unbekannten Drehstromanschluß erstmal nur eine Kanne an einen Außenleiter und N anschließen, mit allen Außenleitern wiederholen. Wenn das Ding nicht leuchtet:
- Leuchtet es nur an einem Außenleiter nicht: Außenleiter gebrochen
- Leuchtet es an allen nicht: Nullleiter nicht vorhanden. Nicht benutzen! (Alternativ ist das Leuchtmittel defekt, aber das lässt sich ja leicht prüfen).
- Leuchtet es kurz sehr hell und dann nicht mehr: Nullleiter fehlt, es hängen andere Verbraucher mit im selben Abschnitt, es herrscht Überspannung.
Gute Anschaffung: Duspol mit schaltbarer Testlast.
 
Hallo Sebastian,

vielen Dank für Deine Erklärungen - allerdings sind für mich als unbedeutendes Licht "Wackeleimer" erstmal schwer zu entziffern :D;)

Naja, mit etwas Phantasie habe ich es dann doch gleich verstanden.


Mit dem von Dir beschriebenen Test kann man sich aber wohl nur gegen eine bereits bestehende nicht vorhandene Nullleiter-Verbindung absichern.
Gegen eine Unterbrechung im laufenden Betrieb gibt es da anscheinend wenig - bzw. das schreibst Du ja im anderen Thread.


Gruß
Ulrich
 
Mit dem von Dir beschriebenen Test kann man sich aber wohl nur gegen eine bereits bestehende nicht vorhandene Nullleiter-Verbindung absichern.
Gegen eine Unterbrechung im laufenden Betrieb gibt es da anscheinend wenig - bzw. das schreibst Du ja im anderen Thread.

Das ist ja das Problem an dem Problem :)
Es hilft aber schon ungemein, erstmal auf "Bauerndrehstrom" zu testen, bevor man sein Amprack beim Einschalten in Rauch aufgehen lässt, weil man drei Amps auf 3 Phasen nacheinander einschaltet.

Es soll durchaus vorkommen, dass ein Nullleiter im Betrieb wegbrennt (Übergangswiderstand in der Klemme z.B. durch verlötete Litzenenden, lose Schraube...), das dürfte aber in festen Installationen eher selten passieren. Die eigenen Verteiler und Kabel prüft man doch eh jedes Jahr, wenn die A3-Prüfung ansteht, oder etwa nicht ;-)

Aber Du hast Recht: Außer durch Phasenwächter und Schütze zum Lastabwurf im Fehlerfall ist man dagegen machtlos. Wie schon im anderen Thread erwähnt: Eine Materialversicherung über das VDMV ist im Zweifelsfall günstiger als nur ein Verteiler mit so einer Ausstattung. Zumal die Versicherung ja nicht nur Überspannungsschäden abdeckt.
 
Und bitte: Neutralleiterabriss. Ein echter Nullleiterabriss (kombinierter Neutral- und Schutzleiter) kann tödlich enden (-> "Tod durch Schutzmaßnahme"), da dann Spannung an den Gerätegehäusen anliegt, weil ja der Schutzleiter auch fehlt.

In 99% der Fälle, in denen hier und vielen anderen Foren (E-Technik-Fachforen mal ausgenommen) von einem Nullleiter die Rede ist, dürfte wohl der Neutralleiter gemeint sein. Falls es aber wirklich einen Nullleiter in der Installation gibt, ist wie gesagt wirklich äußerste Vorsicht geboten, da bei einem Bruch hier wie gesagt Lebensgefahr herrscht. Daher versuch ich ja auch immer jedem diesen "Begriffsdreher" auszutreiben... :gruebel:;)

Gegen einen Neutralleiterabriss kann man leider wirklich wenig machen. Man kann natürlich im Vorfeld auch mit einfachen Mitteln erkennen, wenn beispielsweise in der Verlängerungsleitung gar kein N vorhanden ist (Messung L-N mit Duspol liefert halt dann kein Ergebnis bzw. Kanne an einer Schuko am Verteiler leuchtet nicht, wenn sonst nix steckt), aber wenn da irgendwas "gammelt", bekommt man das halt im Vorfeld unter Umständen echt nicht mit.

Eine Netzimpedanzmessung könnte hier vielleicht noch am ehesten helfen, aber welcher HKS oder vielleicht sogar Verleiher, der nicht grade zufällig Elektriker ist, hat dann sowas schon einfach mal so rumliegen... :(


Gruß Stephan
 
Und bitte: Neutralleiterabriss.

Hmpf, ja, Du hast Recht. Und das ausgerechnet mir...


Man kann natürlich im Vorfeld auch mit einfachen Mitteln erkennen, wenn beispielsweise in der Verlängerungsleitung gar kein N vorhanden ist

Kabel oder Leitung? ;-)


Eine Netzimpedanzmessung könnte hier vielleicht noch am ehesten helfen, aber welcher HKS oder vielleicht sogar Verleiher, der nicht grade zufällig Elektriker ist, hat dann sowas schon einfach mal so rumliegen... :(

Das leihen ja selbst viele Elektriker zu.
 
Sind die denn schnell genug? Hat da jemand schon Erfahrung sammeln können?

Schütze allein sicher nicht, vor allem gibt es da immernoch die Gefahr von nicht selbstlöschenden Lichtbögen. Deshalb auf jeden Fall ausreichend dimensionierte Varistoren einsetzen. Die werden beim Überschreiten der Schwellspannung innerhalb von Nanosekunden niederohmig und können (bei passender Dimensionierung) einiges an Energie verbraten. Das reicht auf jeden Fall, bis der Schütz abgefallen ist.
Problem an Varistoren: Die Dinger altern, d.h. man tut gut daran, sie nach ein paar Jahren auszutauschen.
 
Moin elkulk,
ich stand mal vor genau dem gleichen Verständnisproblem und habe einen Thread gemacht, indem ich dann bald auch eine Antwort bekam, die ich verstand: https://www.musiker-board.de/elektrik-strom-tech/343525-cee-pruefen-vor-va.html ;) Im großen und ganzen stellt es also einen Unterschied da, ob N in der CEE oder in der 230 Volt Gerätezuleitung abreißt, wenn er in der CEE abreißt, besteht nämlich zwischen den Nullleitern der drei Phasen (ich weiß, es gibt nur einen Nullleiter, aber halt all den Abzweigungen von N zu den verschiedenen Steckdosen) noch eine Verbindung, nämlich spätestens an dem Pin im CEE-Stecker. Wenn nun in der CEE-Dose N abreißt, fließen die Rückströme der drei Phasen aber quasi noch gegeneinander ab, hoffe, das ist verständlich :)

mfg,
Luca
 

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