50 til 50

Ich verrate jetzt natürlich nicht, wer hier die 12 Points bekommt. Vielleicht gibt es ja noch andere Stimmen 😂
 
50til50, Part 35

STRANGE BIRD

Der Mensch ist schon ein komisches Tier. Da leben wir in einer Welt voller großartiger Dinge: Ozeane, Gebirge, Sonnenaufgänge, Sternschnuppen. Wir teilen sie uns mit so vielfältigen Lebewesen, von denen wir die meisten noch nicht einmal benennen können. Wer kennt schon den Giant Gippsland Earthworm oder den Kuhfisch? Und trotzdem sind wir Menschen damit nicht zufrieden und erfinden mythische Kreaturen, denen wir alle möglichen Fähigkeiten zuschreiben.

Da wäre der Ouroboros, die Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt und mit der Ewigkeit in Verbindung gebracht wird. Da wäre Garuda, halb Mensch und halb Adler, der als Bote Nachrichten von den Göttern des Hinduismus an die Menschen überbringt. Da wäre Chupacabra, der angeblich den Ziegen Mexikos das Blut aussaugt.

All diese Mythen sind faszinierend. Vor Jahren hatte ich die Idee, einen ganzen Zyklus über solche Wesen zu komponieren. Ouroboros würde den Anfang (und natürlich das Ende) machen und zwischendurch würde eine Vielzahl mythischer Kreaturen musikalisch dargestellt werden.

Der Song für diese Woche hat ein wenig mit dieser Idee zu tun. STRANGE BIRD begann sein Leben als reine Klangspielerei. In einem Video hatte ich von einer Technik gehört, eigene Basssounds zu erstellen, die ich so noch nicht bewusst angewendet hatte. Der Sound, den ich schuf, gefiel mir. Ein anderer Sound sollte ein Echo bekommen – was passiert, wenn ich die Frequenz des Echos verändere, während es zu hören ist? Auf einmal entstand dieser gurrende Effekt und ich sah einen komischen Vogel vor meinem geistigen Auge. Es erinnerte mich an meine Idee von damals, Songs über mythische Tiere zu schreiben.

Der Rest war mehr Spielerei, mehr Chaos und mehr Spaß. Am Ende stand da ein Stück Musik, was mich verzaubert hat. Nicht weil es so gut wäre (obwohl ich es ziemlich gut finde), sondern weil der ganze Prozess weniger als zwei Stunden gedauert hat. Manchmal sitze ich an einer Idee zwei Monate, manchmal geht es schneller…

STRANGE BIRD ist seit heute zu hören. Ich hoffe, ihr findet ihn STRANGE – im besten aller Sinne. Es ist der 35. Song meiner Reihe und langsam merke ich, dass die Zeit bis zur 50 immer schneller vergeht.

Welche Mythen beschäftigen euch? Und wie geht ihr vor beim Songwriting? Habt ihr einen Plan, oder lasst ihr euch von euch selbst überraschen?


View: https://open.spotify.com/intl-de/track/6hDMBNV280IRzjQvjbn80N?si=4d767ffa4af441c3


View: https://youtu.be/l_C8VT-xCNE?si=H4OqGQJpty9EdsUM



#50til50
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 3 Benutzer
Ganz klar eine Monkey Theory. Du hast dir da über die Wochen einen ganz starken Wiedererkennungswert erarbeitet. Auch dieser Track ist toll geworden!
 
Irgendwo ist mir die Illustration des "Strange Bird" vor Jahren schon mal untergekommen, da gab es eine Diskussion um die überdimensionierten Krallenfüße und Schnabel, von welchem Greifvogel die wohl stammen. Eine Kampfdrossel mit Symbolcharakter sozusagen :ROFLMAO:
Mythen und Sagen gibt es natürlich zuhauf. Da wird der Fantasie seit Beginn der Menschheit keine Grenzen gesetzt. Immer her damit. Aber spannend müssen sie schon sein, um von Generation zu Generation weitergetragen zu werden.

Persönlich finde ich, man sollte seinen eigenen Mythos pflegen, machen andere ja auch - mehr oder weniger. ;)

Obwohl der "Strange Bird" mit Sicherheit eher ein Einzelkämpfer ist, scheint mir hier am Anfang des Songs ein kleines Schwarm-Chaos unter aufschreckenden Vögeln hörbar zu sein, oder formieren sie sich zu einem Angriff, wer weiß.
Stampfender, schwerer, fast schon aggressiver Beat, mit schönen Melodien gemixt ist eine wunderbare Basis für Großes an Musik, was auch hier sehr gut funktioniert. Klasse! (y)
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
50til50, Part 36

RIP-OFF

Jeder Künstler ist ein Dieb. Dieser Satz ist, natürlich, gestohlen.

Bei meinen letzten Songs stand am Anfang des kreativen Prozesses das Spiel mit dem Sound. Was passiert, wenn ich diesen Oszillator mit jenem Generator kombiniere und das Ganze mit einem Effekt moduliere? So entstanden Klanggärten, in denen Phrasen und Melodien wuchsen. Irgendwie organisch, irgendwie chaotisch.

Für den nächsten Song wollte ich einen grundsätzlich anderen Ansatz verfolgen. Der Ausgangspunkt sollte eine Melodie sein. Lange Zeit waren Melodien für mich ein Rätsel. Wie schafften es die großen Komponisten und kleinen Singer-Songwriter, so großartige Melodien zu finden, die ins Ohr gingen und im Gedächtnis bleiben? Meine ersten Versuche scheiterten kläglich. Doch mit der Zeit entwickelte ich meine eigenen Techniken und, siehe da!, ich fand meine Melodien. Können sie mit Barbara Strozzi oder Franz Schubert mithalten? Eher nicht, aber ich mag sie trotzdem!

Also setzte ich mich ans Klavier und suchte eine Melodie. Ich hatte ein Vorbild im Sinn. Vor vielen Jahren gab es ein Stück Techno-Musik, das so sehr von der Melodie lebte, dass es gar nicht ins Auge fiel, wie viel Techno das Stück beinhaltete. So einen Song wollte ich schreiben! Mit diesem Beispiel im Hinterkopf fand ich eine Melodie, die mir gefiel.

Die nächste Frage war natürlich, wie sollte mein Stücke aufgebaut sein? Was soll’s, dachte ich, wenn ich mich schon in Sachen Melodie von den Technoheroen der Jugend inspirieren lasse, warum dann nicht auch im Aufbau? Natürlich folgten damals alle Songs einem Schema. Jeder hat von jedem geklaut. Jeder Künstler ist ein Dieb!

Ist Song Nummer 36 nun etwas Originelles? Ist alles nur eine Kopie einer Kopie einer Kopie? Keine Musikerin, kein Maler schafft Kunst im Vakuum. Wir leben in ständigem kreativem Dialog mit allem, was uns umgibt. Manchmal sind aber die Einflüsse deutlicher zu spüren. Ahnt jemand, welcher Technosong der frühen 90er Pate stand bei meinem neuen Track?

Als der Song fertig war, brauchte ich natürlich einen Namen – und nichts fiel mir ein. Zum Glück hatte meine Freundin die Klarheit im Kopf, die mir fehlte. „Wenn alles irgendwie geklaut ist, dann nennst du den Song eben RIP-OFF! Und als Cover nimmst du zerrissene Jeans…“

A propos Cover, erkennt ihr, zu welchen Originalen dieses Cover ein RIP-OFF ist?

RIP-OFF, der 36. Song meines Projektes 50til50, ist seit heute erhältlich. Hört ihn euch an und sagt, ob ihr den Haupteinfluss erkennt!


View: https://open.spotify.com/intl-de/track/63TQjQkTUYNvVYvpgA1MHN?si=169ba2dcdeec4169


View: https://youtu.be/q4q8mVtv0_U?si=AAy5gAhRlr68MyMd

#50til50
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 3 Benutzer
Jeder Künstler ist ein Dieb.
Na ja, wohl nicht nur Künstler, die allgemein wissentlich oft brotlos sind und daher vermutlich auf diebisches in ihren Arbeiten angewiesen sind. Jeder ist ein Dieb, irgendwie. Und dann gibt es ja noch Robin Hood's, die geklautes wieder zurückgeben. Das müssen sie allerdings auch erst einmal klauen. Davon gibt es allerdings weit weniger, sodaß es schon eine größere Unwucht hin zu den Dieben gibt, also uns allen, irgendwie. Ein Kreislauf - ein Geben und Nehmen.

"Klanggarten" gleich Soundgarden gefällt mir gut, treffend beschreibend für etwas in Richtung experimentelles, aber ruhig schwebendes Soundgetüftel, Soundscape, Drones, Ambient und sonstig chilliges.

Der Track RIP-OFF ist allerdings völlig anders gestickt als der Vorgänger mit electronica-Vibes und frischen moderneren Tönen, wieder mehr klassische melodiöse Synth-Musik.

Dingfest kann ich den 90er Techno Paten jetzt auf Anhieb nicht orten, vielleicht die frühen Kalkbrenner, Moby oder Underworld. Es gibt da einen Techno-Track U96.

Cover-Art, mmmmh . . . habe ich nichts im Archiv, wäre mir in Erinnerung geblieben, so wie Roger Waters The Pros And Cons Of Hitch Hiking, okay die Lady hatte allerdings gar keine Hot Pants an, nichts - dafür trug sie aber einen Rucksack. :ROFLMAO:
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, dieses Stück ist ein wenig anders. Die kleine Folge zwischen Sekunde Fünf und Acht erinnert mich an irgendeine Zeit, der Sound verhindert jedoch die Connection zu einem bestimmten Song. Bei der Frage, welcher Technosong der frühen 90er Pate gestanden haben könnte, fällt mir "No Good (Start the Dance)" oder "Da Funk" ein...

Cover, da klingelt nichts. Sticky Fingers?
 
Tatsächlich habt ihr beide den Finger schon in der richtigen Gegend...



Musikalisch hatte ich U96s Das Boot im Hinterkopf. Die Akkordfolge ist stellenweise ähnlich, die Art, wie die HiHat einsetzt ist ziemlich inspiriert, das ganze Feel erinnert mich an Das Boot - was seinerseits ja auch eine... Interpolation? Ein Cover? Nur geklaut? Ein Rip-Off?... war.



Das Coverbild wiederum ist ein Rip-Off... Nein, eine Hommage an Madonnas "Like A Prayer", welches seinerzeit als "inspiriert" von "Sticky Fingers" galt. All art is theft...



Habt lieben Dank für eure Kommentare. Ich komme so wenig hinterher, euch meine Dankbarkeit zu zeigen...
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 3 Benutzer
50til50, Part 37

FOREVER ALMOST NOT QUITE

Es war in den frühen 90ern, auf Klassenfahrt in Italien. Ich war im schlimmsten Teenagermodus und wusste das auch. In wenigen Wochen würde ich mich auf mein erstes großes Abenteuer aufmachen und als Austauschschüler für ein Jahr in die USA fahren, aber jetzt, hier, in einer fürchterlichen Disko in Rimini, zählte nur der Augenblick. Es war fast perfekt. C+C Music Factory versprach, uns ins Schwitzen zu bringen, es gab Batida de Coco, die Mädchen guckten nicht nur den zugegebenermaßen deutlich hübscheren italienischen Jungs auf ihren Vespas hinterher, sondern ein bisschen auch zu mir und ich fühlte mich fast wie der König der Welt. Wenn jetzt noch Sandra mich anlächeln würde… Wie gesagt, es war fast perfekt, aber eben nur fast.

Dieses Gefühl, ganz kurz vor dem Ziel zu sein, nur noch einen Schritt zu brauchen und alles wäre auf dem Höhepunkt – ich spüre selbst heute noch, wie es mich Erwartung und Vorfreude füllt!

Dieses Gefühl, dass sich gleich alle Türen öffnen würden, dass gleich das Größte Ding Ever geschehen würde, dass ich noch nicht ganz da bin, wo ich hin will, aber es dauert nicht mehr lange, und dann geht es los – es hat mich immer begleitet.

Im Studium, wenn ich glaubte, einem ganz großen Gedanken auf der Spur zu sein. In Partnerschaften, wenn ich mich fast unsterblich fühlte. Beim Experimentieren in Musikprojekten, Chören oder Bands, wenn aus einer Probe plötzlich ein Konzert wurde.

Und trotzdem kam ich nie richtig dort an, wo ich sein wollte. Sandra lächelte dann doch einem anderen zu (mögest du für immer in der Hölle schmoren, Mark!). Der große Gedanke war doch eher trivial und andere hatten ihn schon vor mir gehabt. Partnerschaften lebten sich auseinander. Die Musikprojekte blieben Projekte. Und wenn in einem Bereich etwas richtig gut lief, gab es Enttäuschungen und Rückschläge in anderen Bereichen.

Es gab nie den perfekten Moment. Es gab nie den perfekten Durchbruch. Es gab nie das perfekte, alles umfassende, nie endende Glück. Das Leben ist keine Pralinenschachtel, es ist kein Auf und Ab, es ist keine sich windende Straße. Es ist komplex, chaotisch und meistens ziemlich verwirrend. Ziele werden nicht erreicht, Träume bleiben unerfüllt. Ich glaube, irgendwie war ich mein Leben lang „ständig fast noch nicht ganz“.

Und dieses Gefühl ist großartig! Nie werde ich alle Ziele erreichen, oft wird die letzte Tür verschlossen bleiben und trotzdem ist das toll. Wie Schuberts Sinfonie bleibe ich unvollendet, weil es immer neue Horizonte gibt, immer neue Herausforderungen, immer neue Wünsche. Mein „Verweile doch, du bist so schön“ ist immer gemischt mit einem „Ich frage mich, was hinter dieser Kurve sein könnte…“

Mein neuester Song, FOREVER ALMOST NOT QUITE, erinnert mich an dieses Gefühl. Er erinnert mich an jene Abende in Rimini, an große Erwartungen und oft noch größere Enttäuschungen. Anstatt über ein „knapp daneben ist auch vorbei“ zu klagen, fühle ich mich Freude und Hoffnung. FOREVER ALMOST NOT QUITE heißt für mich: Schau, wie weit du schon gekommen bist!

FOREVER ALMOST NOT QUITE ist der 37. Song meines Projekts, in 50 Wochen 50 Songs zu schreiben und zu veröffentlichen. Ich hätte ihn bestimmt noch weiter polieren können. Hier eine Filterfahrt, da ein Sample, eine andere Snare, ein anderer Bass. Ich finde aber, NOT QUITE ist immer noch PRETTY GOOD.

Ich hoffe, euch gefällt der Song. Lasst mich wissen, wie ihr das seht mit den nicht erfüllten Träumen und den Türen, die sich nicht öffnen.


View: https://open.spotify.com/intl-de/track/4wLknTdukLxdI4nXE241cf?si=0e8ef2095bca4547


View: https://youtu.be/D6Nx2dzXF9A?si=6Cf_d4RMBycOvpgH

#50til50
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Während ich deine tollen Texte lese, freue ich mich immer schon auf den dazugehörigen Track. Und bin gespannt darauf. Wenn ich ihn höre, denke ich oft schon am Anfang wie gut du das, was du beschrieben hast, musikalisch eingefangen hast. Und das ist auch hier so. (y)
Jede Woche einen Track zu erstellen, damit zufrieden zu sein, wie er ist, und sich dann dem nächsten zuzuwenden - das ist etwas, wobei man sehr viel lernt, sehr viel entdeckt und sehr viel erlebt.
Ich freue mich auf jeden Fall auf alle Tracks und Begleittexte, die noch kommen.:)
 
Ja, die Idee und auch Umsetzung für/in Janek's Thread 50 Tracks mit dazugehörigem Storytelling und Cover-Illustrationen wöchentlich bis zu seinem 50ten zu präsentieren ist ganz wunderbar. Ein sehr persönlich gestalteter Countdown in einen neuen Lebensabschnitt.
Wieder mal schade, das es hier so wenig Resonanz gibt. Das tut dem gelungenen Projekt an sich aber keinen Abbruch und es findet vielleicht in irgendeiner Form sogar Nachahmer. ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Habt lieben Dank für eure Kommentare!

Im Verlauf der Zeit habe ich selber erst gemerkt, wie wichtig es (für mich) ist, etwas zu den Musiktücken zu schreiben. Oft wird mir erst dadurch bewusst, was mir durch den Kopf geht, wenn ich die Musik aufnehme. In der kreativen Phase bin ich so auf das Kreativsein fokussiert, dass ich nicht wirklich mitkriege, was sonst noch so in meinem Kopf passiert. Die Texte sind dann so eine Art Kristallisationspunkt, an welchem Musik und Geist (wenn man das so sagen kann) zusammenkommen...

Oft ist es leider so, dass die Kreativphase deutlich kürzer ist als die technische Phase - welcher Part muss lauter, welcher muss leiser, was muss wie automatisiert werden, wo hilf ein EQ, wo schneide ich besser ganze Parts wieder raus. Dabei kann ich dann schonmal aus dem Auge verlieren, was der Song für mich eigentlich bedeutet. Die Texte zu schreiben, hilft mir dann wieder, dass alles zusammenfindet...
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Und jetzt der neue Song...

50til50, Part 38

ERAT ET ERIT

Es ist vielleicht ein bisschen peinlich, aber ich war schon Anfang zwanzig, als mir zum ersten Mal auffiel, wie kurz die Gegenwart ist. Ein Grammatik-Prof hatte uns darauf hingewiesen, dass es in der englischen Sprache eigentlich nur drei Zeitformen gibt (Past, Present und Future) und dass alles andere („Present Perfect Continuous Subjunctive“) nur Beiwerk ist. Es gibt nur drei Zeitformen: Was nicht mehr ist, was ist, und was noch nicht ist.

Die Gegenwart, der Moment, in dem wir wirklich sind, ist nur ein Augenblick. Und je genauer wir die Zeit messen können, um so kürzer wird dieser Augenblick. Die Zukunft rutscht durch die Gegenwart in die Vergangenheit. Der Moment ist noch nicht da, er kommt immer näher – und in dem Augenblick, da wir merken, dass er da ist, ist er auch schon nicht mehr.

Wir erwarten die Zukunft, erleben den kürzesten aller Momente und reflektieren dann über die Vergangenheit.

Die Physiker versichern uns, dass es eine kürzest mögliche Zeitspanne gibt. Eine Minute in Gegenwart von geliebten Personen ist kurz, aber sie besteht aus 60 Sekunden. Eine Sekunde, in der unser Finger auf der heißen Herdplatte ist, fühlt sich schrecklich lang an, besteht aber aus 1000 Tausendstelsekunden. Irgendwann kommt aber ein Punkt, an dem es nicht möglich ist, von einem Sekundenbruchteil noch ein kleines Bisschen abzutrennen. Die Planck-Zeit ist nicht mehr unterteilbar. In einer einzigen Sekunde stecken mehr Planck-Zeiten, als es Sekunden seit dem Urknall gab. Unvorstellbar. Aber so kurz ist die Gegenwart. In diesem winzigkleinen Augenblick verwandelt sich die Zukunft in die Vergangenheit. Dieser einzige Augenblick der Gegenwart ist umgeben von den Unendlichkeiten dessen, was noch nicht ist und dessen, was nicht mehr ist.

ERAT ET ERIT ist Latein und heißt soviel wie „Was war und was sein wird“. Wir denken so oft an das, was kommen könnte und verbringen noch mehr Zeit damit, an Dinge aus der Vergangenheit zu denken. Oft heißt es dann, dass wir vergessen, in der Gegenwart zu leben, doch wie schwer ist das, in der Gegenwart zu sein, wenn die Gegenwart kaum existiert?

ERAT ET ERIT ist Song #38 aus meinem Projekt „50til50“. Es sind nicht mehr allzu viele Wochen, bis ich 50 werde und bislang halte ich gut Schritt – seit meinem 49. Geburtstag kam ein Song pro Woche. ERAT ET ERIT ist ein wenig eine Meditation auf die Zeit, auf das war war und das, was kommt, und darauf, was wir mit der Reihe von kurzen Momenten, die wir Leben nennen, anfangen.

Eine kleine Notiz zum Coverbild… Meine wunderbare Freundin hat diese tanzenden Skelette als ein mögliches Tattoo-Motiv entworfen. Es zeigt Citipati, einen Schutzgott aus dem Buddhismus. Die Citipati waren zwei Asketen, die ihr Leben in Meditation verbrachten und so in ihre Meditation vertieft waren, dass sie nicht merkten, dass sie starben. Sie tanzen weiter als eins und erinnern uns daran, Leben und Veränderung zu schätzen.


View: https://open.spotify.com/intl-de/track/5rLEsrym8ppy3D0Q5tyzkJ?si=14c3ea4e4ebf4138


View: https://youtu.be/yY4cnJtqkvA?si=sIFxf05AvxjjYNmy


#50til50
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
(y)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hey Nachbar, was soll ich sagen. Ich freue mich nun schon seit Monaten, seit Powehi, jede Woche auf's Neue auf deine Ambient Synths. Auch diese Woche wieder ein tolles Stück Musik! Und dein 50 'til 50 ist eines der spannendsten Projekte hier im Forum. Danke!

LG camus
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Wow, danke für das Kompliment 💕
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Klingt super und wieder eine schöne Auswahl an Sounds (y)
 
50til50, Part 39

THE DAY THE MONKEY KISSED THE DOLPHIN

Die Sonne machte sich bereit, der Welt einen weiteren wunderschönen Sonnenuntergang zu schenken, als das kleine Äffchen über ein paar Felsen an den Rand der Lagune kletterte. Jeden Abend kam es dorthin, wenn der kein Wind sich regte. Dann schaute das Äffchen auf die Wasseroberfläche und suchte seine Reflektion. Es verstand inzwischen, wer dort aus dem Wasser zu ihm heraufsah und es liebte den Augenblick, wenn ihre Augen sich trafen – seine eigenen und die seiner Reflektion.

Doch heute war es anders. Aus dem Wasser beobachtete jemand anderes seine Bewegungen. Das Äffchen sah intelligente Augen, aber auf dem Gesicht im Wasser waren keine Haare, und keine Arme und Pfoten waren zu sehen. Langsam kam die Spitze des Gesichtes im Wasser zur Oberfläche. Das Äffchen spürte den Reflex zu fliehen, doch die Neugier war stärker. Wer konnte das nur sein? Ein freundlich aussehendes Gesicht durchbrach die Wasseroberfläche. Das Äffchen schreckte zurück, doch nur für einen kurzen Augenblick. Vorsichtig brachte es seinen Kopf ganz nah. Das Wesen aus dem Wasser streckte ihm seinen eigenen Kopf entgegen.

Das Äffchen küsste die Lippen des Delfins. Dann rauschte eine Welle der Freude durch das kleine Tier. Es sprang in die Luft, tanzte über die Felsen und brach in Laute der Begeisterung aus. Der Defin fühlte dasselbe. Er sprang aus dem Wasser und als er zurückfiel, ließ er das Wasser in tausend kleinen Tropfen in die Luft sprühen. So tanzten Äffchen und Delphin miteinander, bis die Sonne unterging.

Der Mensch hält sich für die Krone der Schöpfung. Als Beleg dafür kann er seine Intelligenz, die Erfindung von Bitcoins und Psychotherapie anbringen. Delfine haben all das nicht hervorgebracht. Wer weiß, vielleicht fühlen Delfine dasselbe: Sie sind die Krone der Schöpfung, weil intelligent sind und ohne Bitcoins und Psychotherapie besser leben?

Wir Menschen denken uns Geschichten aus über intelligente Wesen in den Fernen des Weltalls, doch haben wir noch immer nicht die anderen Intelligenzen verstanden, die wir hier auf der Erde haben. Wie viel Freude könnten wir miteinander teilen, wenn wir die Intelligenz anderer Lebewesen hier auf Erden verstünden?

In THE DAY THE MONKEY KISSED THE DOLPHIN geht es um Freude, um Energie, um Lachen und um Tage am Meer mit Cocktails und Wind und Sonnenuntergängen. Es ist der 39. Song meines Projektes, in 50 Wochen 50 Songs zu schreiben und zu veröffentlichen. Vielleicht kommt ein wenig meiner Freude und meines Spaßes rüber.

THE DAY THE MONKEY KISSED THE DOLPHIN ist jetzt überall zu hören, wo ihr Musik hören könnt.


View: https://open.spotify.com/intl-de/track/0f2XGsvDoky6zG7d3tMDaH?si=95dd094ebd114fe0


View: https://youtu.be/yJz3fYXEcJk?si=-bmvcU5dwmYWNNpg

#50til50
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 3 Benutzer
Holla, da ist mächtig Tempo drinne. Gedanklich bin ich da gleich beim Synthie-Pop der 80'ern: Yazoo, Vince Clarke, Bronski Beat oder gar den beiden ersten Depeche Mode Alben, nur alles auf 45 statt 33U/min. :)
Ja flotter Track, der auf mich zur noch frühen Stunde recht belebend wirkt.:juhuu:
Schöner Sound.
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
50til50, Part 41

RBMK / ULTRA

In meinem Song letzte Woche trafen zwei Intelligenzen aufeinander – Affe und Delfin. Das Thema Intelligenz ist dieser Tage ja in aller Munde, vor allem in Verbindung mit dem Wort „künstlich“. Jeder hat etwas zu sagen über künstliche Intelligenz, aber ich finde, wir reden viel zu selten über ihr Gegenstück: natürliche Dummheit.

Natürliche Dummheit findet sich im Alltag an jeder Ecke. Schaut euch den Zustand der Welt an und ihr seht die Auswirkungen natürlicher Dummheit. Ich will mir gar nicht ausmalen, was passiert, wenn mit natürlicher Dummheit gesegnete Menschen sich daran machen, künstliche Intelligenzen zu programmieren.

Zwei besondere Beispiele für natürliche Dummheit beschäftigen mich seit einiger Zeit. Da wäre MK ULTRA. In den 50er Jahren in den USA ins Leben gerufen, war MK ULTRA ein geheimes Forschungsprogramm, in dem man versuchte, das Bewusstsein von Menschen auszulöschen und ihnen eine neue Persönlichkeit zu geben – ohne dass die betroffenen Menschen etwas das wussten. Letztendlich ging es um den Versuch der Gedankenkontrolle. An nichtsahnenden Menschen wurden Experimente durchgeführt, die jeglichen ethischen Standards widersprachen. Elektroschocks in Gefängnissen, künstlich herbeigeführte Gehirnerschütterungen, Drogen – alles war mit dabei. Ein Wissenschaftler bekam ohne sein Wissen LSD. Als er Hilfe wegen der unerklärlichen Halluzinationen suchte, wurde sie ihm verweigert. Er stürzte kurz darauf aus einem Fenster in der neunten Etage. Irgendwo im Hintergrund machte sich jemand Notizen dazu.

All diese geheimen Experimente liefen ins Leere. MK ULTRA wurde offiziell in den 70er Jahren beendet. Die einzige Erkenntnis war, dass Gedankenkontrolle dieser Art nicht möglich war und das ohne Notwendigkeit tausende Menschen leiden mussten.

Ein weiteres Beispiel für natürliche Dummheit ist, für mich, der RBMK, ein in der Sowjetunion entwickelter und noch heute betriebener Kernreaktor. Ohne auf das Für und Wider von Kernkraftwerken einzugehen, lässt sich sagen, dass auf den ersten Blick einiges für einen solchen Reaktor spricht – er ist relativ leicht zu errichten, Brennelemente können ausgetauscht werden, ohne den Betrieb des Reaktors zu unterbrechen und ganz nebenbei könnte man, wenn man denn wollte (aber wer würde so etwas schon wollen), auch ein wenig waffenfähiges Plutonium gewinnen. Eindeutig ein Win/Win, oder? Na gut, die Strahlenbelastung ist deutlich höher als bei anderen Typen, es gibt kein Schnellabschaltsystem, eine Störung der Kühlung kann zu einer katastrophalen Feedbackschleife führen, es gibt kein Containment, welches im Falle des Falles austretendes radioaktives Material auffängt, aber wer will schon an das Schlimmste denken?

Das Schlimmste trat dann im April 1986 ein, als der RBMK in Prypjat/Tschernobyl seinen Moment of Glory hatte.

RBMKs werden noch heute verwendet…

Ich will die Stimmung nicht weiter runterbringen. Deshalb habe ich nur ein kleines, persönliches Bespiel für natürliche Dummheit zum Abschluss: seit mehreren Wochen stimmen meine eigenen Zahlen nicht. Ich beim Durchzählen stellte ich gerade jetzt fest, dass ich zwei verschiedene Songs mit der Startnummer 32 versehen habe. Das bedeutet, dass ich schon einen Song mehr veröffentlicht habe, als mir bewusst war. Heute ist also tatsächlich schon Song Nummer 41 dran…

RBMK / ULTRA ist ab heute erhältlich. Sein Name verbindet die beiden Beispiele natürlicher Dummheit, die ich oben beschrieben habe. Ich hoffe, ihr seid clever und hört euch den Song auf der Plattform eures Vertrauens an.

Was habt ihr so an Dummheiten verbrochen?


View: https://open.spotify.com/intl-de/track/1yy4k3214uu6K37yMrzgF8?si=336b25dce2724799


View: https://youtu.be/PXb0hk68Xso?si=E8JB7gdDg1ksDR9P

#50til50
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Janek!
Wieder ein besonders starker Track! Spricht mich sehr an. Der Overall-Sound spiegelt auch gut dies "Zukunft (früher)"-Thema wieder. Also wie man sich vor Jahrzehnten die Zukunft ausmalte, damals als die Computertechnologie noch in den Kinderschuhen steckte und mensch sich für Utopia/Dystopia faszinieren konnte. Wie du schon sagtest, große Dummheiten wurden unter diesem Deckmantel des Fortschritts begangen. Heute zählt vor allem der Schein und der Konsum, wobei mir aufgefallen ist, das mit Dingen, wie sie früher waren, erstaunlich viel Geld umgesetzt wird...

Meine persönlichen Dummheiten? Reichlich. Von bis. Ironie dabei: Zu oft im Moment gelebt, zu selten an die Zukunft gedacht.

LG camus
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer

Ähnliche Themen

B
Antworten
18
Aufrufe
8K
milamber
milamber
Larryboogie
Antworten
0
Aufrufe
2K
Larryboogie
Larryboogie
hack_meck
Antworten
14
Aufrufe
4K
gitarrenaxl
gitarrenaxl
huntertech
Antworten
0
Aufrufe
6K
huntertech
huntertech

Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben