Violine: Flageolett-Noten wie genau interpretieren?

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Hallo
Ich habe die folgenden Flageolett-Noten:
https://workupload.com/file/VtAKxN6EFLd

Hier
https://www.musiker-board.de/threads/flageolettes-spielen.180151/
steht u.a.
Beispiel: unten ein h', darüber ein eckiger Kopf auf e'', bedeutet: 1.Finger h' greifen und 4.Finger e'' berühren, ergibt klingend h'''

Wie greife ich nun die markierte Noten auf der oben verlinkten Notenzeile?
1. Lage 4. Finger G-Saite voll drücken und gleichzeitig 4. Finger D-Saite berühren?
Oder die Note gleich danach: 1. Lage 4. Finger D-Saite voll drücken und gleichzeitig 3. Finger A-Saite berühren?

Vielen Dank.

Grüsse
Louis
 
Hallo Louis,

ein Flageolett-Ton entsteht, wenn ein Finger auf eine schwingende Saite gelegt wird (nicht durchdrücken!), so dass die Saite zwar in ihrer vollen Länge schwingen kann, aber die Grundfrequenzen durch das Auflegen unterdrückt werden.

Wenn eine Saite (ohne Flageolett) auf ihrer vollen Länge schwingt, entspricht die Grundfrequenz einer halben Wellenlänge: An beiden Enden fixiert, in der Mitte ein Schwingungsbauch:

1673167996719.png


Wäre das die offene d'-Saite, erklänge so ein d'.

Wenn man nun genau auf die Mitte der Saite (dort, wo man das d'' greifen würde) den Finger leicht auflegt, wird die Grundschwingung unterdrückt und man hört den ersten Oberton, also das d'' eine Oktave höher als Flageolett:

1673168193050.png

Es erklänge also ein d'' als Flageolett

Wenn man die Saite durch Fingerauflegen drittelt, wird auch der erste Oberton unterdrückt erhält man den zweiten Oberton - dieser liegt eine Oktave und eine Quinte über der Grundfrequenz:

1673168283542.png


Die so "gedrittelte" d'-Saite erklänge also als a''-Flageolett.

Hinweis: Die Darstellung ist nur schematisch und natürlich schwingen bei einer Saite allerlei Obertöne mit (das macht den Klangcharakter aus, sonst würde man nur einen langweiligen Sinus hören).
Durch das Fingerauflegen an passende Knotenpunkte lassen sich jedoch Grundschwingung und ggf. auch darauffolgende Oberschwingungen unterdrücken, so dass der Ton entsprechend der Naturtonreihe höher erklingt und den typischen Flageolett-Klang erhält.

Mit diesem Verständnis lässt sich auch ableiten, wie die geforderten Töne zu spielen sind.

In meinen Grafik-Beispielen ist der Fall von "natürlichen" Flageoletts gezeigt, bei denen die Saite offen schwingt und nur ein Finger an der entsprechenden Stelle leicht aufgelegt wird, um dort einen Schwingungsknoten zu erzwingen.

Damit lassen sich aber nicht alle benötigten Töne erzeugen und bei der Geige gibt es noch die sogenannten "künstlichen" Flageoletts, bei denen eine Saite einerseits gegriffen (ganz durchgedrückt), aber andrerseits zusätzlich auch mit dem kleinen Finger eine Quarte oder Quinte höher zusätzlich berührt wird, um einen entsprechenden Flageolett-Ton zu erzeugen.
Die Quinte erzwingt einen Schwingungsknoten auf einem Drittel der Saitenlänge, so dass der 2. Oberton erklingt, die Quarte viertelt die Saitenlänge sogar, so dass der 3. Oberton erklingt.
Dies geht beispielsweise bei Gitarren nicht, weil die Mensur viel zu lang ist - aber auf der Geige kann man das machen.

Dann hat durch das Niederdrücken die Saite eine entsprechend verkürzte schwingende Länge und zusätzlich wird durch das leichte Auflegen des kleinen Fingers ein Flageolett erzeugt.

Ich hoffe, das hilft Dir beim Verständnis und beim Herumprobieren hörst Du ja leicht, ob das Ergebnis stimmt.

Wichtig: Greifen und Berühren findet hier natürlich auf ein und derselben Saite statt, ich glaube, das hattest Du missverstand.

Viele Grüße
Torsten

PS: damit man den Effekt gut hört, bedarf es besonders obertonreicher Töne und man sollte deshalb den Bogen nahe am Steg aufsetzen und ein wenig mehr Druck kann auch nicht schaden.
 
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Vielen für Deine ausführliche Antwort. Gewisse Dinge muss ich noch recherchieren, weil mir das Vorwissen fehlt.
Liebe Grüsse, Louis
 
Wie greife ich nun die markierte Noten auf der oben verlinkten Notenzeile?
1. Lage 4. Finger G-Saite voll drücken und gleichzeitig 4. Finger D-Saite berühren?
Oder die Note gleich danach: 1. Lage 4. Finger D-Saite voll drücken und gleichzeitig 3. Finger A-Saite berühren?
Also m.E. leer D-Saite und den 4. Finger leicht berühren (dadurch erklingt dann das a) und dann
leere a-Saite und den 4. Finger leicht berühren, es erklingt e

Es darf also nur 1 Finger die gestrichene Saite leicht berühren, die anderen FInger bleiben in der Luft

Das entspricht der 3. Grafik von @Be-3
 
Also m.E. leer D-Saite und den 4. Finger leicht berühren (dadurch erklingt dann das a) und dann
leere a-Saite und den 4. Finger leicht berühren, es erklingt e

Ich traue mich ja kaum, Dir zu widersprechen, denn ich spiele nicht einmal ein Streichinstrument...

Dennoch zeigt das von @louis1965 verlinkte Notenbeispiel keine natürlichen Flageolett-Töne, sondern eindeutig künstliche (engl: artificial harmonics).
Deshalb bin ich der Meinung, es sind hier ausdrücklich nicht die (naheliegenden) von Dir beschriebenen natürlichen Flageoletts mit offener d'- und a''-Saite gemeint, sondern tatsächlich künstliche.

Die beiden Fälle aus dem Notenbeispiel zusammengefasst:

1673330727456.png


(1) Das d' tatsächlich greifen (dann eben wohl auf der g-Saite) und eine Quinte darüber (beim a') die Saite berühren. Dann erklingt ein Flageolett-a''.

(2) Das a' tatsächlich greifen (wohl auf der d'-Saite) und eine Quarte darüber (beim d'') die Saite berühren. Dann erklingt ein Flageolett-a'''.


@louis1965
Die Positionierung mit der Quinte und Quarte "darüber" funktioniert deshalb, weil diese Stellen aus folgendem Grund genau passen:

(1) Eine reine Quinte entspricht einem Frequenzverhältnis von 3:2. Wenn man den Finger an dieser Stelle nur leicht auflegt, erzwingt man dort einen Schwingungsknoten, so dass die schwingende Saite gedrittelt wird (siehe meine Bildchen oben), so dass der 2. Oberton erzeugt wird (Duodezime = Oktave + Quinte)

(2) Eine reine Quarte entspricht einem Frequenzverhältnis von 4:3. Wenn man den Finger an dieser Stelle nur leicht auflegt, erzwingt man dort einen Schwingungsknoten, so dass die schwingende Saite geviertelt wird (das ist bei meinen Bildchen oben nicht mehr dabei, aber das Prinzip geht immer so weiter), so dass der 3. Oberton erzeugt wird (2 Oktaven über dem Grundton).

Viele Grüße
Torsten
 
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Verflixt, du hast recht! Meine Aussagen da oben waren auf Grund von zu schnellem Lesen entstanden. Eine Quarte kann so nicht entstehen... *peinlichrotwerdend*
 

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