Logic Workshop von Kosh

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Hier ist der angekündigte Workshop, mit dem ich Euch zeigen will, wie ich an eine Aufnahme herangehe und bis zum Mastering vervollständige.
Hier ist der Link zu dem Song, den ich im Zuge des Workshops geschrieben habe:
Nightscape

Inhalt:

1) Vorbereitung
1.1 Das System
1.2 Sequenzer Konfiguration
1.2.1 Audio
1.2.2 VSTIs

2) Sound, Sound, Sound!
2.1 Einleitung
2.2 Drums müssen knallen!
2.3 Druck aus der Tiefe
2.4 Volles Brett voraus!
2.5 Fremde Sphären

3) Schwere Fragen
3.1 Und jetzt?
3.2 Paradies gefunden?
3.3 Was ist die Matrix?

4) Mixen und andere Ärgernisse
4.1 Was summt denn da?
4.2 Die totale Automation
4.3 Die Entdeckung der Langsamkeit
4.4 Master, Master!!!

5) Nach dem Mix ist vor dem Mix


1 Vorbereitung

1.1 Das System
Zuerst werde ich mal die verwendete Hard und Software auflisten:

PC: Intel P3, 1,2 GHz, 512 MB DDR RAM, Terratec EWX 24/96
Software: Logic Platinum, Wavelab, NI Battery, Edirol Orchestral, NI FM 7, NI Pro53
VST FX: Simulanalog Guitarsuite, Native Bundle, Steinberg Multibandkompressor
Samples: Drumkit From Hell
Gitarre: Ibanez SA 420 XAV
Keyboard : Fatar Studiologic 610+
Abhöre: JVC TH-A30R 5.1 Heimkino System

Vorbereitung:
Bevor ich anfange sollte ich mir natürlich erst mal ein vernünftiges Bild in meinem Sequenzer erstellen, da die voreingestellte Oberfläche ungefähr so aussieht:
sequencershot%201.jpg



1.2 Sequenzer Konfiguration

1.2.1 Audio
Gut, dann muss ich mir jetzt mal überlegen, was ich eigentlich so alles an den Start bringen will:

Mit den ganzen MIDI Spuren kann ich schon mal nichts anfangen, da ich keinen Synthi, oder ein anderes midifiziertes Instrument an meinem Rechner habe, sondern lediglich mein Masterkeyboard an diesen Anschlüssen hängt.

Es geht um ein ordentlich metallisches Instrumental mit ein paar Keyboards dabei (also eigentlich das, was ich immer mache ;) )
Ich sehe für die Rhythmusgitarren vier Spuren vor, damit es auch ordentlich drückt. Dazu kommen zwei Spuren für Lead- oder Soloanwendungen, und zwei Spuren für cleane Gitarren, oder über Piezo eingespielte simulierte A-Gitarren (das weiß ich jetzt noch nicht).
Wenn ich unserem Bassisten seinen Fünfsaiter entwenden kann, werde ich auch den aufnehmen, von daher muss eine Spur für den Bass an den Start.
Damit wären die Instrumente versorgt. Rein vorsichtshalber werde ich noch zwei Stereospuren für gebouncte Keyboardspuren anlegen, für den Fall das mein System unter zu hohen Belastungen in die Knie geht.

1.2.2 VSTIs
Zu den virtuellen Instrumenten:
Ohne Schlagzeug und Keyboards geht bei mir wenig. Trommeln sind elementar und ich hab viel Spaß daran, mit Keys traditionellem Metalsound eine technische Note zu verpassen.

1) Battery (Audio Instrument 1)
Der Battery von Native Instruments ist eigentlich lediglich ein Sampler auf VST Basis, der sich hervorragend zum Verwalten von Drumsamples eignet. Größter Vorteil des Battery ist die Möglichkeit ihn mit mehreren Ausgängen zu konfigurieren, um verschiedene Instrumente (Bassdrum, Snare, HiHat, etc.) innerhalb des Sequencers auf einzelne (Aux) Spuren zu routen und diesen individuelle Effekte zu verpassen.
Also stelle ich den Battery auf zwei Monoausgänge (Für Bassdrum und Snare, die meistens mittig liegen) und vier Stereoausgänge (Toms, HiHat, Ride, Overheads, da diese im Stereopanorama verteilt sind) ein bekomme diese auf meinen angelegten Aux Spuren auch angezeigt. Diese werde ich mir der Übersicht halber auch noch entsprechend benennen.
environment%20battery.jpg




(Zwischenspiel: Im Environment (dem Mixer) von Logic bekomme ich momentan noch 64 "Audio Instrument" Spuren angezeigt, die ich nicht alle brauche; davon lösche ich mal einen guten Teil heraus, bis noch etwas 10 übrig sind, inklusive Audio Instrument 64, auf dem der "Klopfgeist" sitzt, der hier für den Klang des Metronoms verantwortlich zeichnet.

Dazu habe ich auch noch 16 Bus Spuren, auf denen man anteilsmäßig Effekte für mehrere Audio- oder Audioinstrument-Spuren auf einmal anlegen kann (dazu später mehr), von denen ich aber nur etwa fünf brauchen werde. Also, zuerst aufräumen, dann weitersehen)


2) Lounge Lizard (Audio Instrument 2)
Der Lounge Lizard ist eigentlich ein E-Piano simulierendes VSTI, eignet sich aber hervorragend um einen nicht vorhandenen Bass zu ersetzen. Ich weiß noch nicht, ob ich ihn brauchen werde, aber vorsorglich lasse ich ihn schon mal starten.

3) NI Pro 53 (Audio Instrument 3, 4)
Ein Softsynth, der recht ordentlich alte, analoge Kisten der 70er und 80er simuliert. Schätze wie Junos, Oberheims, oder ähnliche Synths. Benutze ich oft für Lead Sounds.
Diesmal wird er in zwei Instanzen laufen. Das heißt ich werde diesen Synth auf zwei Spuren unabhängig voneinander starten, was nicht weiter schlimm ist, da er nicht viel Speicher braucht.

4) NI FM7 (Audio Instrument 5, 6)
Ebenfalls ein Softsynth. Dieser agiert auf Basis additiver Synthese, ein Prinzip, das ich Euch aber leider nicht auseinandersetzen kann. Bei Bedarf einfach einen im Keyboard bereich ausfragen. Sehr schön geeignet für Flächen und Sync Sounds. Dieser Kollege wird auch in zwei Instanzen laufen.

5) Edirol Orchestral (Audio Instrument 7-10)
Es geht nichts über einen kleinen Streichersatz, oder einen Konzertflügel, um einer metallischen Komposition einen Hauch Bombast zu verpassen. Hier kommt ein äußerst potentes VSTI der Firma Edirol ins Spiel.
Und zwar handelt es sich bei dem HQ Orchestral um ein 16-fach multitimbrales Instrument, was bedeutet eine Instanz des Instrumentes kann MIDI Informationen von 16 verschiedenen Spuren verarbeiten, vorausgesetzt, der Rechner zieht dabei mit.
Ich brauche diesmal aber nur vier.
Also werde ich den Audio Instrumenten 7 bis 10 den einheitlichen Kanal 7 zuordnen, damit alle Spuren ein Instrument (den Orchestral) ansteuern. Damit das auf verschiedenen Kanälen des Orchestral passiert, wird jeder der Audio Instrument Spuren ein anderer MIDI Kanal (1 bis 4) zugeordnet.
Klingt etwas kompliziert, lässt sich aber pro Spur über das Audio-Objekt Fenster komfortabel konfigurieren. Hier ein Bild zur Verdeutlichung:
audio%20objekt.jpg




Also, Midispuren weg und den Rest benenne ich mir mal, um später eine bessere Übersicht zu haben. Optional kann man die Spuren auch einfärben und ihnen lustige kleine Symbole verpassen. Das Ganze sieht jetzt so aus:
sequencershot%202.jpg



Ist doch schon wesentlich übersichtlicher, oder? Na dann kann's ja weitergehen...


2 Sound, Sound, Sound!

2.1 Einleitung
Keine Musik ohne Klang, keine gute Musik ohne guten Klang.
Das ist eine Tatsache. Mit einem guten Sound kann selbst eine musikalisch eher bescheidene Combo gut klingen, während eine schlechte Produktion eine technisch einwandfreie Band ein gutes Stück nach unten ziehen kann.
Selbstverständlich kann man aus schlechten Instrumenten und Amps keinen professionellen Sound zaubern, aber man kann versuchen eine gute Grundlage zu schaffen und es dem Ohr eines geneigten Zuhörers möglichst einfach machen, möglichst viel vom Eingespielten auch wieder zu erkennen.
Hier heißt das Zauberwort Frequenztrennung. Das bedeutet zu versuchen, jedem einzelnen Instrument einen eigenen Bereich im Frequenzspektrum zu sichern, was bewirkt das sich alle einzelnen Instrumente aus dem Mix auch wieder heraushören lassen.
So muss eine Gitarre nicht im Bassbereich rumpeln und zu mittige Becken neigen sehr zum scheppern. Hier muss man mit einem EQ ansetzen und solange regulieren bis es klar klingt.

Natürlich kann man nicht hergehen und sagen: Bass und Bassdrum gehen bis 100 Hz, dann kommen die Gitarren und Toms, sowie Snare und Vocals bis 1200 Hz und Becken und Keys darüber.
Eine zu scharfe Abtrennung führt dazu, dass die Instrumente noch schlechter klingen als unbearbeitet.

Dieser Prozess läuft also dynamisch ab und die Frequenzen dürfen sich auch zum Teil überschneiden. Hier ist ein gutes Ohr und etwas Fingerspitzengefühl gefragt, sowie genug Zeit und Geduld zum Ausprobieren.

Wichtig zu wissen ist, das ich im folgenden Teil lediglich versuche Empfehlungen für einen Grundmix von Instrumenten zu geben. Die Werte sind keine festgeschriebenen Gesetze und müssen einem individuellen Mix selbstverständlich angeglichen werden, um den aufgenommenen Instrumenten auch gerecht zu werden.

2.2 Drums müssen knallen!
Naja, das ist eine Wahrheit, die jedem Headbanger nur zu sehr im Bewusstsein eingeschärft ist. Ohne ein schön drückendes Drumset geht nur sehr wenig. Um der Wahrheit die Ehre zu geben bin ich der Ansicht, das ein gut gemixtes, knalliges Schlagzeug die halbe Miete bei einer Metal Produktion ist.
Daher müssen wir uns jetzt auch etwas eingehender um unser Schlagzeug kümmern:
Zuallererst brauchen wir Samples. Wie bereits gesagt, verwende ich den Battery als Sampler und da wir ordentlich losrocken wollen, werden sich Samples aus der Drumkit From Hell Reihe sicherlich bestens eignen.

Ich habe mir ein Set aus verschiedenen Instrumenten dieser Reihe zusammengestellt.
Bassdrum, Snare und Toms sind jeweils in linke und rechte Hand eingeteilt; das heißt, jedes einzelne Instrument ist doppelt vertreten. Außerdem habe ich für jedes Instrument bis zu 10 Velocity Layer vorgesehen, was zehn unterschiedliche Anschlagstärken pro Instrument bedeutet. Diese werden jeweils von verschieden starken Midi Impulsen angesteuert und sorgen mit der "linke, rechte Hand" Varation für ein recht realistisches Klangbild.
Klingt gut? Ich hab mal fix auf dem Keyboard eine kleine Sequenz eingehackt. Hört's Euch mal an...
Drums Raw


Klingt recht bescheiden, hm?
Die Becken krachen fürchterlich, es übersteuert, die Snare ist pappig und irgendwie stimmt mit den Lautstärkeverhältnissen gar nichts. Was will man machen, die Samples sind unbearbeitet.
Also legen wir mit dem grundlegenden los:

1) Bassdrum
Dynamik:
Eigentlich sind Kompressoren auf der Bassdrum eher bei live eingespielten Instrument notwendig. Da ich aber zuweilen über mein Keyboard ähnlich verfahre gibt's jetzt einen kleinen Dynamikansatz zu lesen:

Der Attack sollte schön kurz gehalten werden, also noch unter 70 ms, Release kann man je nach Geschwindigkeit aufeinanderfolgender Schläge zwischen 150 und 300 ms ansetzen. Threshold etwas auf minus 10 db und Ratio zwischen 1:4 und 1:8. Sollte die Bass zu stark komprimieren und im Mix untergehen könnte ein etwas längerer Attack Wert Abhilfe schaffen.

EQ:
Fett muss sie werden und im Mix von unten für Druck sorgen. So etwa bei 60 Hz geht sie steil, also wollen wir diesen Bereich etwas pushen. Der Fat EQ von Logic lässt sich hier sehr übersichtlich einstellen. Bei einem Q-Faktor um 1 kann man den besagten Bereich um etwa 3 db anheben.
Der metaltypische Klick liegt zwischen 4 und 7 kHz, wo man also auch etwas mit dem EQ geben kann. Möglicherweise muss man die Mitten noch etwas ausdünnen, aber das (sowie die anderen Einstellungen) hängt stark von den verwendeten Samples ab und lässt sich nur durch Austesten am besten regeln.


2) Snare
Dynamik:
Den Threshold kann man hier um die minus 20 db ansetzen, außerdem sind längere Attack- und Releasezeiten von etwas 100 und 300 ms sinvoll. Der Ratio regelt das verhältnis zwischen Anschlag und Ausschwingen der Snare. Hier kann man den Wert langsam erhöhen, bis die Snare im Mix gut zu hören ist.

EQ:
Auch eine Snare hat einen gewissen Bassanteil, der für den Punch sorgt. Dieser liegt um 220 Hz, wobei der Wert bei verschiedenen Modellen und Materialien variiert . Unterhalb von 150 Hz muss die Snare eigentlich nicht klingen, so das man diesen Wert etwas absenken kann. In einer realen Aufnahmesituation ist dies auch ein guter Weg um einem Übersprechen der Bassdrum auf das Snaremikro entgegenzuwirken.
Um 700 Hz gibt es einen Bereich der irgendwie "pappig" klingt und deswegen auch um bis zu 4db abgesenkt werden kann.
Muss es noch etwas klarer klingen, kann man die Höhen um 10 kHz etwas anheben, aber nicht zuviel um den Becken Raum zum Wirken zu lassen, die hier ihren Bereich finden.

3) Toms
Dynamik:
Allgemein gehe ich hier fast so wie bei der Snare vor, wobei ich den Threshold etwas höher (um die -10 db) ansetze.

EQ:
Auch hier gibt es, wie bei der Snare, eine komisch klingende Frequenz um die 700 Hz, die möglicherweise leicht abgesenkt werden muss. Die Grundtöne der Toms liegen je nach Trommel zwischen etwa 100 und 400 Hz. Wenn man einen knackigen Attack auf den Toms wünscht, kann man hier den selben Bereich wie bei der Bassdrum anheben, auf der der Klick zu hören ist, was für ein einheitliches Klangbild sorgt.

4) Overheads
Dynamik:
Becken und Kompressoren vertragen sich nicht sonderlich gut, weswegen ich hier auch darauf verzichte.

EQ:
Unter 800 Hz geht bei den Becken nichts, deshalb kann man hier auch rigoros mit einem LoCut, oder EQ zuschlagen und diesen Bereich herausnehmen. Um 15 kHz liegt der helle Zauber der Becken, den man je nach Bedarf schmalbandig um bis zu 4 db anheben darf.


Zusätzlich hab ich auch noch die Lautstärkeverhältnisse angeglichen und musste alles leicht absenken, um Übersteuerungen aus dem Wege zu gehen. Vor allem wenn später noch andere Instrumente wie Gitarre und Keys hinzukommen, wird es möglicherweise aufgrund der bereits angesprochenen, verbleibenden Frequenzüberschneidungen noch einmal übersteuern, aber das sehen wir dann.

Ob das jetzt wohl besser klingt? Wir können ja noch mal reinhören:

Drums Mix

Yep, das ist doch besser. Die Becken sind schön klar und scheppern nicht mehr, die Bass drückt, und auf den Toms ist auch mehr Punch. Mit der Snare bin ich noch nicht hundertprozentig zufrieden, aber das werde ich beim Mixen später noch mal drauf achten.


2.3 Druck aus der Tiefe
Neben dem Schlagzeug ist der Viersaiter die zentrale Einheit, die für Druck im Mix und Groove in der Musik sorgt. Auf einer gut aufeinander eingespielten Rhythmusgruppe können sich die helleren Instrumente ausruhen und im Lichte der Aufmerksamkeit des Hörers sonnen.

Ok, ganz so soll es natürlich nicht passieren. Seltsamerweise wird der Bass bei vielen Produktionen aber etwas vernachlässigt und tendiert dazu, im Hintergrund der Soundwand zu verschwinden, was einerseits auf der musikalischen Seite an einem zu einheitlichen Arrangement mit den Rhythmusgitarren liegen kann, aber auch an der häufig erdrückenden Übermacht gedoppelter Gitarren.

Das werden wir später noch sehen. Zuerst ist es wichtig das der Sound des Basses ein gutes Fundament legt.
Hier gehe ich vor, wie später auch bei den Gitarren; um unnötigen Kabelsalaten aus dem Wege zu gehen, stöpsele ich den Bass direkt in meine Soundkarte. Diese hat zwas auch einen kleinen Vorverstärker, den ich aber nicht einschalte. Auf minus 10 dbV geschaltet erhalte ich im Sequenzer ein ausreichend starkes Signal, das anschließend durch IK Multimedia's Amplitube geschleift wird.

Dynamik:
Bevor das Signal den Amplitube erreicht, wird es allerdings auch Bekanntschaft mit einem Kompressor schließen müssen, um den Bass schön gleichmäßig zu fahren. Weil ich außerdem mit dem Plektrum spiele muss ich aufpassen, dass ich den Sound nicht durch den Kompressor zerstöre und das Plektrumgeräusch nicht herauseliminiere.
Hier hilft ein Threshold von etwa -10 db und eine Ratio um 8:1. Bei einer Attack- und Releasezeit von 45 ms und 200 ms bleibt das Geräusch des Pleks auch erhalten.

EQ:
Wenn man später im Mix den Gitarren und den Keys ab 150 Hz alle Frequenzen wegnimmt, bleibt für Bassdrum und Bass genug Platz, um miteinander auszukommen.
Bei etwa 60 Hz drückt der Bass sehr schön und kann etwas angehoben werden (3 bis 4 db). Die Brillianz des Basses ist allerdings häufig nicht in den Höhen, sondern bei den oberen Mitten um die 2 kHz zu suchen. Darüber kann man häufig getrost etwas absenken, um Störgeräuschen den Gar auszumachen.

2.4 Volles Brett voraus!
Jetzt kommen wir (aus der Sicht des Gitarristen sowieso) zum Herz der Produktion:
Die Rhythmusgitarren verleihen einer Aufnahme Persönlichkeit wie kaum eine andere Instrumentengruppe.

In letzter Zeit haben sich bei mir die kostenlosen Gitarren VSTIs von Simulanalog einen unangefochtenen Spitzenplatz bei den virtuellen Amps emuliert, und eben diese werden jetzt auch zum Zuge kommen.
Viele modernere Produktionen setzen auf drei-, vier- oder sogar fünffach gedoppelte Gitarren, die jeweils mit recht wenig Zerre zu einem Ganzen zusammen gefügt werden.
Ich persönlich brauche einfach Tonnen von Gain, damit "artificial harmonics" und andere Spielereien auch schön fett kommen.
Wie gehe ich also vor?
Ich versuche das beste beider Welten, die Transparenz weniger angezerrter Gitarren und das Brett der vollen Distortion, miteinander zu verbinden, indem ich zwei Gitarren, jeweils recht weit links und rechts in Stereopanorama ansiedele und einmal doppele.
Zuerst muss aber die Gitarre überhaupt klingen. Also den alten Hobel ausgepackt, in die Soundkarte gestöpselt und auf der ersten Rhythmusgitarrenspur den korrekten Eingang geschaltet und den Aufnahmebutton aktiviert um ein Signal zu bekommen.
Da ist es auch, klingt nur sehr clean. Jetzt kommen die Simulanalogs zum Einsatz. Hier sollte man für stärkere Zerren die Simulation des JCM 900 wählen. Dieser zerrt mir aber noch nicht genug und in so einem Fall würde man hergehen und einen Bodentreter vorschalten. In diesem Falle ziehe ich die Simulation eines Tubescreamers heran und schalte sie wie in der Realität auch vor den JCM.
Die Einstellung ist jetzt eine Frage des Geschmacks; manchmal lasse ich mehr Mitten braten, manchmal ziehe ich sie auch runter, um dem typischen kalten Metalsound näher zu kommen.

Und wie steht es jetzt mit dem Doppeln?
Ich persönlich lege zwei stark verzerrte Gitarren relativ weit außen rechts und links ins Stereopanorama, und zwei etwas bassigere, crunchende weiter innen. Die letzteren sorgen für den Punch und ein durchsetzungsfähiges Anschlaggeräusch, während erstere den Dunst an den Start bringen.

Für den Bereich cleaner Gitarren benutze ich normalerweise zwei Spuren, auf denen ich über den eingebauten Piezo Tonabnehmer meiner Gitarre etwas zupfe.

Hier mal die allgemeinen Werte:

1) Rhythmusgitarren
Dynamik:
Da bei hohen Zerrwerten die Gitarren sowieso schon komprimieren, verzichte ich auf Kompressoren zur Gänze.

EQ:
In den Mitten liegt die Stärke der Rhythmusgitarren; der Druck kommt nicht etwas durch rigoroses Anheben der Bässe. Im Gegenteil, das würde zu einer Konkurrenz mit den wirklichen Bassinstrumenten führen und im Endeffekt matschen. Also werden wir zuerst bei den Bässen etwas ausdünnen. Die Bereiche zwischen 60 und 150 Hz können getrost um etwa 3db runter. Optional kann man einen LoCut anlegen, der diese Frequenzen einfach abschneidet.
Um die 300 Hz kann man etwas anheben, um der Gitarre matschlosen Druck zu verleihen.
Bei ca. 750 bis 850 Hz hat die Gitarre ihren Haupttonanteil am Mix, so dass wir diesen Bereich anheben können. Hier wird sie mit der Snare auskommen müssen, aber mit etwas herumprobieren kann man hier auch eine Lösung finden.
Soll es noch etwas heller werden, kann man um die 4 kHz eine schmalbandige Anhebung vornehmen, was das Plekgeräusch stärker betont.

2) Clean/Akkustikgitarren
Dynamik:
Normalerweise nehme ich hier je nach Gusto einen Ratiowert zwischen 1:2 und 1:8, je nachdem inwieweit ich das Plektrumgeräusch mit hören möchte. Der Threshold steht bei minus 15 und die Attack- und Releasezeiten sind mit ca. 20 ms und 60 ms recht kurz.

EQ:
Bei Piezo Pickups ist das eine Frage des Klangs des Tonabnehmers und des Alters der Saiten. Da meine Saiten momentan recht als sind, werde ich die Höhen um 10 kHz stärker betonen müssen und dabei Gefahr laufen, den Becken in den Weg zu kommen.
Ansonsten gibt es noch etwas Bass bei ca. 200 Hz, da mir bei single notes sonst etwas der Druck fehlt.
Diese Einstellungen sind aber als sehr individuell zu verstehen und keinesfalls verbindlich.

2.5 Fremde Sphären
Die Sache mit den Keys ist leicht erklärt:
Hier verwende ich weder EQs noch Kompressoren, da die Sounds meistens durchsetzungsfähig und ausgewogen genug synthetisiert werden. Außerdem sind viele Sounds von ihrem Frequenzbereich her so sehr unterschiedlich, dass ein allgemeiner Wert hier von keinerlei Hilfe wäre. So muss man im Fall der Fälle selbst etwas suchen um einen Sound prägnanter zu bekommen.


3 Schwere Fragen

3.1 Und jetzt?
So, mein kleines Heimstudio ist soweit vorbereitet. Die Gitarre ist eingestöpselt und ich sitze hier und höre auf das Brummen, das der Monitor über die Tonabnehmer an meine Anlage sendet (ein Problem auf das ich später zurückkomme).
Jetzt fehlt der wichtigste Teil beim Musizieren: Die Inspiration
Normalerweise komme ich häufig in mein Zimmer und weiß bereits genau, was ich vorhabe. Bei einem solchen Workshop hab ich aber keine Ahnung was ich machen könnte. Eine gewisse Eingrenzung hab ich bereits über die Wahl der Instrumente geleistet, trotzdem stellt sich die Frage, wie ich an die Sache herangehe.
Also spiele ich jetzt etwas Gitarre und wenn das nicht hilft, suche ich mir einen lustigen Synthsound und klimpere etwas auf dem Keyboard, dann wird sich bestimmt schon etwas finden.

3.2 Paradies gefunden?
Das Paradies vielleicht nicht gerade, aber beim Zupfen der Gitarre kam mir eine kleine Akkordfolge in den Sinn, zusammen mit einer recht einfach gehaltenen Melodie, wie geschaffen für einen Chorus.
Die muss ich mir jetzt irgendwie merken, und da ich auf der Gitarre schlecht Akkorde und Melodie gleichzeitig spielen kann, ist jetzt das Piano gefragt; also schnell den Orchestral angeschaltet, Pianosound gewählt und spielen bevor ich es wieder vergesse.
So klingt's übrigens:

Piano Hookline

Wie man hört, bin ich am Klavier nicht gerade ein Meister, aber zum merken einfacher Ideen reicht es. Das Tempo liegt jetzt bei 155 bpm, also eher im gehobenen Midtempo Bereich.
Gut, ein Chorus steht und der lässt sich auch noch durch Modulation abwandeln, so dass ich das Instrumental dahingehend interessant halten kann. Jetzt muss ich mir überlegen, ob ich gleich hier weiter mache, oder an einer anderen Stelle beginne.
Ich will erst mal hören, wie das klingen würde, wenn ich es soweit fertig mache, dann kann ich zwischen den Instrumenten auch schon mal etwas die Lautstärkeverhältnisse angleichen.
Die Melodie sollte möglichst von einer Sologitarre getragen werden, vielleicht sogar zweistimmig mit Strings oder einem Synth Lead (oder beidem), während der Rhythmusteil von offenen Akkorden getragen wird.
Also es kommen dazu:
-Schlagzeug
-vier Rhythmusgitarren
-Sologitarre als Melodieführer
-Strings als Melodieunterstützung
-Synth Lead als Melodieunterstützung
-French Horns als Akkordbegleitung (gerade diese leisten einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Klangbild, obwohl sie aus dem bewusst aufgenommenen Höreindruck oft verschwinden)
Das sollte für ein fettes Klangbild reichen, mal sehen...

(Der fertige Chorus findet sich im Beispielsong "Nightscape" bei etwa 2:53)

Ich setze übrigens für jede Audiospur, die ich aufnehme einen eigenen Aufnahmepfad, was dafür sorgt, dass alle aufgenommenen Audiofiles den Namen ihrer zugehörigen Spur tragen. Das sorgt für Übersicht in dem der Aufnahme zugewiesenen Ordner, denn es können immer unvorhergesehene Grüße aus Silicon Valley das System crashen lassen, und dann ist es sehr anstrengend, sich für ein länger nicht mehr gespeichertes Bild, konfus betitelte Audiofiles aus einem mehr als 100 Dateien umfassenden Ordner zu suchen.

Oftmals passiert es mir beim Schreiben/Recorden, dass ich auf eine Melodie, oder einen Rhythmus komme, dem ich die Gitarren hinterher angleichen muss. Z.B. musste ich mir das Soloriff im Intro erst auf der Gitarre draufziehen, da ich es zuerst mit dem FM7 programmiert hatte. Solche Scherze treiben mich manchmal selbst zur Verzweiflung und ein paar mal musste ich auch schon vor der ein oder anderen Gitarrenlinie kapitulieren, diesmal hat es aber glücklicherweise ganz gut geklappt.

3.3 Was ist die Matrix?
Diese Frage hat sich Neo auch schon gestellt, allerdings dachte er an etwas anderes, als ich im Moment.
Ich spreche selbstverständlich vom Matrix Editor, der kein Tool ist, mit dem man die Barrieren der Realität hinter sich lassen kann, sondern lediglich Midi Events programmiert und editiert. Für die Drumspur, die ich gerade programmieren will sieht er so aus:
matrix.jpg


Die Klaviatur links zieht sich über das Raster weiter und die einzelnen Takte sind in 16tel unterteilt, was mir ausreicht um am Schlagzeug zu wirken. Offengesagt hab ich den Rhythmus, den ihr seht nicht einzeln zusammengeklickt, sondern erst mal eingespielt, was ich bei langsameren Halftime Sachen schon mal machen kann.
Die einzelnen Events habe ich dann noch etwas gekürzt, obwohl das am Schlagzeug keinen Unterschied macht, da man die angespielten Samples nicht halten kann, sondern sie nur einmal erklingen. Bei anderen Synths ist das natürlich anders und durchaus relevant.
Außerdem sind die einzelnen Events voneinander farblich abgegrenzt, was auf eine Unterschiedliche Anschlagstärke schließen lässt, die im Regenbogenspektrum von violett (leise) bis rot (laut) die Midiwerte 0 - 127 umschließt. Das ist jetzt zwar unabsichtlich beim einspielen über das Keyboard geschehen, aber sorgt, wie oben erwähnt, für ein realistischeres Klangbild des Schlagzeugs (4:12).
 
Eigenschaft
 
4 Mixen und andere Ärgernisse

4.1 Was summt denn da?
Ganz ehrlich, was soll denn das? Irgendetwas brummt mir hier in die leiseren Stellen hinein.
Kurz untersucht und es stellt sich heraus, dass die Gitarren, oder eher der Ampeffekt auf deren Signal nicht nur zum Rauschen tendiert, sondern eine ordentlich Kakophonie in Spielpausen veranstaltet. Das ist selbstredend eine untragbare Situation, der sofort beigekommen werden muss.
Hier gibt es der Lösungswege vier. Man kann:
a) das Problem ignorieren und hoffen das morgen wieder alles feini-fein ist.
(dieses Vorgehen ist allerdings nicht nur unprofessionell, sondern auch recht uneffektiv)

b) ein Noise Gate aus dem Ärmel zaubern und der Spur beibringen wann sie die Klappe zu halten hat, wobei zu bedenken ist, das ein VST/DX Gate möglichst als erstes in der Effektkette anzusiedeln ist; ganz so wie im echten Leben also.

c) das Volumen per Spur Automation an der besagten Stelle runterfahren.
(Spur Automation erlaubt es z.B. die Lautstärke als Linie mit einem bestimmten Verlauf auf die entsprechende Spur zu zeigen, womit man den Volumen-Fader im Mixer automatisiert; dazu später mehr)

d) Das entsprechende .wav File im Mix doppelt anklickt und im Logic eigenen Wave Editor alle Stellen an denen die Gitarre nicht spielt mit einer Stille versieht.
(Das ist momentan für mich die Option, die am besten funktioniert. Man sollte aber alles mal ausprobiert haben)

Ok, das Rauschen ist beseitigt und es geht weiter im Text:

4.2 Die totale Automation
Jetzt habe ich die ominöse Spur Automation ja schon mal angesprochen, da kann ich auch mal kurz die Möglichkeiten, die sie mit sich bringt aufzeigen.
So sieht das übrigens aus:
automation.jpg


Die gelbe Linie ist die Volumen-Automationsanzeige, die hier im Bild eine Absenkung von
-4.8 auf -6.8 db macht. Ich kann neben dem Volumen aber auch das Pan kontrollieren und sogar einzelne Parameter der VST und Direct X Effekte sind steuerbar. So kann ich mir zum Beispiel den vorgeschalteten Tubescreamer, falls erforderlich, abschalten, sein Gain verringern, oder ein Delay von 16tel auf 8tel umschalten. Der Automation sind absolut keine Grenzen gesetzt. So habe ich für die nur leicht angezerrte Sologitarre in dem jazzigen Teil des Nightscape Songs keine neue Spur verwendet, sondern das Gain des JCM 900 und des Tubescreamers per Automation abgesenkt. So faden die Sologitarren so auch mal geschmeidig aus und die drei Orchestersounds ebenfalls (5:21).

4.3 Die Entdeckung der Langsamkeit
An ein paar Stellen des Workshop Songs werdet ihr zum Teil heftige Schwankungen im Tempo bemerkt haben. Diese liegen nicht an der Schlampigkeit des Autors, sondern sind voll und ganz beabsichtigt. Ich finde solcherlei Sachen machen einen Song sehr dynamisch, wenn man es nicht komplett übertreibt.
Für solcherlei Zwecke bietet Logic die sehr praktische "Tempo als Liste" Funktion, die ein Fenster öffnet, in dem man sich sehr komfortabel ab bestimmten Takten neue Tempozonen programmieren kann und sogar die Zählzeit anpassen kann. Mit etwas Fingerspitzengefühl kann man sogar eine fortlaufende Verlangsamung programmieren, indem man von Takt zu Takt und von 8tel zu 8tel immer geringere bpm Werte angibt (zu hören zum Beispiel ab ca. 5:15 im Workshop Song "Nightscape").

4.4 Master, Master
Der Song steht, ich hab die Gitarre endlich aus der Hand gelegt, ärgere mich noch etwas über die ein oder andere Unsauberkeit, bin ansonsten aber ganz zufrieden. Jetzt höre ich mir das Ganze noch einmal an, um zu sehen, ob ich noch irgendetwas übersehen habe und dann wird der Track gebounced, sprich. Alle Spuren werden auf eine Stereospur heruntergerechnet.
Zuvor sollte man sich überzeugen, ob das am Output liegende Signal nicht vielleicht über die 0 db Marke hinausschießt, um unliebsamen Übersteuerungen aus dem Wege zu gehen, wobei ich finde, dass kurze Spitzenwerte nicht weiter auffallen.

Hat das soweit geklappt, importiere ich die fertige Datei in Wavelab und fahre einmal mit meinen Standard Mastereffekten drüber. Im Einzelnen sind das ein Multibandkompressor, mit dem man verschiedene Frequenzbereiche unterschiedlich komprimieren kann, um z.B. in den unteren Mitten für etwas Punch zu sorgen, oder zu scharfe Höhen zu entschärfen, ein graphischer EQ, ein Stereoexpander und letztendlich der Loudnessmaximizer, der das Signal auf ein gewünschtes Level anhebt.

Ich muss allerdings zugeben, dass ich beim Mastern kein König bin, und deswegen fast immer mit dieser Standard Effektkette vorgehe, an deren Einstellungen sich auch nur geringfügig etwas ändert, zumal es mir meine recht untaugliche Abhöre sowieso schwer macht Genaues zu regulieren.


5 Nach dem Mix ist vor dem Mix
So, der Song ist fertig gemastert und bereits als 192er mp3 encodiert, nun kann ich ihn ins Netz stellen und mich an den hoffentlich positiven Reaktionen erfreuen und mich derweil auf das nächste Ding vorbereiten.
Ich hoffe dieser kleine Einblick in meine Arbeitsweise ist für Euch hilfreich und vielleicht sogar aufschlussreich. Ich jedenfalls hatte viel Spaß am schreiben und Ihr hoffentlich beim lesen.
In diesem Sinne, man hört sich bestimmt demnächst.

Kosh

PS: Das Ganze gibt es auch als Word Dokument zum Download hier:
Workshop.doc
 

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