Mach reinen Tisch

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In den letzten Wochen landeten meine Recherchen öfters bei Reimschemata, denen ich als Musiker bisher aus dem Weg ging. Sit einigen Tagen bestaune ich beispielsweise eine schematische Aufteilung, die ich bei Jackson Browne fand: (ABABBA). Und später dann bei Dylan .,, sogar oft.

Heute mal ein erster eigener Versuch in diese Richtung. Ich stelle mir ein Wechselspiel von einem oder zwei markanten Riffs vor, zwischen denen sich dann der Text ganz nach Gefühl bewegen könnte.,,,

Mach reinen Tisch

Ein Brummen bremst mein Traumkarussell
erst langsam, dann schnell und schneller
verstummen Gespenster. Die Baumwelt erhält
vertraute Konturen. Vorm Fenster propellern
Bienen um Blumen. Ihr Anblick wirkt heller
und grell - wenn dein Schoßhund erst bellt.,,

Mach reinen Tisch
reinen Tisch
reinen Tisch mit deiner Welt

reinen Tisch
reinen Tisch
reinen Tisch mit der Welt

Ein Brummen mutiert zum chaotischen Rausch
Erst rattern Bohrer, dann Nachrichtensprecher
das tägliche Pensum Stummheit es lauscht
dem Elend der armen und reichen Verbrecher.
Wie weit ist der Weg vom Eid zum Versprecher?!?
Wenn Wahrheit nur haucht, und dein Schoßhund faucht…

Mach reinen Tisch
reinen Tisch
reinen Tisch mit deiner Welt

reinen Tisch
reinen Tisch
reinen Tisch mit der Welt

Warten beim Arzt. wo die Angst herum irrt
auf dem Grund ihres kosmischen Daseins
Wo Asche zu Staub und Planeten wird
Kein Wahn - nur alltägliches Wahrsein
Der Doktor brummt: „Eins sollte klar sein
Ich bin nur der Bote“ - und dein Schoßhund knurrt

Mach reinen Tisch
reinen Tisch
reinen Tisch mit deiner Welt

reinen Tisch
reinen Tisch
reinen Tisch mit der Welt

SOLO

und wieder bremst das Traumkarussell
erst langsam, dann schnell und schneller
verstummen Gespenster. Die Baumwelt erhält
vertraute Konturen. Vorm Fenster propellern
Bienen um Blumen. ihr Anblick wirkt heller
und grell- wenn dein Schoßhund erst bellt

Mach reinen Tisch
reinen Tisch
reinen Tisch mit deiner Welt

reinen Tisch
reinen Tisch
reinen Tisch mit der Welt
 
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Herzlichen Dank für deinen. ⭐, lieber @Frank_de_Blijen (y)

Nun ändere ich schon Stunden. Es überrascht mich, wie ungeduldig das neue Reimschema aus meinen Gewohnheiten ausbrechen will. ;)

Wow, ein zweiter Stern! :claphands: Herzlichen Dank @RED-DC5!(y)

Die Rhetorik lehrt ja gewöhnlich, das Stilmittel u.a. Aufmerksamkeit wecken. Weil sie unsichtbar das wirklich Gemeinte trickern ,, ähm…, können. Könnten?… Sollten..,,? :unsure:

Egal, Versuch macht kluch‘ ;)

wie findet ihr die aktuelle Version?
 
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In den letzten Wochen landeten meine Recherchen öfters bei Reimschemata, denen ich als Musiker bisher aus dem Weg ging. Sit einigen Tagen bestaune ich beispielsweise eine schematische Aufteilung, die ich bei Jackson Browne fand: (ABABBA). Und später dann bei Dylan .,, sogar oft.
Auweia, Auweia, ich hätte mir den Songtext noch einmal genauer ansehen sollen, der meiner Idee z u Grunde lag.
No, I wasn't looking for a door into the morning again (A)
No, I wasn't thinking you would ever be more than a friend (A)
The years I've seen that fell between my date of birth and yours (B)
Fade before the altered shore of a river changing course (B)
Diese Zeilen waren mir zu lang! Also brach ich sie um. Die beiden ersten Zeilen so
No, I wasn't looking for a door (A)
into the morning again (B)
No, I wasn't thinking you would (A)
ever be more than a friend (B)
Und die beiden anderen Zeilen so:
The years I've seen (C)
that fell between (C)
my date of birth and yours (D)
Fade before D
the altered shore D
of a river changing course C
Gesagt, getan, Hier brach ich die Analyse ab und entschied mich spontan für (m)ein Schema ABABBA.

Leider blieben mir die LANGZEILEN in Erinnerung. Und so nahm das Unglück seinen Lauf: ich schrieb keine Kurzzeilen, sondern (relativ unbewusst) weiter gebrochene Langzeilen (auch Enjambements genannt).

Enjambements sind in Gedichten gar nicht selten, aber in Songtexten verpönt! Wie man an der spärlichen Reaktion sieht, nicht ohne Grund! Dichter hätten mir Enjambements durchgehen lassen, Musiker aber nicht!

Ich glaube, ich schreibe als nächstes einen silbengetreuen deutschen Text auf das originale Reimschema von Jackson Browne!

Uff - wer hat meine Begründung verstanden? Oder war sie euch zu durcheinander?:eek:
 
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Gleichzeitig konterkarierst oder schwächst Du das Reimschema durch Reimpaare wie schneller/propellern und Karussell/erhält gleich in der ersten Strophe, die doch eigentlich in das Schema einführen soll ...

Beim englischen Text gefällt mir, dass durch die Binnenreime gefühlt das Tempo angezogen wird und sich die Dynamik steigert.

Allemal weitere Versuche wert!

x-Riff
 
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Gleichzeitig konterkarierst oder schwächst Du das Reimschema durch Reimpaare wie schneller/propellern und Karussell/erhält gleich in der ersten Strophe, die doch eigentlich in das Schema einführen soll ...
Diese unreinen Reime störten mich nicht beim Schreiben. Ja! - Du hast völlig recht: Als Beispiel für ein Tutorial nicht sonderlich geeignet - aber ich bin ja doch eher Dichter als Lehrer… ;)

Übrigens denke ich momentan auch viel über das Reimschema von „ like a Rolling Stone“ nach. Aber Dylan geht mir momentan noch zu großzügig mit seinen (Binnen)Reimen um
Flowt die 1. Strophe noch…
Once upon a time you dressed so fine
Threw the bums a dime in your prime, didn't you?
..,,fehlt mir diese schlichte Einheit von Rhythmus und Binnenreime am Beginn der 2. Strophe
Ahh you've gone to the finest schools, alright Miss Lonely
But you know you only used to get juiced in it
 
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Diese unreinen Reime störten mich nicht beim Schreiben. ....

Aber Dylan geht mir momentan noch zu großzügig mit seinen (Binnen)Reimen um ...
Geh mit Dylan so großzügig um wie mit Dir ...

Hätte ich alleine die Achtsamkeit in meiner Muttersprache, die Dylan im Umgang mit ihr hat, wäre ich ja schon zufrieden.

Aber das ist doch genau das, um was es geht: um die große Zugkraft und Wirkung der Form zu wissen, ohne deswegen in die Fallen (Reimzwang, Unterordnung/Vergessen des Inhalts) zu tappen - und dann noch über die Mitte zu verfügen, alles ins rechte Maß zu setzen: ein glücklicher Tag, an dem das gelingt.

x-Riff
 
Reiner Tisch. Tabula rasa. Ein unbeschriebenes Blatt. Jackson Browne kommt zuerst über die Musik. Bei ihm ist der Text erstmal Nebensache. Und da fange ich an, dir zu glauben.

Wie liest sich ein Prophet heute? Erzählt er mit einem belanglosen Post von seinem Leben und plaudert er unvermittelt große Geheimnisse aus seinem Leben heraus, oder schießt er Parolen heraus wie ein Politiker.

Nein, die Poesie zeigt sich im Alltag und in der Liebe zur Beobachtung. Wir belegen unseren Alltag heute aber mit allen Mitteln der Schreibkunst vom dialektischen Diskurs bis hin zur wahnsinnigen Comedy.

Ich möchte heute aber gerne einmal wissen, welche Musik du dazu machst oder magst. Also trau dich.
 
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Jackson Browne kommt zuerst über die Musik. Bei ihm ist der Text erstmal Nebensache. Und da fange ich an, dir zu glauben.
Für mich ist Jackson Browne in erster Linie filigran. Das trifft auch auf seine Texte zu, Er schildert und bildert gleichsam mit Text und Musik, was für ihn in der Luft liegt.
Nein, die Poesie zeigt sich im Alltag und in der Liebe zur Beobachtung. Wir belegen unseren Alltag heute aber mit allen Mitteln der Schreibkunst vom dialektischen Diskurs bis hin zur wahnsinnigen Comedy.
Wieso „aber“? Schrieb Shakespeare leidenschaftlich? Gern aus der Sicht eines Wahnsinnigen? War er Poet?
welche Musik du dazu machst oder magst. Also trau dich.
Der Still ist mir zunächst egal. Hauptsache es treffen scheinbar unvereinbare Rhythmen und Sounds unauffällig aufeinaner. Wie ein Sonnenregen, Wer will, kann diese Denk- und Fühlweise auch in diesem Text finden.,,
 
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wie findet ihr die aktuelle Version?
sehr gut. Auch wegen der vielen selten gehörten Wörter, wegen des Klangbildes, das beim Vorlesen entsteht, wegen der Alliterationen. Unabhängig vom inhalt hört sich das schon klasse an (obwohl es so brummt :) )
... und für Interpretation, was das nun alles bedeutet, ist viel Raum gegeben!
 
Gefällt mir sehr gut. Durch das Reimschema "zieht" es den Text immer weiter nach vorn. Er will geradezu nicht stillstehen nach Strophe oder Refrain. Sehr musikalisch, das Ganze... und es brummt schon beim Lesen spür- und hörbar.
Wundervoll.
 
sehr gut. Auch wegen der vielen selten gehörten Wörter, wegen des Klangbildes, das beim Vorlesen entsteht, wegen der Alliterationen. Unabhängig vom inhalt hört sich das schon klasse an (obwohl es so brummt :) )
Herzlichen Dank für diese Ermutigung! In diesem Punkt werden sich die Menschen niemals einigen. Die Einen sehen in einer unverbrauchter Wortwahl eine zusätzliche Anregung, die Anderen strengt sie einfach nur an. Mich langweilen eher gängige Wendungen, die auf keine versteckte Hintertür verweisen. Und ich vermute, dass sich eher hintersinnigen Wendungen auf die Dauer durchsetzen,
... und für Interpretation, was das nun alles bedeutet, ist viel Raum gegeben!
Darauf hoffe ich. Am häufigsten und längsten begleiten mich Texte, die ich fast zwanghaft über die Jahrzehnte immer wieder neu interpretieren muss.

Durch das Reimschema "zieht" es den Text immer weiter nach vorn. Er will geradezu nicht stillstehen nach Strophe oder Refrain
Ja, genau DAS spürte ich bereits beim Texten. Normaler Weise freue ich mich immer, wenn ich eine Zeile mit dem Reim abschließen kann. Die meiste Energie einer Zeile verlangt der Reim. Das Enjambement hingegen erinnert die Autoren daran, dass man auch mit einem Satz über 2 oder gar 3 Zeilen gelegentlich Spannung schaffen kann.
 
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Beim englischen Text gefällt mir, dass durch die Binnenreime gefühlt das Tempo angezogen wird und sich die Dynamik steigert.
Lieber @x-Riff , ich greif deine Bemerkung zum „Binnenreim“ nochmal auf. Mir fiel heute Nacht noch etwas sehr interessantes ein: ich höre die betreffenden Stellen gar nicht als Binnen- sondern quasi als Endreime. Dafür sorgt allein schon die fallende Melodie.

The years I've seen (C)
that fell between (C)
my date of birth and yours (D)
Fade before D
the altered shore D
of a river changing course C

Mitten zwischen lauter langen 4/4 Takte tauchen plötzlich 2x2… 2/4 Takte auf. Das nimmt das Ohr tatsächlich als Beschleunigung wahr. Zumal textlich inmitten ungewöhnlich langer Hauptsätze, plötzlich und abgegrenzt, unvermittelt kurze Hauptsatz-Teile auftauchen. Und die Rhetorik lehrt bereits seit den alten Griechen, das Ellipsen das Erzähl-Tempo steigern.

Klingt verdammt nach Theorie… kann aber die Dynamik eines Textes bereits formal gewaltig beeinflussen!
 
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