Wagner 3. Aufzug Tannhäuser: Harmonieanalyse-Frage

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tritonus19
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Hallo!

Ich habe mir nach langer Pause mal wieder eine Harmonieanalyse vorgenommen und mir ist der Beginn des 3. Aufzugs von Richard Wagners "Tannhäuser" in die Hände gefallen. Da ist ja ziemlich zu Beginn ein hübscher Blechbläserchoral, gleich zwei Mal hintereinander. Einmal recht kurz und einmal etwas ausgedehnter.

Kann mir jemand sagen, ob ich mit meiner Analyse so richtig liege? Oder gibt es irgendwo Dinge, die man definitiv anders deuten sollte?

Freue mich über einen kurzen Austausch. Hier meine Analyse:
IMG_8831.jpg

Vielen Dank und liebe Grüße,
tritonus19
 
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Ich konnte jetzt keinen Fehler finden, das heißt aber noch nichts, vll findet ja sonst noch jemand einen...

Bezeichnungen sind natürlich Geschmacksfrage (Tg und Dp zum Beispiel verwende ich nicht, aber deswegen ist es ja nicht falsch)



Danke aber fürs "in die Hände fallen lassen", ich sollte das auch öfter mal. machen. Allein das durchsehen hat schon wieder ein paar Hirnzellen aufleben lasssen.

grüße B.B.
 
Hallo!

Danke für deine Antwort! Mal anders gefragt: Wie würdest du denn die Funktionen deuten, die ich als Tg und Dp gedeutet habe?

LG
 
Kann mir jemand sagen, ob ich mit meiner Analyse so richtig liege? Oder gibt es irgendwo Dinge, die man definitiv anders deuten sollte?
Wie würdest du denn die Funktionen deuten, die ich als Tg und Dp gedeutet habe?

Hallo,

ich würde Wagner eher über Stimmführung und die Oktavregel erklären. Dazu habe ich dir am Ende des Beitrages noch Literatur verlinkt.

Im ersten Takt vom Arbeitsblatt erklingt ein Es-Dur-Akkord als Orgelpunkt. Darüber werden mit den Tönen fis und a jeweils die Töne g und b tonikalisiert (Vgl. Heinrich Schenker; er würde dieses Phänomen als Miniatur-Tonikalisierung bezeichnen. Das bedeutet, dass die Nebennoten über dem Es-Dur-Akkord als siebte Stufen bzw. Leittöne zu den Tönen g und b gehört werden können.

Du bist ab T. 1 in B-Dur. Das tonikalisierte g ist die Paralleltonart von B-Dur. Der Akkord Es-Dur in T. 1 ist eine prolongierte (= verlängerte) 4. Stufe in B-Dur.

In T. 2 ist der 2. Akkord als Diminution zu deuten, da der Ton as eine harte dissonante Durchgangsnote (Verbindungston zwischen g und b ist; hart bedeutet,
dass sich diese Durchgangsnote auf betonter Zählzeit befindet. Der gesamte T. 2 besteht, wenn man diese Diminution weglässt nur aus dem Grundakkord auf der 4. Stufe in B-Dur.

In T. 3 ist der erste Akkord als Sextakkord auf der 3. Stufe in B-Dur zu deuten. Der zweite Akkord ist ein Durchgangs-Terzquartakkord. Bei diesem Akkord ist der Terzton es eine dissonante Durchgangsnote. Dieser tritt noch eine Terzmixtur-Stimme im Bass (Ton c) hinzu (Mixtur = Parallelführung zu einer Stimme). Auch der Basston ist eine dissonante Durchgangsnote (zwischen d und b).

Dieser Durchgangsterzquartakkord auf c löst sich in einen Grundakkord der ersten Stufe, B-Dur, auf. Im Anschluss folgt der Grundakkord der vierten Stufe, Es-Dur.
Der Akkord auf der letzten Viertel in T. 4 ist stimmführungstechnisch ein Durchgangs-Quartsextakkord zwischen dem Grundakkord Es und Septakkord auf C.
Der Ton d im Bass ist hierbei die dissonante Durchgangsnote zwischen den Tönen es und c.

Die Septe c-b wurde dissonanztechnisch als Synkopendissonanz eingeführt (im Grundakkord und Durchgangsquartsextakkord war der Ton b konsonant
und wird als patiens-Stimme verzögert in das Komplementärintervall der Terz f-a aufgelöst.

Den letzten Akkord in T. 5 würde ich als Chopin-Akkord (Tredezime d als klanglichen Zusatz im Dominantseptakkord) bezeichnen. Man würde statt der 6 im Akkord eine 13 schreiben, da es sich nicht um einen Sextakkord im eigentlichen Sinne handelt. (die 13 ist nur ein Vorhaltston und löst sich ja noch über dem Akkord in die 12 (Duodezime) (Ton c) auf. Der Ton c ist eine Tenorklausel zur Finalis b.

Akkord Es-Dur in T. 6 ist eine prolongierte 1. Stufe (Orgelpunkt). Über diesem Akkord wird mit dem Ton e auf der 6. und 7. Sechszehntel rückwirkend der Ton f (Oberquint-Tonart von B-Dur) tonikalisiert.

Den g-Moll-Akkord ist ein Grundakkord auf der 6. Stufe in B-Dur. An dieser Stelle setzt Wagner einen Grundakkord, da die Bassstufe G sprungweise erreicht und sprungweise verlassen wurde. Wenn das der Fall ist gilt die Regola nicht. Der Akkord darauf über dem Basston c ist kein Grundakkord, sondern ein Sextakkord und der Ton g ist eine konsonante Überbindung bzw. ein Vorhaltston zum a.

Die T. 7-8 werden in T. 9-10 sekundweise abwärts sequenziert. Das erste Taktpaar steht noch in B-Dur und das zweite Paar weicht in die Paralleltonart g-Moll aus.
Bei dem Akkord auf der letzten Viertel erklingt der Grundakkord als vierte Stufe von g-Moll. Bei den Akkorden in den folgenden zwei Takten erklingen
die Stufen 3 (Sextakkord), 2 (Terzquartakkord) und 1 (Grundakkord).

Nach der Ausweichung nach g-Moll erklingt mit dem Ton as (4. Skalenton von Es-Dur) eine Unterquintmodulation motivo di cadenza nach Es-Dur.
Mit dem zweimaligen erklingen des Leittones a (T. 11-12) entsteht eine cadenza doppia und dient als Schlussformel des Formabschnittes.

Von Es-Dur aus gesehen, ist dieser Abschnitt in B-Dur als Oberquinttonart zu deuten. Die Ausweichungen von B-Dur nach g-Moll und anschließend nach Es-Dur
ergeben ein Terzgang-Satzmodell (Eine Akkord- oder Tonartendisposition ergibt eine diatonischen Terzachse (B-g-Es).

Ein ausgedehntes Terzgang-Satzmodell erklingt auch im Präludium des 1. Aktes von Wagners Parsifal:



(Zeitangabe 4:22)

Die Akkorde dieses Blechbläser-Chorals sind jeweils Grundakkorde auf den Bassstufen As, F, D und B.


Literatur zum Nachvollziehen:

https://musiktheorie.kug.ac.at/file...okumente/Abschlussarbeiten/Egger_Theorien.pdf
http://musikanalyse.net/tutorials/regola/
http://musikanalyse.net/tutorials/kadenz/
 
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Danke für deine Antwort! Mal anders gefragt: Wie würdest du denn die Funktionen deuten, die ich als Tg und Dp gedeutet habe?

Das wird die Notation betreffen, als Stufen: Dp und Tg sind IIIm, Tp VIm oder I6. Der Wechsel IIIm VIm wird dann als Quintfall sichtbar. Was in der unteren Zeile den Tg anbetrifft: Es folgt die Tp, also wird die IIIm hier als Dp gehört (was idR sowieso der Fall ist...). Die Tp wird über ihre große Sexte einer Doppeldominante angenähert. In der Folge erscheint dann eine (D7) vor einer DD , wird hier also zwischendominantisch gedeutet. Das passt zwar funktional, aber Tonika-Parallele ist immer noch Tonika-Parallele. Daher ist die (D7) eine TP7. Anders wäre es, wenn (D7) zum Vollverminderten umgebaut worden wäre, da käme man um die zwischendominantische Formulierung nicht herum.

Du bist ab T. 1 in B-Dur. Das tonikalisierte g ist die Paralleltonart von B-Dur.

Interessant, was Schenker da schreibt. Es gibt ein Grundtonpedal (+ Akkord) , also eine T als Pedalakkord. Da kann man machen was man will, der Grundton bewegt sich keinen Millimeter. Im konkreten Fall hat Schenker wohl aus dem Vorliegen der Töne #9 und #11 auf eine Modulation zur Oberquinte geschlossen. Aber das funktioniert nicht und es war auch nicht die Absicht Wagners.
 
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